Gina Böttcher

Diversity Day Diversity Day: Wie Paraschwimmerin Gina Böttcher zum Vorbild wurde

Stand: 28.05.2024 18:01 Uhr

Paraschwimmerin Gina Böttcher aus Potsdam erlebte ein schweres Schicksal. Der Sport half ihr die Leichtigkeit zurückzugewinnen. Zuletzt holte sie drei Goldmedaillen bei der EM – aber nicht nur deshalb ist sie für viele ein Vorbild.

Gina Böttcher gelingt es, dem Leben immer wieder neue Freiheiten abzugewinnen, auch da, wo es ihr straffe Zwänge auferlegt. Vielleicht ist das die Erklärung für den Erfolg der Schwimmerin des SC Potsdam.
 
Die 23-Jährige ist mit verkürzten Gliedmaßen zur Welt gekommen. Das macht den Alltag kompliziert. Doch bereits auf dem Weg zum Schwimmbad im Sportpark Luftschiffhafen wird klar, dass sie Wege gefunden hat, Unabhängigkeit zu gewinnen, wo es geht.

IMAGO / Uwe Steinert
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Mit dem Skateboard zur Schwimmhalle

So sieht ihr Auto von außen wie ein klassischer Kompakt-SUV aus. Innen ist es jedoch eine Maßanfertigung: Aus dem Lenkrad ragt eine Halterung, "Gabel" genannt. In diese führt Böttcher ihre Hand und kann das Auto so einhändig steuern. Die andere Hand braucht sie für die Beschleunigung: Statt eines Gaspedals im Fußraum benutzt Böttcher einen Hebel, den sie nach unten drückt, wenn das Auto Fahrt aufnehmen soll. Schiebt sie den Hebel in die andere Richtung, bremst sie.
 
Dann die Strecke vom Parkplatz in die Schwimmhalle: zu Fuß normalerweise mühsam für Gina Gina Böttcher, die in Brandenburg an der Havel geboren ist. Doch dann zieht sie ein Skateboard aus dem Kofferraum und gleitet darauf über das Gelände.
 
Der Sprung ins Wasser, mit den Füßen voraus: Sie umgreift einen Ring, der vom Beckenrad baumelt, wartet auf das Kommando ihres Trainer Maik Zeh. Dann: "Go!" Und Böttcher stößt sich mit den Füßen von der Beckenwand ab und krault rücklings ihre Bahnen.

Im Wasser fällt Gina Böttcher das Leben leichter

Durch das Wasser zu pflügen, Böttcher bezeichnet es als "Freiheit". "Weil ich im Wasser Sachen machen kann, wo ich an Land Alternativen finden muss." Im Wasser, da falle ihr das "Leben nicht so schwer".
 
Gleichzeitig gibt sie viel her für den Sport, zum Beispiel den Großteil ihrer Freizeit. Zehn Trainingseinheiten hat sie wöchentlich, an vier Tagen. "Du gewöhnst dich irgendwann daran. Anfangs war es anstrengend." Aber wenn man dranbleibt, sei es nicht mehr ganz so kompliziert. Die Trainingsgruppe sei "ein Stück weit Familie, weil du echt viel Zeit mit denen verbringst. Teilweise sogar mehr als mit der richtigen Familie."
 
Die "richtige Familie", das ist längst die Familie, die sie aufgenommen hat, als sie wenige Monate alt war. Ihre leiblichen Eltern hatten sie nach ihrer Geburt im Krankenhaus zurückgelassen. Ein "Schock" war es, als sie davon erfuhr, natürlich. Aber man könne mit allem einen Umgang finden, sagt sie.
 
Vielleicht ist ihr Umgang mit dem Leben der Grund, warum sie zahlreiche Nachrichten auf Instagram von anderen Menschen mit Beeinträchtigungen erhalte, wie sie sagt. Teils würden sie sich nicht trauen, rauszugehen oder draußen Sport zu machen. Böttcher ist zum Vorbild geworden.

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Drei Goldmedaillen bei den Europameisterschaften

Man merkt ihr an, wie gerne sie in der Schwimmhalle ist. Hier ein Plausch, da ein Scherz. Maik Zeh, Stützpunkttrainer für den Para-Schwimmsport, kennt sie seit 2017. Er sagt: "Damals hat sie angefangen, mehr in die Parasportwelt einzusteigen und richtig Leistungssport zu machen." Verändert habe sie sich seitdem: "Sie ist viel offener, sie ist selbstständiger geworden, sie hat mehr Mobilität gewonnen."
 
Der Ertrag von Böttchers Einsatz im Schwimmsport: zuletzt drei Goldmedaillen bei den Europameisterschaften auf Madeira. Die Deutsche Sporthilfe wählte sie im April dieses Jahres zur Sportlerin des Monats.
 
Nun steht sie drei Jahre nach ihrem ersten paralympischen Auftritt von Tokio erneut vor dem Sprung auf die ganz große Bühne, mit den Paralympics von Paris (28.08. - 08.09.). Ihre Erfolge von Madeira haben die Messlatte höher gelegt. "Ich will nicht von Medaillen sprechen", dann wäre sie nur enttäuscht, falls es nicht klappt. Klar, Platz drei wäre ein Traum. "Aber das werden wir dann sehen."

Sendung: rbb24, 28.05.2024, 22 Uhr