Johannes Lochner und seine Anschieber Erec Bruckert, Joshua Tasche und Georg Fleischhauer

Anschieber im Bob Fleischhauer, Buckwitz und Co.: Aus dem Schatten geschoben

Stand: 20.02.2024 11:14 Uhr

Am Wochenende starten die deutschen Bobpiloten in ihre Heim-WM in Winterberg, wo sie zu den haushohen Favoriten zählen. Das wäre allerdings ohne ihre Anschieber und Anschieberinnen überhaupt nicht möglich.

Francesco Friedrich, Laura Nolte oder Johannes Lochner – allesamt sind sie bereits Olympiasieger oder Weltmeister. Doch nicht nur ihre Titelausbeute haben die drei gemeinsam, am Ende des Tages müssen sie, ob Erfolg oder Niederlage, Rede und Antwort stehen. Denn als Bob-Piloten sind sie die Stars der Szene, die Chefs im Eiskanal.

Spätestens seit Sprintstar Alexandra Burghardt gemeinsam mit Mariama Jamanka in ihrer ersten und einzigen Saison als Anschieberin sensationell Olympia-Silber in Peking holte, rücken allerdings auch die Menschen, die hinter den Piloten im Bob Platz nehmen, immer mehr in den Fokus der Berichterstattung.

Kein Erfolg ohne Anschieber

Nicht ohne Grund: Denn was wäre ein Francesco Friedrich ohne seinen Anschieber Thorsten Margis, mit dem er viermal Olympiagold holte und das Renngeschehen über Jahre hinweg dominierte? Oder Johannes Lochner, der zusammen mit Georg Fleischhauer zurzeit ein Rennen nach dem anderen im Zweierbob gewinnt - nach Lochners Sturz in der Vorwoche in Altenberg wollen die beiden nun bei der anstehenden WM in Winterberg wieder angreifen.

Georg Fleischhauer (Deutschland, Bob Anschieber). (Bild: IMAGO / Eibner)

Video: rbb24 | 31.10.2023 | Jonas Schützeberg

"Die meisten Leute wissen gar nicht, wie unsere Aufgabe als Anschieber genau aussieht und welchen Anteil wir an allem haben. Also auch nicht, wie unangenehm das sein kann, hinten im Schlitten zu sitzen und nichts zu sehen. Das über eine ganze Saison aushalten zu müssen, ist ein harter Job. Da freut man sich über die Wertschätzung", so Fleischhauer im Gespräch mit der Sportschau. Der 35-Jährige fährt erst seit vergangener Saison im Team von Lochner mit, der Sieg im Zweierbob bei der WM 2023 war ihr bislang größter Erfolg zusammen.

Ein bisschen wie Todesangst

Wie Burghardt ist auch Fleischhauer ein Quereinsteiger. Und wie so viele andere Anschieber kommt auch er aus der Leichtathletik. Als zweifacher deutscher Meister über 400 Meter Hürden nahm er an Welt- und Europameisterschaften teil, der große Traum von Olympia blieb jedoch unerfüllt. Noch, denn als Anschieber könnte dieser 2026 wahr werden.

An seine ersten Fahrten im Bobschlitten erinnert sich Fleischhauer noch gut. Das war 2019 in Altenberg. "Die waren schon sehr heftig. Danach hatte ich Kopfschmerzen und mir war schlecht. Man ist total verkrampft, hofft einfach nur, dass man heil unten ankommt. Ein bisschen wie Todesangst", erzählt er. Am nächsten Tag sei es aber zum Glück sehr viel besser gelaufen. "Da kann man trainieren und so gut sein, wie man will, aber wenn man das Fahren an sich nicht verträgt, bringt das alles nichts."

