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Mehr Sport | Sportwetten Land Bremen fordert Werbeverbot für Sportwetten

Stand: 23.11.2021 17:10 Uhr

Spielsucht ist auch hierzulande ein großes Problem. Das Land Bremen startet deshalb nun eine Initiative für ein Werbeverbot auch für Sportwetten. Ein solches Verbot träfe vor allem den Profifußball.

Von Matthias Wolf

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer scheut keinen Konflikt mit König Fußball. Darauf deutet auch seine neueste Initiative hin. Für die kommende Herbst-Konferenz der Innenminister (IMK), die vom 1. bis 3. Dezember in Stuttgart stattfindet, hat der SPD-Politiker ein Thema auf die Tagesordnung setzen lassen, das für den Profifußball schmerzhaft werden könnte. Denn der Bremer Vorstoß beinhaltet ein Werbeverbot für Sportwetten.

Mäurer: "Das trifft im Kern die Deutsche Fußball Liga"

Wörtlich lautet der Bremer Antrag: "Die IMK stellt fest, dass Werbung für Glücksspiele mit hohem Suchtrisiko (Sportwetten, virtuelle Automatenspiele, Online-Poker, Online-Casino) insbesondere den Zielen der Suchtbekämpfung und Suchtprävention sowie des Jugendschutzes gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 Glücksspielstaatsvertrag 2021 zuwiderläuft." Der Senator für Inneres ist die oberste Glücksspielaufsichtsbehörde der Freien Hansestadt Bremen. Mäurer sieht gute Chancen für seinen Antrag. Laut seiner Einschätzung würden alle sozialdemokratischen Innenminister seine Sorge teilen, dass Werbung für Sportwetten neue Spielerinnen und Spieler und damit auch neue Spielsüchtige generiert.   

Das kleinste Bundesland möchte nun, dass nach der Diskussion unter den Innenministern ein Entwurf für einen Änderungsstaatsvertrag ausgearbeitet wird, der ein Werbeverbot für diese Bereiche vorsieht. Mäurer drängt auf eine Abstimmung, über die dann auch die Gesundheitsminister aller Länder und die Chefs der Staats- und Senatskanzleien in Kenntnis gesetzt werden.

Im Gespräch mit dem WDR-Hintergrundmagazin Sport inside betonte Mäurer, dass ihm bewusst sei, was er damit auslöse: "Das trifft ja im Kern die Deutsche Fußball Liga, weil ihre Stars ja alle unter Vertrag stehen für diverse Sportanbieter." Mäurer gilt schon als Stachel im Fleisch der DFL, weil er seit Jahren auf eine Übernahme der Mehrkosten durch den Ligaverband bei Hochrisikospielen drängt. In diesem Rechtsstreit hat Bremen bereits in mehreren Instanzen gegen die DFL obsiegt.

200.000 Spielsüchtige in Deutschland

Mäurer stört, dass nahezu jeder Profiverein mittlerweile einen Wettanbieter in seinem Sponsorenpool hat. "Es sind viele, die damit ihr Geld verdienen", sagt Mäurer, "in einem Feld, das völlig gesellschaftsschädlich ist." Der Fußball mit seinen Profispielern produziere automatisch Vorbilder. Da frage er sich angesichts der massiven Sportwetten-Werbepräsenz in den ersten drei Profiligen, ob sich diese angebliche Vorbildstellung nicht automatisch ins Gegenteil verkehren könne.

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)  gibt es in Deutschland 200.000 Menschen im Alter von 16 bis 70 Jahren, die an Spielsucht leiden. Da sei es ein fatales Signal, wenn auf Privatsendern 30 bis 40 Spots täglich von Sportwettenanbietern geschaltet würden, so Mäurer: "Wem nützt es, wenn hier Jugendliche das Problem bekommen, dass sie süchtig werden?"

Der SPD-Politiker verweist auf Kampagnen von Wettanbietern, aus denen "offensichtlich erkennbar" sei, "dass die Sportwettenanbieter gezielt darauf setzen, diese junge Klientel anzusprechen". Sinngemäß laufe es so ab, so Mäurer: "Wenn man Fußball spielen kann, kann man auch wetten. Das ist natürlich trügerisch - aber genial gemacht in der ganzen Aufmachung." Die Werbung von bwin – als offizieller Partner des DFB - bei der Nationalmannschaft zeige zudem, wie tief die Wettbranche bereits in den Fußballsektor vorgedrungen sei.

Liberalisierung des Glücksspielmarktes

Der Bremer Innensenator verweist in seinem Antrag darauf, dass der Glücksspielstaatsvertrag von 2021 mit seiner Liberalisierung des Glücksspielmarktes aus seiner Sicht einen Paradigmenwechsel darstelle: Private Angebote kommerzieller Glücksspielanbieter, insbesondere im Online-Bereich, wurden legalisiert, um den Schwarzmarkt zu bekämpfen und die Spieler in einen geordneten und überwachten Markt zu lenken.

