Tottenham jubelt in Bilbao

Manchester United zu ideenlos Tottenham feiert Final-Triumph und spielt Champions League

Stand: 21.05.2025 23:33 Uhr

Tottenham Hotspur hat eine schlimme Premier-League-Saison vergessen gemacht und den Titel in der Europa League gewonnen. Manchester United war zu harmlos, und die Spurs dürfen nun Königsklasse spielen. Für den Treffer des Abends war United auch noch selbst verantwortlich - Luke Shaw unterlief in der 41. Minute ein fatales Eigentor.

Die erste Überraschung hatte es bereits vor der Partie gegeben. Spurs-Coach Ange Postecoglou verzichtete auf seinen Kapitän Heung-min Son, offenbar war ihm die Regenerationszeit nach dessen Fußverletzung noch nicht lang genug, obwohl Son am vergangenen Freitag beim 0:2 gegen Aston Villa bereits 73 Minuten lang auf dem Platz gestanden hatte. Stattdessen setzte Postecoglou auf Richarlison, der im spektakulären Stadion San Mamés in Bilbao auch sofort ein Aktivposten war.

Zwayer lässt das Spiel gut laufen

Überhaupt brauchte die Partie keine lange Anlaufphase, beide Teams verloren keine Zeit mit Mittelfeldgeplänkel, sondern visierten zügig den gegnerischen Strafraum an. Auch in den Zweikämpfen herrschte sofort eine typisch englische Intensität, die Schiedsrichter Felix Zwayer zum Glück nicht mit Bundesliga-Maßstäben beurteilte, er ließ das Spiel weitgehend laufen.

Was allerdings fehlte, waren klar herausgespielte Torchancen. Nach einem Patzer von ManUnited-Oldie Harry Maguire in der 15. Minute spielte Johnson im Strafraum den Querpass auf Richarlison zu unpräzise, kurz danach setzte Amad Diallo auf der anderen Seite einen Schrägschuss nur knapp am linken Pfosten vorbei.

Kaum Chancen und dann ein Slapstick-Tor

Es blieb ein Box-to-Box-Spiel. Die Zweikämpfe wurden zunehmend härter, die Qualität der Offensivaktionen hingegen blieb dem Tabellenstand beider Mannschaften in der Premier League angemessen: Platz 16 gegen Platz 17, schlechter als die beiden Duellanten waren in dieser Saison tatsächlich nur die drei Absteiger. Zur Pause lag der Wert der zu erwartenden Tore bei beiden Mannschaften bei 0,21 - und doch stand es 1:0 für die Spurs.

Die Entstehung hatte allerdings Slapstick-Charakter. Vier Minuten vor der Pause flankte Pape Sarr scharf von der linken Außenbahn, am Fünfmeterraum machte Brennan Johnson einen entschlossenen Schritt Richtung Ball, brachte aber nur eine verunglückte Hackenberührung zustande. Die Kugel ging sogar vom Tor weg, klatschte aber an die Hand von United-Verteidiger Shaw, der damit seinen Keeper André Onana vor ein unlösbares Problem stellte.

Dreimal 1:0 geführt, dreimal gewonnen

Rein saison-statistisch betrachtet, war die Partie damit bereits entschieden. In beiden Premier-League-Duellen sowie im Ligapokal hatte Tottenham das erste Tor geschossen - und alle drei Spiele dann auch gewonnen. Einen griffigen "Plan B" hatte United in diesen Partien also nicht nachweisen können, und auch an diesem Abend blieben Impulse vom einst großen Hoffnungsträger Rúben Amorim aus.

Stattdessen hatte Tottenham nach einer Stunde die Chance auf die Vorentscheidung. Doch Dominic Solanke verstolperte bei einem Zwei-gegen-Eins-Konter nach gutem Zuspiel von Destiny Udogie den Ball, statt frei auf Onana zuzulaufen.

Gradiose Rettungstat von van de Ven

Amorim reagierte immer noch nicht, aber Tottenham selbst sorgte plötzlich für Hochspannung. Nach knapp 70 Minuten patschte Spurs-Keeper Guglielmo Vicario einen hohen Ball nur zentral in Richtung Elfmeterpunkt, wo Rasmus Hojlund gedankenschnell reagierte und per Kopf das leere Tor anvisierte. Vicario, der vom eigenen Mann behindert worden war, sich aber trotzdem gestenreich bei Zwayer beschwerte, war geschlagen. Doch aus der Tiefe des Strafraums flog Ex-Wolfsburg-Verteidiger Micky van de Ven heran und klärte die Kugel mit einer artistischen Flugeinlage Zentimeter vor der Linie.

Micky van de Ven rettet auf der Linie

Anschließend wachte auch Amorim auf und brachte mit Joshua Zirksee und Alejandro Garnacho frisches Personal, ohne allerdings das Risiko zu erhöhen - vom Platz gingen mit Hojlund und Mason Mount ebenfalls zwei Offensivspieler. Doch Garnacho war schon nach drei Minuten gefährlicher als Mount in den 70 Minuten zuvor: Seinen Vollspannkracher konnte Vicario so gerade noch zur Ecke lenken. Danach drängte und drückte United, bekam auch noch sieben Minuten Nachspielzeit. Doch Tottenham verteidigte überragend, bis in die 97. Minute. Dann kam Shaw völlig frei zum Kopfball - aber Vicario hielt den Ball und damit den Sieg für die Spurs fest.

Son feiert seinen ersten Titel - auch Werner freut sich

Völlig aufgelöst feierte Tottenham anschließend den ersten internationalen Triumph seit dem UEFA-Cup-Sieg vor 41 Jahren. Seinen ersten großen Titel überhaupt durfte Heung-min Son bejubeln - er war in der 66. Minute für Richarlison in die Partie gekommen. "Mich treibt eine verzweifelte Leidenschaft" hatte der Südkoreaner vor dem Match erzählt - die Verzweiflung ist seit diesem Abend Geschichte.

Unter den Feierbiestern der Spurs war übrigens auch Timo Werner, der in der Gruppenphase noch fünf Einsätze gehabt hatte. Die Leipzig-Leihgabe war dann aber ab der K.o.-Phase von Tottenham nicht mehr gemeldet worden und saß auf der Tribüne - seiner Laune bei der Siegerehrung tat das aber keinen Abbruch.

Son, Danso und van de Ven begeistert

"Das ist ein überragendes Gefühl. Was wir geschafft haben heute, ist sensationell", sagte Spurs-Verteidiger Kevin Danso, der in Deutschland für den FC Augsburg und Fortuna Düsseldorf gespielt hatte, bei RTL. "Es hat gereicht, und wir freuen uns unglaublich." Van de Ven lobte die rund 20.000 mitgereisten Spurs-Fans: "Die haben hier alle eine Medaille verdient. Wir mussten am Ende sehr hart verteidigen, aber das wir sehr gut geschafft." Son jubelte: "Ich bin heute der glücklichste Mensch der Welt. Die Mannschaft hat Charakter gezeigt, ich kann mich nur bei allen bedanken."