
Fußball-Zweitligist Saison-Analyse, Geschäftsführer-Suche, 777-Anteile: Das wird auf der Hertha-Mitgliederversammlung wichtig
Hertha BSC lädt am Sonntag zur Mitgliederversammlung an. Zwar wird nicht gewählt, brisant könnte sie dennoch werden. Nach einer schwachen Saison und Personalchaos auf der Führungsebene werden die Hertha-Mitglieder Kritik üben. Von Marc Schwitzky
Es ist mal wieder so weit: Fußball-Zweitligist Hertha BSC lädt am kommenden Sonntag zur Mitgliederversammlung (MV) ein. Die Begegnung von Vereinsgremien und Fans findet in Halle 22B der Messe Berlin statt, um 11 Uhr ist Anpfiff.
Die Berliner sind einer der letzten Profi-Klubs, die noch zwei Mitgliederversammlungen pro Jahr anbieten - das bedeutet auch, dass nicht jede MV von gleich großer Bedeutung ist. Die vergangene Veranstaltung im November 2024 war noch ohrenbetäumbender Lautstärke begleitet, schließlich wurden ein neues Präsidium und ein neuer Präsident des eingetragenen Vereins gewählt.
Am kommenden Sonntag werden aber (vermutlich) keine 50-Euro-Scheine verbrannt, uminösen Umschläge geöffnet und Badehosen vorgezeigt - denn es stehen keinerlei Wahlen an. Stattdessen wird die MV wohl einen starken Informations- und Diskussionscharakter haben, schließlich ist es die erste Zusammenkunft seit dem noch jungen Saisonende 2024/25. Herthas Gremien um Präsident Fabian Drescher werden ihren Mitgliedern viel Sicherheit in unruhigen Zeiten schenken müssen.

Eine kritische Saisonanalyse
Eben jene Spielzeit verlief überaus enttäuschend für die "alte Dame". Hertha hatte einen Platz im Aufstiegsrennen angepeilt, wollte seinen Fans mutigen und erfolgreichen Fußball unter Neu-Trainer Cristian Fiél präsentieren - trennte sich aber aufgrund mieser Ergebnisse im Februar vom Dardai-Nachfolger. Zwischenzeitlich wankten die Blau-Weißen sogar der 3. Liga entgegen, doch Nachfolger Stefan Leitl rettete die Saison noch und führte Hertha noch auf Rang 11.
Ein Fiasko bleibt diese Saison dennoch - und das werden die Mitglieder die Verantwortlichen am Sonntag wohl spüren lassen. Zum einen wird sich der Verein in Person von Sportdirektor Benjamin Weber - erstmals nicht flankiert von Leiter Lizenzspielerabteilung Andreas "Zecke" Neuendorf - proaktiv für viele (Fehl-)Entscheidungen erklären müssen. Zum anderen ist eine sehr hitzige Aussprache mit vielen kritischen Fragen der Mitglieder zu erwarten.
So könnte die Saison-Analyse zu einem der größten Punkte der kommenden MV heranwachsen und viel Zeit in Anspruch nehmen.
Die Rücktritte von Neuendorf und Herrich
Eine "schonungslose Analyse" hatte Hertha bereits Mitte März angekündigt - und Taten folgen lassen. Sowohl "Zecke" Neuendorf als auch Geschäftsführer Thomas E. Herrich mussten gehen. Zwar traten beide genau genommen von ihren Ämtern zurück, doch in beiden Fällen ist davon auszugehen, dass sie ihrem Aus nur zuvorkamen. Hertha vollzieht derzeit einen Umbuch auf der Führungsebene.
Der Umbruch ist nicht nur brisant, weil mit Neuendorf und Herrich zwei langjährige Herthaner gehen mussten, sondern weil diese vor nicht allzu langer Zeit das volle Vertrauen in Form von Vertragsverlängerungen erhalten hatten. Herrich verlängerte im März 2024, "Zecke" sogar erst im Oktober 2024 - kurz vor der letzten Mitgliederversammlung und damit der Wahl eines neues Präsidiums, das in den umstrittenen Personalien womöglich anders entschieden hätte.
