Franz Wagner im DBB-Trikot

Berliner NBA-Star Franz Wagner Franz Wagner nach NBA-Saison: Musterschüler vor Meisterprüfung

Stand: 06.05.2025 15:24 Uhr

Franz Wagner erreichte in seiner Karriere scheinbar ohne Mühe stets das nächste Level. Eine Verletzungsmisere bremste ihn bei den Orlando Magic etwas aus. Bei der EM könnte er noch mehr Verantwortung tragen - wenn er denn teilnimmt. Von Shea Westhoff

Franz Wagner muss 13 Jahre alt gewesen sein, als ihn eine Verletzung zu einer Pause vom Basketball zwang. Patrick Femerling trainierte damals das höhere U16-Jugendteam von Alba Berlin und erinnert sich an den damaligen Nachwuchssportler.
 
Femerling, das muss man wissen, repräsentiert selbst ein gutes Stück erfolgreiche deutsche Basketballgeschichte: Rekordnationalspieler ist er, EM- und WM-Medaillengewinner an der Seite Dirk Nowitzkis, mehrmaliger Meister mit Alba Berlin. Doch die Begebenheit mit Wagner blieb der 2,15 Meter großen deutschen Basketball-Ikone in Erinnerung.
 
"Er kam rein in die Halle und fragte mich, ob er dribbeln dürfte", erzählt Femerling am Telefon. Klar, kein Problem. Und so saß der Jugendliche, der sich ja schonen musste, auf einem Stuhl, schaute dem Training der Älteren zu, und dribbelte, um sein Ballhandling zu verbessern. Und dribbelte und dribbelte. "Er hat einfach weiter gedribbelt, wie ein Wahnsinniger, das ganze Training über", sagt Femerling. "Ich war fasziniert, wie jemand in so jungen Jahren so einen Eifer, so ein Bock hat, den Ball in der Hand zu haben."

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Schon bald titelreif?

Franz Wagner, der wissbegerierige Lehrling mit steiler Lernkurve, der bei den Älteren zuschaut und selbst in lädiertem Zustand noch an seinen Skills feilt. Die rund zehn Jahre zurückliegende Geschichte ist hilfreich, um dem heutigen Basketball-Profi etwas näher zu kommen. Überall war er irgendwie seiner Zeit voraus: übersprang in der Grundschule die zweite Klasse, meldete sich am College vorzeitig für den NBA-Draft an, unterzeichnete mit 22 Jahren einen Mega-Vertrag über 200 Millionen Euro, krönte seine noch junge Karriere mit dem Gewinn des Weltmeistertitels mit der Nationalmannschaft.
 
Was noch fehlt, ist der NBA-Titel. Mit ihrem Team Orlando Magic waren die Wagner-Brüder im Herbst in eine vielversprechende Spielzeit gestartet. Ein hoch veranlagtes Team stellt die Franchise aus Florida um die Schlüsselspieler Franz Wagner, Paolo Banchero und Jalen Suggs: flottes Passspiel, breit aufgestellte Scoring-Qualitäten, hartnäckige Verteidigung. "Ein Team mit wirklich viel Potenzial", sagt Femerling. Und mit dem emsigen Big Man und Bruder von Franz, Moritz Wagner, sowie dem aufstrebenden Rookie Tristan da Silva noch mit zwei weiteren begabten Exporten aus Deutschland.

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Franz Wagners Ausfall wog schwer

Doch dann kam die Verletzungsseuche. Banchero und Wagner zogen sich nacheinander eine langwierige Bauchmuskelverletzung zu, Moritz Wagner fehlt seit Dezember wegen eines Kreuzbandrisses, war bis zu seinem Saison-Aus wichtigster Einwechselspieler seines Teams, vielleicht gar der beste ligaweit. Auch Suggs musste über einen Großteil der Spielzeit passen.
 
