Ex-Nationalspielerin Babett Peter
interview

Vor dem Deutschland-Spiel Babett Peter: "Spanien bleibt der Favorit"

Stand: 11.07.2022 17:35 Uhr

Babett Peter ist Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Europameisterin, Champions-League-Siegerin, deutsche Meisterin und Pokalsiegerin. Die 34-Jährige hat 2007 das Silberne Lorbeerblatt und die Fritz-Walter-Medaille in Gold verliehen bekommen. Zuletzt war sie Kapitänin von Real Madrid. Nach ihrem Karriere-Ende verfolgt die Abwehrspezialistin das erste große Turnier als Zuschauerin. Vor dem deutschen Gruppenspiel gegen Spanien stand sie der Sportschau Rede und Antwort.

Frau Peter, haben Sie für Ihren Sohn schon die neue Micky Maus gekauft?

Babett Peter: Weder die Barbie bei der Heim-WM noch die Micky Maus mit Alexandra Popp jetzt sind die Gadgets, die ich unbedingt brauche. Aber ich finde es schön, dass unser Sport so eine große Öffentlichkeit hat, dass solche Sachen überhaupt inszeniert werden. Und es gibt bestimmt viele, die so etwas sammeln oder damit spielen.

Die Fußballerinnen stehen gerade im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. In den vergangenen Jahren war es damit aber nach den großen Turnieren in der Regel recht schnell wieder vorbei. Wird es diesmal anders sein?

Peter: Ich glaube schon, dass es anders sein wird. Die Euro ist natürlich ein internationales Highlight, die Aufmerksamkeit wird danach zurückgehen. Aber schon die Reform der Champions League hat etwas verändert. Auch in den Ligen bewegt sich was. Ich wünsche mir mehr Nachhaltigkeit in der Aufmerksamkeit für unseren Sport, und ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Aber für jedes Land ist auch das sportliche Abschneiden in England wichtig, um die Euphorie, die jetzt herrscht, mitzunehmen.

Sie haben in den vergangenen drei Jahren in Spanien gespielt. Wie haben Sie die Entwicklung dort wahrgenommen?

Peter: Ich habe bei Real Madrid miterlebt, wie aus einem Erstliga-Aufsteiger ein Champions-League-Viertelfinalist geworden ist. Diese Entwicklung steht stellvertretend für den spanischen Fußball. Vielleicht nicht ganz so rasant, aber es passiert sehr viel. Ab der kommenden Saison ist die erste Liga offiziell eine Profiliga. Sechs bis sieben Klubs spielen mittlerweile eine gute Rolle.

Aber wie in jedem Land fallen dahinter auch Vereine ab. Die letzten Runden in der Champions League waren fantastisch. 70 Prozent des Fußballs in Spanien sind aber noch eher semiprofessionell. Das ist ein großer Kontrast.

Was bedeutet es Ihnen, die Königlichen in das historische Clásico vor über 90.000 Zuschauern in Barcelona als Kapitänin geführt zu haben?

Peter: Man kann noch so viele Titel gewonnen haben und man kann sonstwer sein: So ein Spiel ist einfach etwas Besonderes. Ich wusste außerdem vorher schon, dass es mein letztes Champions-League-Spiel sein wird. Deshalb habe ich wirklich jeden Moment genossen und alles aufgesaugt. (Anm.d.Red.: Real hatte das Viertelfinal-Hinspiel zu Hause 1:3 verloren - und unterlag dann in Barcelona 2:5.)

Die Fußballerin Babett Peter während eines Spiels ihres Vereins Real Madrid.

Als Kapitänin war Babett Peter in den vergangenen Jahren eine der prägenden Personen bei Real Madrid.

Die ganze Zeit in Spanien war - auch ohne Trophäe - eine unglaubliche Erfahrung für mich, die mich vor allem als Mensch geprägt hat. Weil wir am Anfang nicht sonderlich erfolgreich waren, habe ich es richtig zu schätzen gelernt, Spiele zu gewinnen. Dass wir es dann in die Champions League geschafft und die Gruppenphase überstanden haben, waren schon große Erfolge. Wir haben wirklich etwas aufgebaut.

Es ist immer die Rede davon, dass der deutsche Fußball im europäischen Vergleich an Bedeutung verloren hat. Wie weit ist Deutschland denn mittlerweile zurückgefallen?

Peter: Ich weiß gar nicht, warum die Lage so kritisch gesehen wird. In Spanien wird immer von "den starken Deutschen" gesprochen, da ist der Eindruck von Deutschland viel besser. Trotzdem wäre es natürlich gut, wenn Kritik, die auch mal überspitzt formuliert ist, ernstgenommen wird. Wir wollen ja auch weiterkommen. Klar, Deutschland ist immer der Vorreiter gewesen. Jetzt ziehen andere nach. Aber sie ziehen eben auch nur nach.

