Um diesen Slogan auf der Rückseite der Zebra-Trikots geht es in dem Konflikt (rbb/Lukas Witte)

"Dartista, Dartista, Antifascista!" "Dartista, Dartista, Antifascista!": Wie ein antifaschistischer Slogan für einen Konflikt in der Berliner Dart-Szene sorgt

Stand: 22.04.2024 07:22 Uhr

Dem Dartverein ADV Zebras droht ein Ausschluss aus dem Berliner Verband. Grund dafür ist ein antifaschistischer Slogan auf den Trikots, der aus Verbandssicht nichts im Sport zu suchen hat. Das wollen die Zebras nicht hinnehmen. Von Lukas Witte

Im Nordhäuser Stübchen in Berlin-Charlottenburg fällt der Blick in ratlose Gesichter. An einem Freitagabend haben sich die Mitglieder des Dartvereins ADV Zebras in der Eckkneipe zum Training versammelt, um sich auf ihr nächstes Match vorzubereiten.
 
Doch so hundertprozentig können sie sich nicht auf das Pfeilewerfen konzentrieren. Denn die Zebras stehen im Mittelpunkt eines großen Konflikts im Berliner Dart-Sport und die Zukunft des Vereins ist ungewiss.

Gründungsmitglieder fühlten sich unwohl

Die junge Geschichte des Vereins begann vor etwa einem Jahr und entstand aus einer Unzufriedenheit der sieben Gründungsmitglieder mit der Dart-Szene in der der Hauptstadt. "Wir waren alle sehr unglücklich damit. Die Szene ist teilweise sehr schwierig und sehr rechts", erklärt Steffen Thöring, 2. Vorsitzender der Zebras. "Man merkt das ganz unterschwellig und in vielen Kleinigkeiten. Es gibt sehr viel Stammtischgerede. Es ist tatsächlich so, wie man sich das Klischee-Dart von früher vorstellt: rauchende, saufende Männer in Kneipen", beschreibt er seine Erfahrung.

Der 2. Vorsitzende des ADV Zebras Berlin Steffen Thöring beim Training (rbb/Lukas Witte)

Steffen Thöring beim Training im Nordhäuser Stübchen

Immer wieder seien er und seine jetzigen Teamkollegen im Dart-Kontext Zeuge von homophoben, diskriminierenden und auch antisemitischen Kommentaren anderer Spieler geworden. Zum Überlaufen brachte das Fass ein Vorfall bei einem Turnier im Geschäftssitz des Dartverbands Berlin (DVB). "Dort brüllte ein relativ renommierter Spieler, der auch Bundesliga spielt, im Kontext der Fußball-WM 'Scheiß Judenschweine'", erzählt Thöring. Niemand der Anwesenden hätte auf die Äußerung reagiert und auch der Verband habe sich nach Hinweis darauf nicht darum gekümmert, sagt der 2. Vorsitzende.
 
Auf Anfrage des rbb bestritt der DVB, dass es eine Meldung an den Verband bezüglich eines solchen Vorfalls gegeben hätte. Überhaupt hätte es ligaübergreifend in der aktuellen Saison noch keine einzige Meldung bezüglich eines rassistischen, antisemitischen oder menschenverachtenden Kommentars im Spielbetrieb des DVB gegeben, teilte der Sportwart mit. Die Teams hätten in den Spielberichtsbögen die Möglichkeit, einen solchen zu schildern.

Vereinsgründung mit klarer Botschaft

Die Gründungsmitglieder der Zebras sind hingegen der Auffassung, dass der Verband die Augen verschließt und fühlten sich in der Szene zunehmend unwohl, weshalb sie im April 2023 ihren eigenen Verein ins Leben riefen.

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Das ADV im Vereinsnamen steht für "Antifaschistischer Dartverein" und soll eine klare Botschaft vermitteln: Die Zebras verstehen sich als weltoffen und inklusiv. Faschistische, sexistische, rassistische, antisemitische, transphobe, homophobe und islamophobe Aussagen sowie Handlungen würden nicht toleriert werden, heißt es auf der Website.
 