Das Team-Lazarett war stets mit mindestens zwei Spielern belegt. Doch kein Ausfall wog so schwer wie der von Franz Wagner: Die Magic waren die Überflieger im Herbst, mit seiner Beteiligung gewannen sie zwischenzeitlich 13 von 16 Partien. In den darauffolgenden 19 Partien ohne ihn gewannen seine Teamkollegen bloß noch sieben.
 
Vielleicht lässt es sich so sagen: Die Verletzungsmisere war der Hauptgrund dafür, dass Franz Wagner erstmals in seiner Karriere ausgebremst wurde, statt weiter im Wahnsinnstempo von Level zu Level zu springen. Am Ende scheiterten die Magic in der ersten Playoff-Runde an dem erfahrenen Team des Titelverteidigers Boston Celtics.

Auch in dieser Spielzeit zeigte Wagner zur Genüge seinen unnachahmlichen Drive zum Korb, seine fließenden Bewegungen, Athletik, Passspiel, Verteidigung - bei ihm sei alles da, was einen kompletten Spieler ausmacht. Jedenfalls fast, betont Femerling: Mit seinem wackligen Distanzwurf steht der Small Forward stellvertretend für die größte Schwäche der Magic, die sie noch davon trennt, in der NBA den nächsten Schritt zu gehen. Kein Team traf in der zurückliegenden Spielzeit schlechter von der Dreipunktelinie. Nur 31,8 Prozent der Würfe fanden ihr Ziel.
 
"Wenn sie sich vielleicht noch auf ein, zwei Positionen verstärken, vielleicht noch einen Werfer hinzuholen, dann ist das glaube ich eine sehr komplette Mannschaft", sagt Femerling. Ob es irgendwann realistische Chancen auf den Titel gibt, sei auch davon abhängig, wie lange man die talentierte Mannschaft so zusammenhalten könne.
 
Und da gibt es in der NBA tatsächlich keine Gewähr für gar nichts. Die von den Klubbossen gesteuerten Wechselaktivitäten in der besten Basketball-Liga der Welt entziehen sich ja immer wieder der Deutungsebene aller Experten. Dass allerdings der Magic-Kader der nahen Zukunft Franz Wagner als Fixpunkt hat, darf als vergleichsweise sicher gelten. Der Vertrauensbeweis war den Klubbossen jedenfalls 224 Millionen Dollar wert.

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Neue Hierarchie beim DBB?

Franz Wagner bietet das frühe Saison-Ende mit den Magic andererseits mehr Zeit, um sich auf die Basketball-Europameisterschaft vorzubereiten, die ab dem 27. August in Finnland, Polen, Zypern und Lettland stattfindet.
 
Dort zählt die mittlerweile von Álex Mumbrú trainierte DBB-Auswahl nach dem Weltmeistertitel 2023 und der knapp verpassten Olympia-Medaille 2024 zum engen Favoritenkreis. Als Anführer der Nationalmannschaft galt in den vergangenen Turnieren stets Dennis Schröder. Dass nach der neuerlichen Gala-Saison von Franz Wagner Erschütterungen in den gewohnten Team-Hierarchie zu spüren sein werden, bezweifelt Femerling. Schröder sei der "vokale Anführer", der "das Wort ergreift und das auch gut macht". Wagner suche die zentrale Aufmerksamkeit gar nicht, sei eher ein stiller Leader.
 
Klare Bekenntnisse für eine EM-Teilnahme gaben bislang jedoch weder Wagner noch Schröder ab, mit Zusagen wird allerdings gerechnet. Eine erfolgreiche EM könnte für Franz Wagner Rückenwind bedeuten für die neue Saison mit den Magic und der Jagd nach dem Titel, am besten wieder mit seinem im Herbst von seienr Verletzung zurückerwarteten Bruder Moritz Wagner und Tristan da Silva.
 
Wo Dennis Schröder dann spielt, gilt noch als offen. Der DBB-Kapitän, der zuletzt bei den Detroit Pistons überzeugte, aber ebenfalls in der ersten Playoff-Runde ausschied, ist derzeit vertragslos. Das als kleiner Hinweis für den General Manager der Orlando Magic.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.05.2025, 13:14 Uhr