Der Spielball der 2. Bundesliga ist vor einem Spiel von Hertha BSC für seinen Einsatz vorbereitet. Quelle: imago images/Zink

Interview mit Sportökonom Sportökonom zu Herthas Nordic-Bond-Anleihe: "Es wird vermutlich eine Zitterpartie"

Stand: 12.05.2025 06:09 Uhr

Hertha BSC muss im November eine Anleihe in Höhe von 40 Millionen Euro zurückzahlen. Der Klub hofft, diese verlängern zu können - zu besseren Bedingungen. Ein erster Versuch scheiterte. Sportökonom Christoph Breuer sagt, wie es weitergeht.

rbb|24: Christoph Breuer, in dieser Woche kam die Nachricht, dass Hertha BSC mit einer Verlängerung der Nordic Bonds über 40 Millionen Euro im ersten Anlauf gescheitert ist. Was bedeutet das?
 
Breuer: Jedes Team der 1. und 2. Fußball-Bundesliga darf nur dann am Spielbetrieb teilnehmen, wenn sie die Lizenz von der Deutschen Fußball-Liga erhalten. Dafür gibt es auch finanzielle Kriterien, die sicherstellen sollen, dass kein Klub während der Spielzeit insolvent geht, um mögliche Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Hertha BSC hat Auflagen mit Blick auf die finanziellen Voraussetzungen zur Teilnahme am Spielbetrieb im nächsten Jahr erhalten. Das Kritische dabei ist, dass Hertha im November eine Anleihe in Höhe von eben 40 Millionen Euro zurückzahlen muss, und dafür im Moment nicht das nötige Geld hat. Daraus resultieren Probleme, die Lizenz für die neue Saison zu bekommen.

Wie und unter welchen Bedingungen geht es jetzt weiter?
 
Es ist nicht ungewöhnlich, dass die institutionellen Anleger - also die Besitzer der Anleihe - in der ersten Runde etwas zurückhaltend agiert haben. Die erste Runde ist ja deswegen gescheitert, weil sich zu wenige Gläubiger am Abstimmungsverfahren beteiligt haben. Der weitere Ausgang ist jetzt spannend zu erwarten: In der zweiten Runde müssen sich nämlich nicht mehr 50 Prozent der Anleihezeichner beteiligen. Es wird nun interessant zu beobachten sein, ob sie mehrheitlich darauf pochen, dass die Anleihe in diesem Jahr ausgezahlt wird oder ob sie sich auf eine spätere Auszahlung einlassen. Das könnte aus Gläubiger-Sicht die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie überhaupt das Geld zurückbekommen. Über den Ausgang kann allerdings nur spekuliert werden.

Hertha möchte die Anleihe-Bedingungen ändern und eine Verlängerung bis 2028 erreichen. Außerdem erhofft man sich eine Absenkung der Zinsen von 10,5 Prozent auf 6,5 Prozent. Warum sollten die Gläubiger einem solchen - für sie erst einmal schlechteren - Deal zustimmen?
 
Das ist in der Tat überraschend und für den Finanzmarkt durchaus ungewöhnlich. Normalerweise erhöht man den Zinssatz, um den Gläubigern einen Anreiz für eine Verlängerung zu geben. Hertha BSC geht den Weg, beide Bedingungen für die Gläubiger zu verschlechtern - vermutlich ausgehend von der nicht einfachen finanziellen Situation. Die einzige wirkliche Motivation für die Gläubiger zuzustimmen ist die doch recht vage Aussicht, mit einer eventuell höheren Sicherheit, sein Geld überhaupt zurückzubekommen - wenn auch später.

Wie realistisch ist eine Verlängerung zu den von Hertha erhofften Modalitäten dann überhaupt?
 