"Uns ist sehr wichtig, dass wir keine Antifa-Gruppierung sind, die zur Radikalität oder Gewalt aufruft. Wir wollen ein Ambiente schaffen, in dem jede Person, die in Berlin Dart spielen will, sich wohl fühlt. Und das unabhängig von allen gesellschaftlichen Faktoren", erklärt Kassenwart und Schatzmeister Philipp Isbrücker. "Das scheint auch einen Nerv zu treffen, sonst wären wir nicht so schnell gewachsen."
 
Die Mitgliedszahl hat sich seit der Gründung im vergangenen Jahr etwa verdoppelt. Mittlerweile spielen insgesamt 16 Personen Dart bei den Zebras. Auch sportlich feiert der Klub in seiner ersten Saison bereits Erfolge. In der Bezirksliga B sind sie seit dem ersten Tag Spitzenreiter und stehen nach einem Sieg im Spitzenspiel bei Verfolger Rakete Berlin in der vorigen Woche bereits als sportlicher Aufsteiger in die Oberliga fest.

Der Konflikt beginnt mit einem Slogan

Um ihren Vereinswerten nicht nur über den Namen Ausdruck zu verschaffen, entwickelten sie außerdem einen eigenen Slogan, den sie vor dem Beginn jedes Spiels gemeinsam riefen und auch auf ihre Trikots abdruckten: "Dartista, Dartista, Antifascista!“
 
Nicht bei allen in der Szene kam das gut an. "Es gab von Monat zu Monat immer mehr Gegenwind", erzählt Thöring. Gegnerische Teams hätten sich über den Slogan beschwert und diesen als radikale Meinung angesehen. Auch beim Dartverband Berlin seien mehrere Beschwerden darüber eingegangen, weshalb dieser schließlich involviert wurde. "Wir hatten im November ein Telefonat mit der Präsidentin, die uns gesagt hat, wir sollen den Einschwörungs-Ruf vor den Spielen sein lassen. Daran haben wir uns dann auch gehalten", sagt der 2. Vorsitzende.

Um diesen Slogan auf der Rückseite der Zebra-Trikots geht es in dem Konflikt (rbb/Lukas Witte)

Dieser Slogan auf der Rückseite der Zebra-Trikots steht im Zentrum des Konflikts

Daraufhin hätte es auch einige Monate Ruhe gegeben, bis sich der Sportwart des DVB Anfang Februar per Mail bei den Zebras meldete und den Slogan auf den Trikots thematisierte. "Da kam so ziemlich aus dem Nichts die Ansage, dass unser Trikot politische Meinungen verbreiten würde und das ab sofort nicht mehr toleriert werden würde", so Thöring. Entsprechende Bereiche auf den Trikots sollen abgeklebt werden, sonst könnten die Gegner das Spielen verweigern und die Matches gegen die Zebras gewertet werden, schreibt der Sportwart in der Mail.

Ausschluss aus dem Verband droht

Der Verein bat den DVB daraufhin um ein klärendes Gespräch mit der Präsidentin, das einige Wochen später auch stattfand. Hierbei ging es unter anderem auch um die Klärung, ob das Trikotverbot tatsächlich alle Spieler betreffen würde und nur einen einzelnen, der zusätzlich zu dem Slogan auch eine Flagge der Antifaschistischen Aktion auf seinem Trikot trug. Dieser habe allerdings sofort seine uneingeschränkte Bereitschaft erklärt, künftig auf das Symbol zu verzichten, erklären die Zebras.

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Dem Verband sei es hingegen aber auch um den Aufdruck "Dartista, Dartista, Antifascista" gegangen. "Uns wurde gesagt, dass uns ein Vereinsausschlussverfahren drohen würde, wenn wir das Trikot noch einmal tragen würden. Gleiches würde dafür gelten, wenn wir uns an die Presse wenden würden", erzählt Thöring. Im Falle eines Ausschlusses wäre den Zebras die Teilnahme am Spielbetrieb nicht mehr möglich.
 