Anschieber nicht nur beim Start gefragt

Doch wie sieht die Arbeit der Anschieber und Anschieberinnen eigentlich genau aus? Sie sind die "Mädchen und Jungs für alles" - vereinfacht gesagt. Kufen schleifen, den Schlitten von A nach B schleppen, den Piloten bei Laune halten. "Also eigentlich alles, worauf der Pilot keine Lust hat", sagt Fleischhauer lachend. Sportlich gesehen kommt es beim Anschieben auf Kraft sowie Schnelligkeit an. Das Ziel: der Schnellste am Start zu sein. "Da geht es um alles oder nichts. Du gibst beim Startkommando einfach Vollgas. Das sind fünf, sechs Sekunden, bis du in den Bob springst und den Kopf runternimmst", beschreibt Fleischhauer.

Die Handgriffe beim Einsteigen müssten ebenfalls sitzen. Besonders im Viererbob, wo noch einmal mehr Koordination gefragt sei. Anschließend übernimmt dann der Pilot, in dessen Hände die Anschieber ihr Schicksal legen. "Es gibt kaum einen anderen Sport, in dem der eine dem anderen sein Leben komplett anvertraut. Wir können hinten im Schlitten nichts mehr ausrichten." Und wie gefährlich es werden kann, zeigte erst die vergangene Weltcup in Altenberg, als der Schweizer Viererbob von Michael Vogt böse im Training stürzte und Anschieber Sandro Michel schwer dabei verletzt wurde.

Von der Anschieberin zur Pilotin

Selbst Pilot zu werden, das hätte Fleischhauer auch interessiert, aber sein Einstieg in den Bobsport geschah zu spät. Ganz anders als bei Vize-Weltmeisterin Lisa Buckwitz, die bereits mit 18 Jahren ihre Karriere als Anschieberin startete und nur wenige Saisons später das erreichte, wovon viele Sportler und Sportlerinnen träumen – sie wurde 2018 gemeinsam mit ihrer Pilotin Mariama Jamanka Olympiasiegerin in Pyeongchang. Nach den Spielen entschied sich Buckwitz dann aber für eine Pilotenausbildung.

Lisa Buckwitz und Vanessa Mark aus Deutschland in Aktion.

"Weil ich in so kurzer Zeit schon alles erreicht hatte, hatte ich keine richtige Motivation mehr und bin in ein Loch gefallen. Deshalb brauchte ich ein neues Ziel, und zwar als Pilotin eine Olympia-Medaille zu holen", so die 29-Jährige gegenüber der Sportschau. Normalerweise fange man direkt als Pilotin an, ein Wechsel unter Anschiebern sowie Anschieberinnen sei dagegen sehr selten. Buckwitz selbst musste wieder bei null anfangen, verlor wegen des Sportartenwechsels sogar ihren Kaderstatus. "Es hat gedauert und viel Geduld gekostet. Als Sportlerin will man ja immer höher, schneller, weiter, aber Bobsport ist eine Erfahrungssportart", sagt Buckwitz. Sie habe sich von Jahr zu Jahr durchkämpfen müssen, die aktuelle Saison ist dementsprechend auch erst ihre zweite im Weltcup.

Druck bei den Anschieberinnen besonders hoch

Als ehemalige Anschieberin könne Buckwitz nachvollziehen, was ihre Teamkolleginnen durchmachen müssen. Dazu gehört auch der Kampf, überhaupt einen Platz in einem der Schlitten zu ergattern. Vor jeder Saison wird ein zentraler Leistungstest durchgeführt, nur die Besten schaffen es ins Weltcup-Team. In welcher Konstellation am Ende ein Team fährt, darüber entscheiden die etablierten Bobpiloten in Absprache mit den Trainern.

Besonders bei den Frauen sei der Druck aber hoch, da die Anzahl der Plätze im Vergleich zu den Männern sehr viel kleiner ist. "Dort gibt es den Zweier- und Viererbob, wo pro Team fünf Personen mitfahren können. Wir haben neben dem Zweierbob zwar noch den Monobob, wo die Anschieberinnen auch mitarbeiten, von einem Sieg haben sie am Ende aber gar nichts", gibt Buckwitz zu bedenken. Am Samstag (24.02.2024) starten die Bob-Wettbewerbe bei der Heim-WM in Winterberg. Zumindest Georg Fleischhauer dürfte als Anschieber aber gesetzt sein.