Real Madrid enttäuscht

Enttäuschter Weltverein Real Madrids Saison - keine Titel, kein Wunder

Stand: 14.05.2025 15:16 Uhr

Am Ende einer enttäuschenden Saison verlässt Carlo Ancelotti Real ohne großen Titel. Sein designierter Nachfolger, Xabi Alonso, trifft auf ein schlampiges Starensemble und soll den strauchelnden Riesen wieder aufrichten.

Von Till Oppermann

Carlo Ancelotti liebt Metaphern. In seiner Biographie schrieb der Sohn eines Milchbauern über seine Liebe zum Essen, dass er "schlinge wie ein Pferd". Als Ancelotti am Dienstag (13.05.25) auf einer Pressekonferenz zu seinem vorzeitigen Abgang als Trainer von Real Madrid befragt wurde, sagte er: "Hätte mir jemand vorher gesagt, ich würde elf Titel in vier Jahren gewinnen, hätte ich mit Blut unterschrieben."

Mit diesen martialischen Worten kämpft "Don Carlo" um sein Vermächtnis. Ancelotti ist zwar einer der erfolgreichsten Trainer der Vereinsgeschichte, aber weil Real in diesem Jahr weder Champions League, noch den Pokal oder die Meisterschaft gewinnen wird, interessiert das gerade niemanden. "Ancelotti beendet seine Amtszeit auf unschöne Weise", urteilte etwa die Madrider Sportzeitung "Marca" nach Reals vierten Niederlage im vierten Clasico dieser Saison.

Real gibt unwürdiges Bild ab

Besonders unschön, weil Erzrivale FC Barcelona ausgerechnet jetzt als das Nonplusultra des schönen Fußballs gilt. Die Reporter von der "As" kritisierten schonungslos: "Barca steht für Fußball und Herz, Real war ein Haufen einsamer Wölfe." Was diese "einsamen Wölfe" über die Demütigung dachten, konnte derweil niemand schreiben. Klub-Boss Florentino Pérez untersagt seinen Spielern seit Wochen alle Interviews. Er streitet mit der Liga um einen neuen Medienvertrag.

Das passt zu einer Saison, in der es viel zu selten um Fußball ging. Da war der Boykott des Ballon d’Or, weil Vinicus Jr. bei der Wahl nur Zweiter wurde. Da war die Rote Karte für ebenjenen Vini Jr, weil er einen Gegenspieler ohrfeigte. Und da war das Pokalfinale gegen Barcelona, vor dem Real mit allen Mitteln versuchte, den Schiedsrichter Ricardo de Burgos Bengoetxea zu diskreditieren.

Dass Reals deutscher Innenverteidiger Antonio Rüdiger nach dem Spiel für eine Attacke auf Bengoetxea für sechs Spiele gesperrt wurde, passte ins unwürdige Bild. Insgesamt neun Rote Karten leistete sich die undisziplinierte Mannschaft in dieser Saison.

"Fantastische Vier" nur auf dem Papier

Das ist einer der Vorwürfe an Ancelotti: Immer wieder konnte man in den spanischen Medien lesen, er lasse seinen Spielern zu viele Freiheiten. Vielleicht dachte der Italiener, er müsse seine Mannschaft nur bei Laune halten und dann würden es Kylian Mbappé, Vinicius Jr., Jude Bellingham und Rodrygo schon richten. Schon vor der Saison wurde das Quartett in der Presse "die fantastischen Vier" getauft.

In der Realität wirkte ihr Zusammenspiel oft unausgewogen. Vinicius Jr. und Mbappé fühlen sich beide auf der linken Seite wohl und standen sich so regelmäßig im Weg. Bellingham verlor seine Torgefahr, weil er anders als in der Vorsaison deutlich tiefer spielte und mehr gegen den Ball arbeiten musste. Und Rodrygo ist so unzufrieden mit seiner Spielzeit, dass er den Verein im Sommer verlassen möchte.

Fehlende Balance kostet Dominanz

Nicht nur Reals Angriff war in dieser Saison unausgewogen. Im Mittelfeld fehlten Ruhe und Passsicherheit besonders in den großen Spielen gegen Arsenal in der Champions League und Barcelona in den anderen Wettbewerben. Real kontrollierte die Partien nicht, sondern ließ sich jeweils auf einen offenen Schlagabtausch ein und zog den Kürzeren.

Das lag auch aber nicht allein an der klaffenden Lücke, die der Rücktritt von Toni Kroos in Reals Zentrale hinterlassen hatte. In der verletzungsgeplagten Abwehr fehlten mit Eder Militao und David Alaba zwei Spieler, deren Qualitäten insbesondere im Spielaufbau liegen. 37 Gegentore aus bisher 35 Ligaspielen sind der schlechteste Wert seit sieben Jahren. Sie sind vor allem damit zu erklären, dass die fehlende Balance zwischen den instabilen Mannschaftsteilen nicht ausgereicht hat, um Spiele zu dominieren.

Alonso soll Wunder wieder möglich machen

"Diese Mannschaft kann keine Wunder", kritisierte "Marca" nach der Champions League-Aus gegen Arsenal. Ancelottis designierter Nachfolger Xabi Alonso soll solche wieder möglich machen. Bei Real ist schließlich selbst das Unglaubliche bestenfalls ausreichend. Mit Trent Alexander-Arnold bekommt Alonso für diese Mission einen weiteren Weltklassespieler, der auf der rechten Seite bestens in das präferierte 3-4-3-System passt.

Seine Vergangenheit als Stratege in Reals Mittelfeld und die Erfolge mit Bayer Leverkusen machten ihn zu Florentino Pérez‘ Wunschtrainer. Und den Segen von Ancelotti hat Alonso auch schon: "Er hat alle Werkzeuge in der Hand, um in Zukunft ein großer Trainer zu sein." Eines davon könnte sich als besonders wichtig erweisen: In Leverkusen scheute sich der freundliche Alonso nicht, undisziplinierte Spieler hart zu bestrafen.