In dem 45-minütigen Gespräch hätte es keine Bereitschaft zu einer konstruktiven Auseinandersetzung über das Thema gegeben. Stattdessen beriefen sich die Verbandsverantwortlichen dort und später auch in öffentlichen Erklärungen auf die eigene Satzung und unter anderem auch auf die des Landessportbund Berlin (LSB). Diese schreiben politische Neutralität vor, welche der DVB durch den Slogan der Zebras verletzt sieht.
 
"Es wurde überhaupt nicht auf unsere Argumente eingegangen und immer wieder nur gesagt, dass Antifaschismus Politik sei und damit nichts im Sport zu suchen hätte. Die Antifa-Flagge ist das eine. Die ist sicherlich ein politisches Statement. Das andere ist ein Einstehen für Menschen- und Grundrechte. Und das ist kein politisches Statement", bewertet Thöring die Situation.

LSB bietet Vermittlung an

Zu dem Gespräch, dem drohenden Verbandsausschluss der Zebras und den Konflikt im Allgemeinen wollte sich der DVB auf Anfrage nicht äußern. Innerhalb der Szene gibt es unterschiedliche Meinungen zu der Thematik. Zwei andere Vereine solidarisierten sich öffentlich mit den Zebras und kritisierten die Drohung eines Verbandsausschlusses. In einer öffentlichen DVB-Facebook-Gruppe gibt es in den Diskussionen aber durchaus auch kritische Stimmen anderer Spieler und Vereine zu den Zebras und Befürworter des Vorgehens des Verbands.
 
Dem Landessportbund Berlin, bei dem der DVB Mitglied ist und auf dessen Satzung sich dieser auch im Konflikt mit den Zebras berufen hat, war der Fall bislang nicht bekannt. Auf Nachfrage des rbb teilte der LSB mit: "Wenn Menschen in Vereinen und Verbänden eindeutig Stellung gegen Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit beziehen, können wir dies nur begrüßen. Sei es nun durch den Vereinsnamen, explizite Positionierungen (auf einem Trikot) oder auch einen 'Einschwörungsruf'. (...) Die Nutzung des Begriffs 'Antifaschismus' würden wir in diesem Fall als legitime Möglichkeit der Positionierung einordnen – solange dieser im Zusammenhang als Demokratie fördernd und nicht als radikal oder Gewalt verherrlichend genutzt wird."

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Einmischen könne sich der LSB in dieser Situation jedoch nicht. "Als Dachverband können wir Empfehlungen aussprechen, wie in unterschiedlichen Fällen agiert bzw. reagiert werden sollte. Die Sportverbände sind aber eigenständige Organisationen und für sich selbst verantwortlich. Sollte der Verband das Thema jedoch nicht eigenständig aufarbeiten können/wollen, steht der LSB natürlich für Beratung und Austausch zur Verfügung oder bietet sich als neutraler Vermittler beider Seiten an. Wenn der Bedarf besteht, können sich beide Seiten natürlich an den LSB wenden", so der Landessportbund.

Zebras hoffen auf außergerichtliche Einigung

Die Zebras wollen die Situation auf keinen Fall hinnehmen. Bis zu einer Klärung des Konflikts haben sie sich jedoch dazu entschlossen, die Trikots erst einmal nicht mehr zu tragen, um den Aufstieg nicht zu gefährden. "Wir werden es aber auf jeden Fall so nicht akzeptieren und wollen im nächsten Jahr wieder in den Trikots spielen", sagt Thöring.
 
Mittlerweile hat man sich dafür auch juristische Hilfe gesucht und versucht nun mit einem Anwalt eine Einigung mit dem Verband zu erzielen, damit die Trikots wieder getragen werden dürfen. Sollte dieser sich jedoch querstellen, müsste am Ende wohl tatsächlich ein Gericht entscheiden, inwieweit der Slogan und das Einstehen für Antifaschismus als politisches Statement angesehen werden können und damit gegen die Satzung verstoßen würden.
 
Für den 2. Vorsitzenden steht jedenfalls fest: "An der Stelle gibt es ganz klar eine richtige und eine falsche Seite. Und der Verband steht auf der falschen. Das Einstehen für Menschenrechte ist nicht meine eigene Meinung, sondern sollte eine Selbstverständlichkeit sein."