Wettquoten auf dem Handy

Dabei aber dürfe die Werbung nach Art und Umfang den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags – namentlich denen der Suchtprävention und -bekämpfung, des Jugend- und Spielerschutzes – nicht zuwiderlaufen. Angesichts der umfangreichen Werbeaktivitäten allein im Bereich der Sportwetten sei jedoch laut des Bremer Senats deutlich geworden, dass diese gesamtgesellschaftlich bedeutsamen Ziele bereits sehr schnell ins Hintertreffen geraten würden.

Mäurers Behörde hat Recherchen angestellt. Demnach sei die Werbung insbesondere im TV und im Internet massiv: Bremen beruft sich hier auf Zahlen aus dem Nielsen-Report: Allein im August 2021 seien so im Glücksspielbereich für Werbung bundesweit 37,5 Millionen Euro ausgegeben worden, davon entfielen rund 20 Millionen auf den Bereich der Sportwetten.

"Werbung sorgt für eine Gewöhnung und somit Normalisierung von Glücksspiel. Es wird nicht als sozial unerwünscht, sondern als akzeptiert dargestellt", heißt es in der Vorlage für die Innenminister-Konferenz. Durch die Verflechtung mit dem Profisport würde suggeriert, Sport und Sportwetten gehörten zusammen. Botschaft: Wer sich für Sport interessiere, wette auch. Kinder und Jugendliche, die sich Sportveranstaltungen im Stadion oder im TV ansehen, nehmen die Namen der Sportwettanbieter auf den Banden und Trikots wahr. Sie assoziieren Glücksspielanbieter mit "ihrem" Verein.

Kritik an Zusammenarbeit von Tipico und Sportschau

Mäurer sieht auch die Zusammenarbeit des Wettanbieters Tipico mit der Sportschau kritisch. Man beobachte mit Sorge, dass die Zahl der Werbepartnerschaften zwischen Medien und Wettanbietern zunehme. "Dass sich Private, wie der Axel-Springer-Verlag oder Pro7/Sat1 dazu nicht zu schade sind, überrascht kaum", so der Bremer Innensenator: "Seit dieser Bundesliga-Saison präsentiert jedoch Tipico die Sportschau und erhält damit Einzug in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der für maximale Seriosität steht. Ziel von Tipico ist die Aufwertung des eigenen Angebots, um das ursprüngliche Schmuddelimage loszuwerden. Doch trotz der Legalisierung gilt weiterhin: Glücksspiel kann süchtig machen."

Die ARD verweist im Zusammenhang mit Tipico auf die Liberalisierung des "Glücksspielstaatsvertrages", der es lizenzierten Wettanbietern nun erlaubt, im TV und Hörfunk zu werben. Daher gebe es keine rechtliche Grundlage mehr, Sportwetten- und Glücksspielanbieter abzulehnen. "Als Premium-Partner der DFL hat Tipico darüber hinaus ein Erstzugriffsrecht auf die Sponsoren-Präsenzen der Vermarkter."

Diese exklusiven Vorrechte seien allgemein üblicher Bestandteil der Verträge zu den audio-visuellen Rechten der Sportarten. "Daher ist Tipico in der Sportschau am Samstag für die Bundesliga-Saison 2021/22 erstmals Sponsor-Partner des Sendeformats."

"Bild"-Zeitung im Fokus

Besonders im Fokus des Bremer Innensenators ist die Kooperation der "Bild"-Zeitung mit einem Sportwetten-Veranstalter. Der britische Buchmacher BetVictor bietet seine Sportwetten unter der Marke BildBet an, die "Bild"-Zeitung berichte "gezielt verharmlosend", heißt es in der Bremer Vorlage für die Innenminister-Konferenz, "und nährt mit diesen redaktionellen Beiträgen den Boden für einen großen neuen Kundenstamm". Redaktionelle Inhalte und Sportwetten-Werbung seien in diesem Fall vermischt.

Mäurer sagt, er habe sich deshalb bereits im Juli dieses Jahres an den Deutschen Presserat gewandt und angeregt, den Pressekodex bezüglich verharmlosender Berichterstattung über Glücksspiel zu erweitern. Der Presserat aber habe dies mit der Begründung abgelehnt, es bestehe keine Regelungslücke. Vor diesem Hintergrund habe er sich dazu entschlossen, sich nunmehr mit einer Beschwerde an den Deutschen Presserat zu wenden.

Die Recherchen seiner Behörden hätten auf "bild.de" 842 Treffer (Stand: 4.11.2021) ergeben, "darunter in erster Linie Beiträge, die das Thema Sportwetten in einer Art und Weise darstellen, die in hohem Maße als spielanreizend zu bewerten ist". Unter der Berichterstattung zu diversen Sportarten gäbe es auch die Unterrubrik "Sportwetten" – und das sei eine klare Vermischung von redaktionellem Inhalt und Werbung.