Genug Zündstoff also, um die Debatte auf der MV hitzig werden zu lassen. Vereinspräsident Fabian Drescher, der beide Vertragsverlängerungen, aber auch Trennungen mit zu verantworten hat, wird sich vor den Hertha-Mitgliedern erklären und kritische Fragen aushalten müssen.

Die bislang erfolgslose Suche nach einem neuen Geschäftsführer
Eben auch, weil die Folgelösung noch nicht steht. Hertha will sich im sportlichen Bereich grundlegend neu aufstellen, Herrich und Neuendorf sollen einem neuen Geschäftsführer mit ausgewiesener Erfahrung und Expertise im sportlichen Bereich weichen. Eben jene Person haben die Verantwortlichen allerdings noch nicht präsentieren können - dabei steht Herrichs Aus seit fast einem Monat öffentlich fest, intern vermutlich noch länger.
Sollte der Verein bis zur MV keine neuen Geschäftsführer und starken Mann im sportlichen Bereich vorgestellt haben, gibt das kein souveränes Bild ab und den Hertha-Mitgliedern noch mehr Anlass, den Verantwortlichen auf den Zahn zu fühlen - auch weil die Suche so öffentlich stattfindet. Die Medien wissen derzeit wieder bestens Bescheid, mit welchen Personen sich Herthas Präsidium trifft und warum sich welche Seite wie entscheidet. Das (nicht so) gute, (nicht so) alte Maulwurfsproblem der "alten Dame".
Auch hier wird es wohl eine kontroverse Debatte in Halle 22B der Messe Berlin geben.
Herthas Finanz- und Lizenzsorgen
"Allein die Fakten und die nackten Zahlen würden aber dafürsprechen, dass Hertha keine Profilizenz mehr bekommt", fasste Sportökonom Christoph Breuer die brenzlige finanzielle Lage des Traditionsvereins vor rund zwei Wochen im rbb|24-Interview zusammen. Dass die Lizenzvergabe solch eine Zitterpartie für die Berliner ist, liegt auch an der noch nicht durchfinanzierten Rückzahlung der Nordic-Bond-Anleihe und dem in der ersten Instanz gescheiterten Versuch, diese erneut zu verlängern.
Herthas Verantwortliche verkündeten noch im März in Person des damaligen Geschäftsführers Herrich, ein Finanzierungskonzept für die Anleihe-Rückzahlung erarbeitet zu haben. Auf der Mitgliederversammlung werden sie ihre verunsicherten Mitglieder neu abholen und ihn versichern müssen, dass es einen Plan für die kommenden Tage, Wochen und Monate gibt. Bis zum 4. Juni muss ein Konzept stehen, das den Lizenzgeber DFL überzeugt.
Was passiert mit den 777-Anteilen?
Viele Fragezeichen gibt es auch hinter den Hertha-Anteilen. Seit 2023 gehören diese zu 78,8 Prozent dem US-Unternehmen 777 Partners, das jedoch finanziell vor dem Aus steht und schon nicht mehr Herr im eigenen Haus ist. Die Versicherungsgesellschaft Advantage Capital Holdings (A-Cap) ist Hauptgläubiger von 777 Partners - und dadurch mittlerweile auch im Aufsichtsrat der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA vertreten. Joshua Wander und Steven W. Pasko von 777 gehören dem Kontrollgremium nicht mehr an.
Gibt es, anders als zuletzt zu 777, nun wieder regelmäßigen Kontakt zwischen Hertha und den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrat? Wie geht es juristisch mit 777 Partners und A-Cap weiter? Werden Herthas Anteile zeitnahe aus finanziellen Gründen verkauft? Und gibt es eine Möglichkeit, dass der Vereine die Anteile selbst zurückgewinnt?
All diese Fragen beschäftigen die Hertha-Mitglieder derzeit sehr - und verlangen auf der anstehenden MV nach Antworten. Antworten, die wohl Ralf Huschen geben wird. Er ist seit April 2024 Geschäftsführer bei Hertha, bislang öffentlich aber nicht in Erscheinung getreten, da Ex-Kollege Herrich Sprecher der Geschäftsführung war.
Nun ist Huschen, dessen Expertise bei den Finanzen liegt, allein auf jener Ebene - und somit gefordert, Führung zu übernehmen. Sie wird dringender denn je gebraucht.