
Protest beim FIFA-Kongress Infantino gegen die UEFA - Geschichte eines Konflikts
Die europäischen Mitglieder des FIFA-Rats haben mit ihrem Protest den FIFA-Präsidenten Gianni Infantino bloßgestellt. Der Konflikt hat eine lange Vorgeschichte.
Die Ratsmitglieder der UEFA waren dem restlichen FIFA-Kongress in Paraguays Hauptstadt Asunción nach einer Kaffeepause ferngeblieben. Es war ein organisierter Protest, auf der Bühne blieben mehrere Sitze leer, darunter auch der von DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der Mitglied im FIFA-Rat ist. FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte zuvor Hunderte Delegierte und den Staatspräsidenten Paraguays mehr als drei Stunden warten lassen, weil er zu spät von einer Nahostreise mit US-Präsident Donald Trump in Paraguay ankam.
Die Potestaktion begründete die UEFA so: Infantino habe den Zeitplan nur geändert, "um privaten politischen Interessen nachzukommen", hieß es in einer Mitteilung der UEFA. Solch ein Klartext und derart offen ausgetragene Konflikte sind selten in der Sportpolitik. Der FIFA-Kongress in Paraguay war ein neuer Tiefpunkt im Verhältnis zwischen der UEFA und Gianni Infantinos FIFA, von denen es in der Vergangenheit einige gab - ein Blick in die Geschichte des Machtkampfs:
2016: Infantino folgt auf Blatter - nicht Platini
Nach den FIFA-Skandalen und dem Abtritt von Sepp Blatter stand der damalige UEFA-Präsident Michel Platini für die Nachfolge an der FIFA-Spitze bereit. Doch dann wurde eine Zahlung von zwei Millionen Franken von Blatters FIFA 2011 an Platini bekannt, angeblich als Nachzahlung für Beraterdienste. Blatter und Platini wurden beide gesperrt.
Zur Wahl bei der FIFA stellte sich dann Infantino - der frühere Generalsekretär Platinis bei der UEFA. Platini warf Infantino später vor, die Zahlung bei den Behörden bekannt gemacht zu haben, um selbst Präsident zu werden. Infantino bestritt das, ein Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.
Das Verfahren gegen Blatter und Platini endete erst im März diesen Jahres mit einem Freispruch vor einem Schweizer Berufungsgericht - neun Jahre nachdem Infantino statt Platini an die Spitze der FIFA gewählt wurde. Seit 2016 ist Infantino Präsident des Weltverbandes. Er nahm dabei einige Mitarbeiter von der UEFA mit. Das sorgte für soviel Ärger, dass sich beide Verbände darauf einigen mussten, gegenseitig kein Personal abzuwerben.
2017: Die Einführung des Video-Assistenten
Die FIFA war eine treibende Kraft bei der Einführung des Video-Assistenten. Das International Football Association Board (IFAB) ist das Gremium, das die Fußballregeln festlegt, die FIFA hat dort die größte Mitsprache.
Doch die UEFA stand in Sachen Video-Assistent lange auf der Bremse, Präsident Ceferin äußerte sich immer wieder skeptisch, gab angesichts der allgemeinen Entwicklung seinen Widerstand jedoch auf. Immer wieder zeigt sich der Konflikt im IFAB, wo die UEFA das Gegenteil von dem fordert, was die FIFA will - und umgekehrt.
2018: Die geheimen Turniere
Infantino versuchte, einen Deal über 25 Milliarden US-Dollar mit einer Investorengruppe aus den USA, China und Saudi-Arabien abzuschließen. Er wollte den Investoren weitreichende Gestaltung neuer Wettbewerbe überlassen. Wie das genau aussehen sollte und wer die Investoren waren, wollte Infantino im FIFA-Rat aber nicht preisgeben, da er sich zur Verschwiegenheit verpflichtet sah. Das Vorhaben wurde abgelehnt, der Ablauf führte zu eine deutlichen Abkühlung der Beziehung zur UEFA.
2021: Der Zwei-Jahres-Rhythmus der WM
Die WM der Männer ist der Goldesel der FIFA. Von den Einnahmen aus Sponsoring, Tickets und TV-Rechten dieses Turniers finanzierte sich der Weltverband viele Jahre fast ausschließlich. Die Idee: Warum die WM dann nicht alle zwei Jahre spielen? Was Infantino brauchte, war jemand, der genau danach fragt. Das erledigte der Fußballverband Saudi-Arabiens, der beim Kongress 2021 eine Machbarkeitsstudie forderte und bekam, ob die WM alle zwei Jahre ausgetragen werden sollte.
Die FIFA veranstaltete Medientermine, in denen FIFA-Direktor Arsène Wenger und "FIFA-Legenden" wie Sami Khedira die Vorzüge eines Zwei-Jahres-Rhythmus vortrugen. Es waren die UEFA und Aleksander Ceferin, die alle Register zogen, um das Vorhaben zu stoppen. Gemeinsam mit Südamerikas Verband drohten sie mit Boykott und bildeten so die Opposition gegen Infantinos Wünsche, der den Plan schließlich aufgab.

