Interview | Köln-Trainer Steffen Baumgart "Union ist kein kleiner Verein"

Stand: 01.03.2023 14:00 Uhr

Er spielte einst für den 1. FC Union und lebt immer noch in Köpenick, auch wenn er seit 2021 den 1. FC Köln trainiert. Vor dem Duell mit seinem Herzensklub spricht Steffen Baumgart über die besondere Beziehung, Urs Fischer - und Köpenicker Qualität.

rbb|24: Herr Baumgart: Samstag, 15:30 Uhr, Auswärtsspiel, Alte Försterei. Worauf freuen Sie sich am meisten?
 
Steffen Baumgart: Einfach wieder in Berlin zu sein. Und ja, die Alte Försterei ist natürlich immer ein Erlebnis - nicht, weil ich da in der Nähe lebe und einen emotionalen Bezug habe, sondern weil da immer eine geile Stimmung ist.

Ihre aktive Zeit bei Union Berlin ist lange her. Immer noch sind Sie eng verbunden mit dem Klub. Wie hat das so lange gehalten?
 
Weil ich aus meiner Sicht die schönste Fußballerzeit bei Union hatte. Obwohl ich nur zwei Jahre da gespielt habe, war das für mich die prägendste Phase, die ich in meinen 14 Jahren als Fußball-Profi hatte. Das habe ich immer betont. Und das hat viel mit Union selbst zu tun, der Verein ist einfach schnell zur Familie geworden. Viele Leute, die ich damals kennengelernt habe, kenne ich heute noch, sie arbeiten noch beim Verein und wir sind weiterhin verbunden. Das hat sich damals so ergeben. Ich lebe auch nach wie vor in Köpenick, zumindest wenn ich nicht in Köln wohne, und werde meinen Lebensmittelpunkt wohl auch nicht mehr aus Köpenick wegbewegen.

Union-Trainer Urs Fischer und Sie gelten beide als Identifikationsfiguren für ihre Klubs. Aber Sie sind komplett unterschiedliche Typen – würden Sie diese Auffassung so teilen?
 
Ja. Aber das ist nicht entscheidend, glaube ich (lacht). Ein Trainer hat immer eine gewisse Präsenz bei einem Verein. Das gehört dazu. Und es wäre schwierig, wenn alle gleich wären. Das wäre ja langweilig.

Welche Gemeinsamkeiten sehen Sie in Ihrer Arbeit?
 
Wenn Urs und ich uns unterhalten, dann sehen wir schon Gemeinsamkeiten, aber es gibt auch große Unterschiede. Urs ist ein sehr erfahrener Trainer. Er hat schon den einen oder anderen Erfolg vorzuweisen. Das fehlt mir noch. Er schafft es – und das ist als Trainer nicht so einfach – kontinuierlich erfolgreich zu arbeiten. Bei Union gibt es keine längeren Schwächephasen, wenn man überhaupt davon reden kann. Jeder wartet auf einen Einbruch, aber sie spielen international und jetzt sogar um die Champions League mit. Das zeigt einfach, was Urs kann. Deswegen würde ich mich nicht mit Urs vergleichen. Was er geschafft hat, habe ich noch nicht geschafft.

Mit dem 1. FC Köln haben Sie noch nicht gegen Union gewinnen können. Was macht es so schwer, gegen die Eisernen zu bestehen?
 
Sie spielen einfach einen guten Fußball. Das ist ein erfahrenes Team und keine 'No-Name-Mannschaft'. Ich glaube, da gibt es nicht einen Spieler, der spielt und jünger als 25 ist. Sie sind erfahren auf nationaler und internationaler Ebene.

Sie sind einfach, was die Kaderzusammenstellung angeht, eine der besten Mannschaften und das zeigen sie auch.

Es ist auch ein breiter Kader. Das ist dann schon ein Unterschied zum 1. FC Köln. Es geht nicht um langjährige Bundesliga-Tradition, sondern das Hier und Jetzt. Und da sind sie einfach, was die Kaderzusammenstellung angeht, eine der besten Mannschaften und das zeigen sie auch. Wenn man den Kader mal genau durchgeht, ist nicht ein Spieler dabei – im Gegensatz zum 1. FC Köln –, den man entwickelt hat. Da wird kein junger Spieler nach und nach herangeführt, in der Bundesliga zu spielen, sondern das sind alles gestandene Profis und so treten sie auch auf. Deswegen haben sie aus meiner Sicht verdienten Erfolg. Was Union nicht ist, ist ein kleiner Verein oder ein 'No Name'.

Turbine-Trainer Marco Gebhardt (Quelle: IMAGO / Matthias Koch)
Marco Gebhardt wird neuer Trainer von Turbine Potsdam

mehr

Sportlich betrachtet gab es für Köln einen Sieg aus den letzten sechs Spielen, Ihre Offensive hat gerade wenig Glück. Kommt das Spiel gegen defensivstarke Unioner gerade zur falschen Zeit?
 
Wir können auch sagen, dass wir gegen Bayern und Leipzig nicht verloren haben. So gesehen ist das Glas bei mir halb voll. Meine Jungs marschieren und geben alles in den Spielen. Dass wir gegen Wolfsburg verlieren können, gibt die Kaderstruktur her. Dass wir nach Stuttgart fahren und dort nicht als Sieger vom Platz gehen, ist der Unterschied zu Union. Wir müssen uns das alles hart erarbeiten. Ich betrachte Fußball etwas anders als nur nach Zahlen und Momenten. Wir fahren nach Köpenick, wollen ein geiles Spiel erleben und das werden wir. Wir sollten uns auf die Emotionen freuen. Ob wir am Ende gewinnen, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann zumindest versprechen, dass wir alles dafür getan haben werden.

Der Ex-Herthaner Davie Selke bestritt gegen Wolfsburg sein erstes 90-Minuten-Spiel seit Mai 2022, war engagiert und sorgte immer wieder für Gefahr. Steht er gegen Union in der Startformation – und was erwarten Sie von ihm?
 
Ich erwarte, dass er mit uns arbeitet. An den Erwartungen, die von außen kommen – sprich: er muss Tore machen –, arbeiten wir. Das sind aber nicht die Erwartungen, die wir in erster Linie haben. Wir würden uns natürlich freuen, wenn er die Tore macht. Aber er soll vor allem mit der Mannschaft und für die Mannschaft arbeiten – und das tut er. Ob er in der Startelf stehen wird, kann ich jetzt noch nicht sagen. Was ich sagen kann: Er hat jetzt 90 Minuten gespielt und ist gesund – die Möglichkeit besteht also.

Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Shea Westhoff, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 01.03.2023, 18 Uhr