Der deutsche Zehnkämpfer Leo Neugebauer bejubelt seinen Erfolg bei den College-Meisterschaften in den USA und den neuen Deutschen Rekord.
analyse

Busemanns EM-Kolumne 8.961! "Leo the Giant" glänzt in Eugene, nicht Rom

Stand: 07.06.2024 19:12 Uhr

Leo Neugebauer hat einen deutschen Zehnkampf-Rekord aufgestellt. Dass er es nicht bei den Europameisterschaften in Rom getan hat, ist verständlich, meint ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann in seiner EM-Kolumne.

8.961! Eine Zahl mit Wucht. So viele Punkte hat Leo Neugebauer die letzten beiden Tage im Zehnkampf gesammelt. Deutscher Rekord. Aufgestellt in Eugene/Oregon. Bei den College-Meisterschaften. Und dabei haben wir doch Europameisterschaften. In Rom. Die dritthöchste Meisterschaft nach Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften.

Im Jahr 1 nach der ersten medaillenlosen WM in Budapest hofft Deutschland auf Besserung. Und da können Athleten, wie Leo Neugebauer helfen. Wenn sie denn da wären, in Rom, bei der EM.

Er macht Unisport jenseits des Atlantiks?

Gestern schrieb ich noch, alle seien da! Alle? "Leo the German", wie er sich nennt, Leo the Giant, wie das Wall Street Journal titelt, nicht. Er macht Unisport jenseits des Atlantiks. Unisport?! Die Alumnis aller Verbindungen werden jubilieren und der Heimat des intellektuellen Feinschliffs die Wichtigkeit beimessen, die es verdient.

Der geneigte Zuschauer reibt sich verdutzt die Augen und moniert, dass er eine EM-Medaille für einen Collegevergleich sausen lässt?!

Doch betrachtet man den Collegesport in den USA hat der sehr wenig mit dem Unisport an deutschen Hochschulen zu tun. Scouts strömen über die Kontinente und akquirieren weltweit junge, hoffnungsvolle Talente in diversen Sportarten, um sie mit Stipendien und Aussicht für das entsprechende College zu gewinnen.

Hat man dieses Stipendium erhalten treibt man neben dem Studium Sport unter erstklassigen Bedingungen, nicht auf den Bolzplätzen hinter dem Campus.

Neugebauers Uni in Texas hat ein Sportetat von 240 Millionen Euro. Im Jahr. Die Übertragungsrechte gehen für Milliarden von Dollars an die Fernsehanstalten. Stadien mit 70.000 Zuschauern sind keine Seltenheit. Eine andere Welt. Und mit dem Eintritt in diese exklusive Welt, unterwirft man sich den Spielregeln dieses erfolgversprechenden Systems.

Wer das US-System übersteht, der wird gut

Neugebauer hat in den letzten fünf Monaten zwei Siebenkämpfe und zwei Zehnkämpfe gemacht. Für sein College. Dieses System muss man auch erstmal überleben. Wer viel bekommt, muss viel leisten. Das knallharte System der Vereinigten Staaten. Wer es übersteht, der wird gut, die anderen bleiben mitunter auf der Strecke. The American Way of Life.

Die Athleten sind auf dem Papier Amateure, wie es Olympia vor über 40 Jahren vorsah. Ein Ausrüstervertrag zum Beispiel macht sie zum Professional Athlete. Neulich kam der Vorschlag auf, dass Studenten an den Millioneneinnahmen der Unis beteiligt werden. Ein revolutionärer Vorstoß im Land des Kapitalismus.

Die Athleten profitieren von dieser Maschinerie. Sie erhalten erstklassigen Zugang zu Bildung und sportlichen Perspektiven und dann ist es zwangsläufig so, dass sie auch was zurückgeben müssen. Und wollen. Ein NCAA-Titel ist demnach für sie mehr wert, als eine EM-Medaille.

Was reißt der Gigant in Paris?

Bei Olympia sieht das dann wieder anders aus. Das hat eine höhere Wertigkeit. Selbst in den USA. Aber da ist die Collegesaison vorbei. Und genau das kann mitunter ein Problem sein. Der Fokus liegt eben im Land des Geldes auf dem Fokus des Geldgebers. Und das ist die NCAA-Meisterschaft.

Hoffen wir also, dass Leo seine Form in Eugene nur kurz angerissen hat. In den USA nennen sie ihn einen Giganten. In Paris kann er sich zu einem machen. Was für ein Glück für Leo. Und Deutschland. Dann kennt auch hier die breite Öffentlichkeit Leo the German.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 07.06.2024 | 09:55 Uhr