FIFA-Präsident Gianni Infantino (r.) mit UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
2022: Die "One-Love"-Binde in Katar
Im Vorfeld der WM in Katar hielten es einige mächtige Verbände aus Europa für angemessen, mit der "One Love"-Kapitänsbinde für Menschenrechte einzustehen. Dahinter steckte im Umkehrschluss eine unverhohlene Kritik am WM-Gastgeber Katar, wo es gut dokumentierte schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen gab.

Die One-Love-Binde vor der WM in Katar an Manuel Neuers Arm
Die UEFA trug den Protest nicht mit - wohl aber einige der wichtigsten ihrer Mitglieder. Die Verbände aus Deutschland, England, der Niederlande, Belgien, Schweiz, Wales und Dänemark kündigten den Einsatz der Binde medienwirksam an und wollten sie nach eigenem Bekunden auch bei Widerständen tragen. Doch dann drohte Infantinos FIFA mit Verweis auf die Turnierregeln mit "sportlichen Konsequenzen" wie beispielsweise einer Gelben Karte. Einige Verbände berichteten von angedrohten Punktabzügen, die im Raum gestanden haben sollen.
Das reichte den Verbänden, um einzuknicken. Sie trugen die von der FIFA vorgegebenen Binden. Infantino lachte auf der Tribüne die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser an, die die Binde als eine Form von Protest mitgebracht hatte. Die Verbände standen in der Öffentlichkeit als rückgratlos da. Bei Infantinos Wiederwahl als FIFA-Präsident 2023 per Akklamation klatschten einige Verbände wie der DFB ausdrücklich nicht mit.

Nancy Faeser sitzt mit der One-Love-Binde neben Gianni Infantino.
2022/23: Die Einführung der Klub-WM
Nachdem er den Zwei-Jahres-Rhythmus nicht bekam, wollte Infantino eine andere Möglichkeit haben, Geld für die FIFA zu generieren. Die war bislang abhängig von der Männer-WM. Eine Ausweitung und Neugestaltung der Klub-WM sollte das Problem lösen. 32 Teams spielen im Sommer 2025 nun in den USA. Infantino setzte sich durch, obwohl die UEFA viele Gründe hätte, dagegen zu sein:
- Das neue FIFA-Turnier überstrahlt im Sommer 2025 teilweise die von der UEFA organisierte Frauen-EM.
- Die Klub-WM kann auf Dauer die Champions League zum zweitwichtigsten Klub-Wettbewerb degradieren.
- Die Belastung der Spieler, die für die Show in der Champions League und den europäischen Topligen sorgen, steigt.
- Die FIFA wildert im Geschäftsbereich der UEFA mit den europäischen Klubs und zieht TV-Geld an sich, das dann vielleicht nicht mehr für die Champions League oder europäische Ligen zur Verfügung steht.
Doch die UEFA ging nicht gegen die Klub-WM vor, sondern trug im FIFA-Rat alle Beschlüsse mit. Der einfache Grund: Sie kann sich nicht gegen die Interessen der europäischen Spitzenklubs stellen, denn die wollen das Geld aus dem Turnier haben. Denn die braucht sie im Alltag auf ihrer Seite und auch im Kampf gegen die Super League. Zähneknirschend nahm Ceferin das neue Turnier hin und sagte im April schmallippig: "Die Klub-WM findet statt und fertig. Die Klubs aus Europa wollten das Turnier."

Die neue Trophäe der Klub-WM mit Gianni Infantinos Autogramm (oben rechts)
Der europäische Protest auf dem FIFA-Kongress und die Abstrafung Infantinos auf offener Bühne trägt den Konflikt nun in die nächste Runde. 2027 endet Infantinos aktuelle Amtszeit, dann müsste er sich zur Wiederwahl stellen.