Proteste im Iran

Brief an FIFA-Präsident Infantino Frauenrechtsbewegung fordert Irans WM-Ausschluss

Stand: 20.11.2022 22:49 Uhr

Die iranische Frauenrechtsbewegung Open Stadiums hat die FIFA in einem Brief an Präsident Gianni Infantino aufgefordert, den Iran wegen der Gewalt gegen Frauen von der WM 2022 auszuschließen.

"Warum sollte die FIFA dem iranischen Staat und seinen Vertretern eine weltweite Bühne geben?", fragt Open Stadiums in dem an Infantino persönlich gerichteten Brief, der der Sportschau vorab vorlag. Die Organisation Open Stadiums setzt sich gegen die Diskriminierung von Frauen ein und fordert seit Jahren den freien und ungehinderten Zugang von Frauen zu Fußballstadien im Iran.

"Dieser Staat lehnt es nicht nur ab, Grundrechte und Menschenwürde zu respektieren. Er foltert und tötet sein eigenes Volk", heißt es in dem Schreiben mit Bezug auf die aktuelle Gewalt gegen die regimekritischen Proteste im Iran. "Wo sind die Grundsätze der FIFA-Statuten in dieser Hinsicht? Wir fordern die FIFA auf, den Iran unverzüglich von der WM 2022 in Katar auszuschließen." Der Iran ist für die WM-Endrunde in die Gruppe B gemeinsam mit den USA, England und Wales gelost worden.

FIFA reagiert auf Anfrage nicht

Die FIFA beantwortete eine Anfrage der Sportschau vom Donnerstag zu ihrer Haltung zum Iran bislang nicht. Für einen kurzfristigen Ausschluss wäre zunächst ein Beschluss des FIFA-Ratsausschuss zuständig, in dem neben FIFA-Präsident Infantino die sechs Präsidenten der kontinentalen Konföderationen sitzen. Darunter befinden sich UEFA-Präsident Aleksander Ceferin aus Slowenien und der Präsident der asiatischen Konföderation Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa aus Bahrain.

FIFA-Präsident Gianni Infantino

FIFA-Präsident Gianni Infantino

Open Stadiums beruft sich bei der Forderung nach einem WM-Ausschluss auf Artikel 3 und 4 der FIFA-Statuten. Artikel 3 schreibt vor, dass die FIFA verpflichtet ist, alle international anerkannten Menschenrechte zu respektieren und den Schutz dieser Rechte zu fördern. Artikel 4 stellt Diskriminierung unter harte Strafen - wie einen Ausschluss des jeweiligen Verbands. Außerdem ermöglicht Artikel 4 der FIFA, ihre vorgeschriebene politische Neutralität zu verlassen, wenn "statutarische Ziele der FIFA betroffen sind".

Proteste nach dem Tod einer jungen Frau

Im Iran gibt es derzeit Proteste gegen die Diskriminierung von Frauen und gegen das Regime in Teheran, die Polizei geht mit Gewalt dagegen vor. Mindestens 76 Menschen sollen seit Beginn der Proteste von der Polizei getötet worden sein, wie die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) berichtet. Auslöser war der Tod von Mahsa Amini.

Die 22-Jährige war unter ungeklärten Umständen gestorben, nachdem sie am 14. September in Teheran von der sogenannten "Sittenpolizei" festgenommen worden war, weil sie ihre Kopfbedeckung Hijab nicht den Vorgaben entsprechend trug. Sie wurde noch am selben Tag im Koma in ein Krankenhaus gebracht und starb am 16. September. Die Protestierenden werfen der Polizei die Tötung der Frau vor, die Behörden bestreiten das.

Gewalt gegen Proteste bringt für Frauen "schreckliche Erinnerungen zurück"

"Sowohl der Aufstand im Iran nach der Ermordung von Mahsa Amini als auch das brutale Durchgreifen des Regimes gegen das protestierende iranische Volk sind uns leider sehr vertraut und bringen weiblichen Fußballfans im Iran viele schreckliche Erinnerungen zurück", schreibt Open Stadiums. Open Stadiums setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Frauen Fußballspiele im Stadion besuchen dürfen, was lange verboten war.

An Infantino persönlich gerichtet heißt es in dem Brief: "Sie haben wiederholt öffentlich zugesagt, dass die FIFA diese schwere Menschenrechtsverletzung aufklären wird, aber wir sind leider zu dem Schluss gekommen, dass dies alles leere Worte und Versprechungen waren. Nichts hat sich geändert."

Frauen im Stadion? "Ein PR-Gag für begrenzte Zeit vor der WM"

2019 hatte Infantino den Iran öffentlich aufgefordert, Frauen in die Stadien der Spiele zu lassen, die unter der Regie der FIFA stattfinden, etwa WM-Qualifikationsspiele. Seitdem ist dies auch möglich, Infantino äußerte die Erwartung: "Jetzt gibt es kein Halten und kein Zurück mehr." Aber: Im März 2022 wurden Frauen, die ein Spiel des Iran gegen den Libanon in der Stadt Maschad sehen wollten, mit Pfefferspray daran gehindert.

Open Stadiums schreibt deshalb: "Viele glauben, dass das Azadi-Stadion (größtes Stadion in Teheran, d. Red.) nur als PR-Gag für eine begrenzte Zeit geöffnet wurde, um das Image des Landes vor der WM aufzuwerten." Der Verband sei vom Regime gesteuert, es gebe kein Vertrauen in die Behörden oder in den Verband.

Wenn es keine Konsequenzen gegen den Verband gebe, hätte man Angst davor, dass "sich die Islamische Republik an Frauenrechtsaktivistinnen und weiblichen Fußballfans im Allgemeinen rächen wird". Dabei seien härtere Maßnahmen als für Frauen verschlossene Stadien zu befürchten, so Open Stadiums. Der Brief schließt mit den Worten: "Wir erwarten unverzüglich eine Antwort auf unser Schreiben."

Trailer: Katar - WM der Schande

Katar - WM der Schande, 08.10.2022 05:00 Uhr