Deklaration "Make Sport Not War" Athleten in Belarus kämpfen gegen weltweite Sperre

Stand: 04.05.2022 06:00 Uhr

Alexander Apeikin ist frustriert. Er und seine Mitstreiter in der belarusischen Athletenorganisation BSSF gehören seit Jahren zu den entschiedensten Kritikern von Machthaber Alexander Lukaschenko, nicht wenige von ihnen mussten deswegen ins Gefängnis. Seit der große Verbündete Russland die Ukraine überfallen hat, protestieren die Sportlerinnen und Sportler friedlich gegen Putins brutalen Angriffskrieg.

Von Jörg Mebus, Sebastian Münster, Nick Butler

Doch aller mutigen Opposition zum Trotz: Auch die Vertreter der "Belarus Sport Solidarity Foundation" sind von der Kollektivsperre betroffen, die fast alle Weltverbände wegen des Krieges über russische und belarusische Athletinnen und Athleten verhängt haben. BSSF-Chef Apeikin findet das ungerecht – und will dagegen kämpfen.

"Die olympische Welt muss wiederhergestellt werden"

In der kommenden Woche will die BSSF eine Deklaration veröffentlichen, in der sich etwa 150 Spitzenathletinnen und -athleten aus Belarus namentlich gegen den Krieg aussprechen sollen. "Wir fordern die Einstellung der Militäraktionen gegen die Ukraine und den Abzug der Truppen", heißt es in dem Textentwurf unter dem Titel "Make Sport Not War” (Mache Sport, keinen Krieg), der der Sportschau vorliegt: "Wir erkennen die Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen an und unterstützen die Souveränität von Belarus", schreibt die BSSF: "Die olympische Welt muss wiederhergestellt werden."

Mit der Deklaration wollen Apeikin und seine Mitstreiter den Druck auf die internationalen Verbände erhöhen, Ausnahmen von der Regel zu schaffen, die mittlerweile Hunderte Athletinnen und Athleten weltweit an der Ausübung ihres Berufes hindert. Der ehemalige Handball-Profi Apeikin glaubt an die Wirkung einer öffentlichen Erklärung: "Das könnte eine echte Chance sein."

Athleten auch finanziell unter Druck

Er verweist auf die schwierige Situation vieler belarusischer Spitzensportler, die durch wegfallende staatliche Förderungen und die internationale Verbannung auch finanziell immer stärker unter Druck geraten. Viele seien deshalb bereit, so Apeikin, mit ihrer Unterschrift unter der Deklaration auch ein persönliches Risiko einzugehen.

Seit Beginn der Proteste nach der manipulierten Wiederwahl von Lukaschenko im Sommer 2020 sollen in Belarus mehr als 35.000 Regimegegner festgenommen worden sein, darunter Dutzende Sportlerinnen und Sportler. BSSF-Mitglieder stehen unter besonderer Beobachtung. Sie waren als ständige Mahner gegen Missstände maßgeblich daran beteiligt, dass das Internationale Olympische Komitee Ende 2020 nach langem Zögern Sanktionen gegen das von Lukaschenko angeführte NOK verhängte oder dass Belarus nicht die Eishockey-WM 2021 ausrichten durfte.

Missverhältnis bei Sanktionen

Die Sanktionen gegen russische und belarusische Athletinnen und Athleten haben zuletzt vermehrt zu Diskussionen geführt. Im Tennis, einer der wenigen Sportarten, die auf eine Komplettsperre verzichtet hatte, regte sich sogar offener Widerstand gegen den Sonderweg von Wimbledon. Beim weltweit wichtigsten Tennisturnier dürfen Spielerinnen und Spieler aus den Ländern der Aggressoren nicht starten. Unter anderem die Superstars Novak Djokovic und Rafael Nadal kritisierten die Entscheidung.

Auf noch mehr Unverständnis stößt bei vielen Athletenvertretungen das Missverhältnis bei den Komplettsperren für Sportler und der Verbannung von Offiziellen und Funktionären. Von den 40 Verbänden, die bei den nächsten Olympischen Sommer- und Winterspielen vertreten sind, haben nur sieben russische und belarusische Funktionäre von allen Aktivitäten ausgeschlossen: Leichtathletik, Kanu, Rugby, Sportklettern, Biathlon, Bob und Rennrodeln. Die Sportler, so der Eindruck, müssen mehr büßen als die Funktionäre.

Ob die Deklaration belarusischer Sportlerinnen und Sportler daran etwas ändern wird, ist fraglich.