Eine Gruppe maskierter Köln-Fans klettet über Absperrungen und Sitze. Unten rechts das Datum "08.09.2022"

WDR-Sport Schwere Aufarbeitung ein Jahr nach Nizza-Krawallen

Stand: 08.09.2023 17:24 Uhr

Vor einem Jahr kam es beim Spiel des 1.FC Köln in Nizza zu schweren Ausschreitungen. Zunächst waren FC-Anhänger angegriffen worden. Dann starteten Gewalttäter aus dem Kölner Lager unterstützt von Pariser Fans einen Gegenangriff. Knallharte Konsequenzen sollte es geben. Aber gab es die wirklich?

Von Jochen Hilgers

Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn macht einen zufriedenen Eindruck. Obwohl der Tatort in Frankreich lag, wurde er für die Kölner Staatsanwaltschaft aktiv. Bei außergewöhnlichen Ereignissen ist das juristisch möglich. Abgeschlossen seien die Ermittlungen noch nicht, sagt der erfahrene Staatsanwalt, der seit vielen Jahren in der Szene Straftaten verfolgt.

Gegen 19 von schätzungsweise 80 mutmaßlichen Tätern wurde ermittelt, sagt er. „Davon sind bisher 16 angeklagt. Neun wurden erstinstanzlich zu Geld- oder Bewährungsstrafen verurteilt“. Einige, die in Untersuchungshaft saßen, sind mittlerweile auf freiem Fuß. Kleinlaut hatten die meisten gestanden. Alkohol spielte eine große Rolle und Rudelbildung, der man sich nicht habe entziehen können oder wollen.

Identifizierung über Tattoos

Tritte gegen Nizza-Fans

Tritte gegen Nizza-Fans

Die Staatsanwaltschaft Köln hatte bei ihren Ermittlungen überwiegend Videomaterial auch von Stadionbesuchern ausgewertet. „Da haben wir große Unterstützung aus der Fanszene erfahren“, sagt Willuhn. Tattoos spielten eine große Rolle bei der Identifizierung der Straftäter. Die Umstände für die Gewalttäter waren günstig. In Nizza konnten sie sich frei im Stadion bewegen und entsprechend auf einander einprügeln.

Betroffenheit ohne Konsequenzen

Tiefe Betroffenheit herrschte beim 1.FC Köln. Schließlich hatte der Tag in Nizza so schön und farbenfroh begonnen. Was dann passierte aber, das solle es nie wieder geben. Harte Konsequenzen seien zu erwarten. Vorstand, Trainer und Geschäftsführung überschlugen sich geradezu in ihrer Betroffenheit . „Wir werden jeden einzelnen versuchen zu ermitteln. Er soll nie wieder in ein Stadion dürfen“, sagte ein sichtlich gezeichneter Christian Keller vor einem Jahr.

Ultras provozieren

Und heute? Niemand will sich beim FC äußern. Auch nicht Christian Keller, der ja jeden einzelnen verfolgen wollte. 16 Stadionverbote hätte der DFB ausgesprochen, heißt es. Das sind weniger als die Staatsanwaltschaft bislang identifiziert hat.

Über eigene Aktivitäten zur Aufarbeitung ist nichts bekannt. Dabei hatten die Ultras kurz nach Nizza im Stadion mehr als einmal provoziert. Zum Beispiel mit ihrer Solidarität zu ihren Pariser Mitkämpfern. Und heute wird gezündelt – trotz hoher Geldstrafen sogar im eigenen Stadion.