Hans Schulz lächelt im Weser-Stadion.

Interview "Eine absolute Sensation": Erinnerungen an Werders Meistertitel 1965

Stand: 15.05.2025 16:17 Uhr

Im Mai 1965 gewann Werder Bremen zum ersten Mal die Deutsche Meisterschaft. Hans Schulz spielte damals im Mittelfeld und denkt gern an die Feierlichkeiten in Bremen zurück.

Viermal hat Werder mittlerweile die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Erstmals gelang den Bremern dies 1965, also vor 60 Jahren. Mit dabei war der damals 22-jährige Hans Schulz. Nach seiner Karriere saß der mittlerweile 82-Jährige von 1999 bis 2016 im Aufsichtsrat des Klubs.

Herr Schulz, was sind Ihre Erinnerungen an die Deutsche Meisterschaft 1965?

Es war unglaublich, dass wir in diesem Jahr Deutscher Meister geworden sind. Als 'Fischken' Multhaupt, unser damaliger Meister-Trainer, verpflichtet wurde, wurde er von Journalisten gefragt: 'Herr Multhaupt, was haben Sie für Ziele mit Werder?' Und er sagte wirklich: 'Ich brauche zwei Jahre, um aus Werder eine klasse Mannschaft zu machen.' Er hat nicht gesagt: 'Deutscher Meister zu werden', sondern 'eine klasse Mannschaft'. Und im zweiten Jahr wurden wir Deutscher Meister. Danach hat er den Verein gewechselt.

Hans Schulz nimmt in der Saison 1964/65 in einem Spiel einen Ball an.

Hans Schulz hat in der Meister-Saison 1964/65 19 Spiele für Werder absolviert und dabei vier Tore erzielt.

Nehmen Sie uns mal mit in die damalige Zeit: Was haben Sie damals bei Werder verdient?

Es waren damals sage und schreibe 250 D-Mark im Monat. Wenn wir gewonnen hatten, gab es noch eine Prämie dazu, aber 250 D-Mark im Monat waren garantiert. Weil das Gehalt dementsprechend ja nicht so hoch war, haben wir noch halbtags gearbeitet und nachmittags trainiert. Das waren andere Zeiten.

Die Meisterschaft damals war eine riesige Überraschung. Welche Erinnerungen haben Sie an den Tag, an dem die Mannschaft mit dem Zug zurück nach Bremen gekommen ist?

Es war eine absolute Sensation, dass wir Meister wurden. Das wurde in Bremen natürlich richtig gewürdigt. Trotz furchtbarem Wetter, man kann sagen 'typisch Bremer Wetter', wurden wir von unglaublich vielen Fans und Menschen in Bremen empfangen. Wir fuhren durch Bremen und wurden richtig gefeiert.

Was war das damals für eine Mannschaft? An welche prägenden Figuren erinnern Sie sich?

Der Grundstein wurde auf einer Amerika-Reise gelegt. Da wurden wir eine verschworene Gemeinschaft. Jeder war für den anderen da. Ein Garant waren auch die Verpflichtungen, die wir tätigen konnten. Der Verein hat drei ausgezeichnete Spieler verpflichtet: Heinz Steinmann, Klaus Matischak und Horst-Dieter Höttges. Die waren so stark, von der ersten Minute an haben sie als Verstärkungen funktioniert.

Die erste Meisterschaft ist nun 60 Jahre her. Von Ihren aktuellen Eindrücken: Wie lange dauert es bis zur nächsten Meisterschaft in Bremen?

Das kann man nicht voraussagen, das ist heutzutage so schwer geworden. Die Schere klafft immer weiter auseinander: Geld schießt keine Tore oder Geld schießt Tore, das wurde immer diskutiert. Aber es ist erstaunlich, dass Werder quasi mit der Aufstiegsmannschaft auf einem 8. Platz in der Tabelle steht.

Ich denke da an das Trainerteam und die Mannschaft, da habe ich den höchsten Respekt. Wenn man die Mittel betrachtet, die man zur Verfügung hat, dann ist Werder Bremen wirklich nicht auf Rosen gebettet. Da müssen wir wirklich rechnen – und das ist auch das Problem.

Ich muss auch den Trainer Werner ein klein wenig in Schutz nehmen. Man wirft ihm manchmal vor, dass er zu wenig junge Leute einsetzt und so weiter. Das ist ein Problem, wenn man jahrelang mit um den den Abstieg spielt. Dann denkt jeder Trainer erstmal an sich und sagt: 'Ich brauche so und so viele Punkte, um nicht abzusteigen.' Dann riskiert man es nicht, sehr junge Talente einzusetzen. Wenn das schiefgeht, wirft man den Trainer nachher raus und sagt: 'Der Trainer hat versagt.' Deswegen sehe ich das immer sehr kritisch.

Stehend (v.l.):. Helmut Jagielski, Klaus Matischak, Sepp Piontek, Heinz Steinmann, Günter Bernard, Arnold Schütz und Trainer Willi Multhaup; Hockend (v.l.): Diethelm Ferner, Theo Klöckner, Max Lorenz, Gerhard Zebrowski, Horst-Dieter Höttges.

Nach dem letzten Spieltag in Nürnberg wurde Werder als Deutscher Meister ausgezeichnet.

Wenn Sie heute die jungen Menschen sehen, die mit 22 Jahren auf dem Platz stehen und diese mit Ihnen damals vergleichen: Welche großen Unterschiede sehen Sie da?

Erstmal waren wir persönlich früher alle Straßenfußballer. Wir haben uns alles selber beigebracht. Leistungszentren gab es nicht. Heute ist alles vorprogrammiert – und die Spieler stehen ständig unter Druck. Warum? Weil die Medienlandschaft sehr stark geworden ist. Bei uns war, wenn überhaupt, mal eine Fernsehkamera da. Das hatte allerdings auch Vorteile, weil wir manchmal auch abends um die Häuser ziehen konnten. Das ist heute gar nicht mehr möglich, weil das am nächsten Tag sofort in der Presse steht. Das sind schon gravierende Unterschiede.

Dann ist die Athletik eine andere geworden. Auch wir sind früher zur Sache gegangen. Aber heute hat man ganz andere Möglichkeiten. Jeder Verein hat ein Fitnessstudio im Stadion. Die medizinische Abteilung ist ganz anders geworden. Wenn man früher eine Meniskusverletzung hatte, war es schon so: 'Muss der Spieler aufhören? Oder geht das nochmal gut?' Ich kann da persönlich ein Lied von singen.

Erinnern sich die Leute noch an Sie?

Ich bekomme immer noch Fanpost. Dann schickt man mir Bilder zu und ich sehe Bilder vom Stadion an der Grünwalder Straße gegen Bayern München. Gerd Müller und ich auf einem Foto. Aber die Plätze waren so grausam schlecht (lacht). Ich glaube, da würde kein Bundesliga-Spiel mehr stattfinden. Aber wir haben das als normal angesehen. Das war früher einfach so. Es war eine andere Zeit.

(Das Interview führten Olaf Rathje und Anja Kwijas. Karsten Lübben hat es für butenunbinnen.de aufgeschrieben und redigiert.)

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Dieses Thema im Programm:
Bremen Eins, Der Morgen, 15. Mai 2025, 8:42 Uhr