Wie stehen die Chancen, dass die Bundesliga vorankommt?

Peter: Das Beispiel Eintracht Frankfurt zeigt, dass sich was bewegt. Aber auch an anderen Standorten ist das der Fall. Und vielleicht ist es dort auch die nachhaltigere Entwicklung, wenn etwas ganz Neues von unten aufgebaut wird. Ich halte nichts davon, Frauenmannschaften für die Männer-Bundesligisten zur Pflicht zu machen. Ich würde mich allerdings freuen, wenn noch mehr große Männer-Klubs verstehen, was für eine große Chance darin liegt, hier gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und wahrgenommen zu werden.

Zurück zur EM: Spanien galt vor dem Turnier als einer der Top-Favoriten auf den EM-Titel - wie schwer wiegen die Verletzungen von Putellas und Hermoso?

Peter: Erst einmal ist es für die beiden natürlich wahnsinnig tragisch. Aber dass diese beiden Gesichter des Frauenfußballs, diese beiden Ausnahmespielerinnen nicht dabei sein können, ist für alle schade, die das Turnier verfolgen. Spanien fehlen seine Rekordtorschützin und die Weltfußballerin, das ist nicht einfach so zu kompensieren. Aber ich habe viel mit einigen Spielerinnen gesprochen, sie wollen es Europa jetzt erst recht zeigen. Und natürlich haben sie noch viele andere Topspielerinnen in ihrem Team.

Auf wen müssen die Deutschen denn jetzt besonders achten?

Peter: Das Mittelfeld ist wirklich stark. Aitana Bonmatí ist sehr spielintelligent und die beste Spielerin, gegen die ich je gespielt habe. Patricia Guijarro ist die Strategin im Team und hält der Offensivreihe den Rücken frei. Sie ist total unterschätzt. Auch Mariona Caldentey hat im ersten Spiel schon angedeutet, was sie kann. Dazu bilden Irene Paredes und Mapi León ein sehr stabiles Innenverteidiger-Duo. Alle haben schon sehr viel Erfahrung, aber sind erst Mitte 20. Sie werden den Fans noch viel Spaß machen.

Hat Sie der erste Auftritt Deutschlands überrascht?

Peter: Ja, das muss ich sagen. Das war ein Auftritt voller Energie. Man hat gesehen, dass sich die Spielerinnen viel vorgenommen hatten. Es war ein wichtiges Spiel, vielleicht sogar das wichtigste. 2017 und 2019 war der Start wirklich sehr verkrampft. Jetzt hat das Team Selbstvertrauen. Aber man muss das Spiel auch richtig einordnen. Dänemark hatte sicher nicht seinen besten Tag und kann viel besser Fußball spielen.

Wer geht als Favorit in das direkte Duell?

Peter: Ich würde schon sagen, dass Spanien noch in der Favoritenrolle ist. Trotz der Ausfälle und der ersten zehn Minuten ist die Mannschaft mit dem 4:1 gegen Finnland gut ins Turnier gestartet. Das Team ist homogen, da stimmt vieles. Deutschland hat sich aber angenähert. Es treffen zwei große Nationen aufeinander. Ich bin sehr gespannt, wer sich durchsetzt.

Sie verfolgen nach Ihrem Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft nach der WM 2019 das erste große Turnier als Zuschauerin. Wie gefällt Ihnen die neue Rolle?

Peter: Wenn ich den tollen Rasen und die Stadien sehe, würde ich natürlich gern mitspielen. Dafür habe ich zu lange selbst gekickt. Aber ich freue mich nach 20 Jahren Fußball einfach auf den nächsten Abschnitt in meinem Leben. Ich bin nicht wehmütig. Wenn ich mein erstes Turnier mit der Euro 2022 vergleiche, dann ist das eine signifikante Entwicklung. Und ich werde dem Fußball treu bleiben.

Sie folgen zunächst Ihrer Partnerin, die einen Vertrag als Co-Trainerin in Kansas City unterschrieben hat, in die USA. Sie haben mehr Zeit für Ihren gemeinsamen Sohn und für Ihr Studium. Wie geht es für Sie danach weiter?

Peter: Ich bin im letzten Semester meines Masterstudiums in Sport-Business - und will danach die Energie, die ich sonst immer auf dem Platz gelassen habe, auf einer anderen Ebene einbringen. Ob das bei einem Klub oder Verband passiert, weiß ich noch nicht. Aber es hat mir sehr viel Spaß gemacht, in Madrid etwas mitaufzubauen. Da steckt super viel Herzblut von mir drin.

Das Interview führte Florian Neuhauss (London)

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 09.07.2022 | 17:45 Uhr