Wenn Gläubiger davon überzeugt sind, dass das Risiko groß ist, das Geld überhaupt wiederzubekommen, stimmen sie Bedingungen schon zu. Das sehen wir durchaus häufiger. So sollen Verluste möglichst eingegrenzt und vermieden werden. In der Finanzforschung spricht man dabei von der sogenannten 'Loss Aversion'. Dieser Mechanismus könnte hier im Sinne von Hertha BSC zum Tragen kommen.

Es wird vermutlich ein spannendes Rennen werden, weil die Zeit sehr knapp ist, der DFL eine Lösung vorzustellen.

Welche Alternativen gibt es für Hertha, wenn das Vorhaben komplett scheitert?
 
Hertha hätte sich frühzeitig darum bemühen können, die Nordic-Bond-Anleihen durch eine Fananleihe abzulösen. Dabei ist es oft so, dass diese Anleihen vergleichsweise einfach verlängert werden können, weil die Zustimmung der Anhänger durch ihre Liebe zum Klub eher an eine emotionale Rendite gebunden ist. Bei institutionellen Anlegern geht es um eine rein finanzielle Rendite.
 
Alternativ versucht Hertha dem Vernehmen nach, auf anderem Wege genügend Geld in den Klub hineinzuholen, um in diesem Jahr in der Lage zu sein, die Anleihe zurückzahlen zu können. Das führt allerdings zu weiterer Verschuldung, denn diese Mittel müssten schließlich auch zurückgezahlt werden. Zusammengefasst ist die Lage wirklich nicht einfach. Es wird vermutlich ein spannendes Rennen werden, weil die Zeit sehr knapp ist, der DFL eine Lösung vorzustellen. Auch bis zur möglichen Rückzahlung ist nur noch ein halbes Jahr. Das ist für derartige Finanzmarktlösungen nicht unbedingt viel.

Flagge von Hertha BSC im Amateurstadion (Quelle: IMAGO / Picture Point)
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Wie gefährlich kann die Geschichte im schlimmsten Fall für Hertha mit Blick auf die Spielerlaubnis für das nächste Jahr werden?
 
Wenn Hertha die Auflagen nicht erfüllt, müsste die DFL dem Klub die Lizenz eigentlich verweigern. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass es natürlich zu verschiedenen politischen Gesprächen kommen würde. Es ist für die DFL sicher nicht einfach, einem Traditionsklub wie Hertha BSC einfach so die Lizenz zu verweigern. Allein die Fakten und die nackten Zahlen würden aber dafürsprechen, dass Hertha keine Profilizenz mehr bekommt. Entsprechend der Statuten müsste der Klub dann in der Regionalliga Nordost antreten, sofern er die Lizenz des dafür zuständigen DFB erhält.

Trauen Sie sich eine Einschätzung zu, wie die Geschichte in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht?
 
Es wird vermutlich eine Zitterpartie werden. Hertha kann als Kapitalgesellschaft schließlich auch nicht so einfach den Joker ziehen, Eigentumsanteile zu veräußern. Fast 80 Prozent dieser Anteile sind schon an den sogenannten strategischen Partner 777 vergeben. Der Rest ist in der Hand des Muttervereins Hertha BSC e.V. Neues Eigenkapital und damit Liquidität zur Auszahlung der Anleihe können nur über eine Kapitalerhöhung erreicht werden.
 
Das wiederum ist aber auch gar nicht so einfach. 777 müsste quasi zustimmen, dass seine Anteile formal weniger wert wären. Oder aber 777 investieren in die neuen Anteile. Allerdings ist der Investor und strategische Partner 777 selbst finanziell sehr angeschlagen. Er wird nicht so ohne weiteres eine Finanzspritze in der erforderlichen Höhe zuschießen können. Und ob das Anlageobjekt Hertha BSC aktuell für neue Investoren attraktiv ist, erscheint doch recht fraglich. Vor allem braucht eine Kapitalerhöhung auch Zeit. Und die ist knapp. Der DFL muss schon in wenigen Wochen eine tragfähige Lösung vorgestellt werden.

Vielen Dank für das Gespräch.
 
Das Interview führte Jonas Bürgener.