Anhänger vom 1. FC Köln und Nizza wenden Gewalt an

Mehrere Verletzte Schwere Ausschreitungen bei Nizza gegen Köln

Stand: 09.09.2022 18:43 Uhr

Vor dem Europa-Conference-League-Spiel des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln beim OGC Nizza (1:1) ist es am Donnerstag (08.09.2022) zu schweren Ausschreitungen gekommen. Die Polizeipräfektur in Nizza korrigierte die Zahl der Verletzten am Abend auf 32 nach oben, das Spiel wurde mit fast einer Stunde Verspätung angepfiffen.

Ein Fan war im Zuge der Ausschreitungen im Stadion aus fünf Metern Höhe vom Mittel- in den Unterrang gestürzt. Anders als zunächst angenommen, handelt es sich bei dem verletzten Mann nach Angaben der französischen Behörden nicht um einen deutschen Fan des 1. FC Köln, sondern um einen Franzosen. Zunächst hatte es auch geheißen, er schwebe in Lebensgefahr. Das war später am Abend nicht mehr der Fall, wie die Präfektur mitteilte.

Der Lokalsender BFM Nice-Cote d'Azur berichtete zudem, dass eine Person eine Stichverletzung davongetragen haben soll.

Kölns Geschäftsführer Christian Keller sagte über die Ausschreitungen: "Das geht mir richtig auf den Sack." Er kündigte an, dass der Verein "mit aller Härte und Entschlossenheit" versuchen werde, die Beteiligten zu ermitteln. "Ich weiß nicht, ob das 50, 60 oder 70 waren. Es waren auf jeden Fall sehr, sehr wenige. Aber wir werden alles probieren, um möglichst viele rauszuziehen. Und die schließen wir dann aus, die werden nix mehr machen." Die Konsequenzen für den Verein seien "noch nicht abzusehen. Ich will auch nicht spekulieren. Da gibt es sicher eine große Bandbreite."

Nizzas Trainer Lucien Favre, ehemals unter anderem bei Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund unter Vertrag, sagte zu den Geschehnissen: "Das ist wirklich enttäuschend. Es macht mich wütend." Die Anhänger seines aktuellen Arbeitgebers nahm der Schweizer in Schutz. Sie hätten nur auf die Aggressionen der Gegenseite reagiert.

Befreundete Fans von PSG beteiligt

Wie sich alles entwickelt hatte, muss noch aufgearbeitet werden. Die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete von "einigen Hundert" Kölnern, die in den Heimbereich eingedrungen waren - allerdings auch von Anhängern Paris St. Germains, Nizzas Erzrivalen. Zwischen Fangruppen von PSG und des 1. FC Köln besteht seit Jahrzehnten eine Verbundenheit.

Die Anhänger von PSG sollen sich unter die Kölner gemischt und deren Farben getragen haben, zudem ein provokantes Plakat entrollt. Zweifellos waren aber Kölner stark an den Krawallen beteiligt. FC-Präsident Werner Wolf sprach von "abscheulichen Geschehnissen auf beiden Seiten. Wir werden all unsere Kraft in die Aufklärung setzen und dabei mit aller Konsequenz gegen die Gewalttäter vorgehen."

Diese hatten im eigenen Lager einen schweren Stand. Einige von ihnen wurden bei der Rückkehr in den eigenen Block wüst beschimpft, Videos davon kursierten in den Sozialen Medien. "Wir sind Kölner - und ihr nicht", skandierten die Fans. "Die große Mehrheit", sagte FC-Torwart Marvin Schwäbe, "hat eine klare Birne."

Auch die Gastgeber von OGC Nizza verurteilten die Vorfälle "aufs Allerschärfste", wie es in einer nach dem Spiel veröffentlichten offiziellen Mitteilung des Klubs hieß. Darin hieß es weiter, dass sich "Dutzende von Hooligans aus dem für Köln-Fans reservierten Bereich gewaltsam Zutritt zur Ehrentribüne verschafft" hätten.

Der Klub sprach außerdem von "Sachbeschädigungen innerhalb der Stadt" vor dem Spiel. Man sei schockiert vom "Ausbruch der Gewalt", zumal man im Vorfeld alles dafür getan habe, die "Fans des 1. FC Köln willkommen zu heißen".

Auseinandersetzungen schon auf dem Weg ins Stadion

Wie WDR-Reporter Jochen Hilgers aus Nizza berichtete, seien Fangruppen des 1. FC Köln zuvor auf dem Weg zum Stadion von Nizza-Anhängern angegriffen worden. Die Polizei habe schon dort eingreifen müssen. Im Stadion hätten dann rund 50 vermummte FC-Anhänger die Haupttribüne und OGC-Fans angegriffen. Es sei auch Pyrotechnik abgefeuert worden. Kurz darauf sei es zu einem Gegenangriff der französischen Fans gekommen, die ebenfalls Feuerwerkskörper abgefeuert hätten.

Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen sollen laut dpa-Meldungen zudem Leuchtraketen, E-Roller, Stühle und Tische geflogen sein. Erst nach mehr als fünf Minuten hatte die Polizei die Situation unter Kontrolle.

Die Kapitäne Jonas Hector vom 1. FC Köln und Nizzas Kapitän Dante traten im Anschluss mit Mikrofonen vor die jeweiligen Fan-Blöcke und riefen zu Besonnenheit auf. "Wir haben uns den Arsch aufgerissen, um uns für die Conference League zu qualifizieren, und wollen das hier auch spielen", rief Kölns Kapitän Hector: "Verhaltet euch bitte ruhig, wir wollen hier Fußball feiern und keine Gewalt haben."

Kölner Polizei sucht Zeugen und Aufnahmen

Zur Aufklärung der Krawalle hat die Kölner Polizei ein Hinweisportal geschaltet. Zeugen, die Fotos oder Handy-Videos gefertigt haben, werden gebeten, diese im Portal hochzuladen. "Es wird einmal mehr deutlich, dass wir Gewalttäter von den Stadien fernhalten müssen. Die Videoaufzeichnung, auf der der Sturz eines Zuschauers von der Tribüne geradezu bejubelt wird, macht mich fassungslos", sagte Kölns Polizeipräsident Falk Schnabel. Man werde "alles daransetzen, dass sich die Szenen von Nizza in unserer Stadt nicht wiederholen. Mit dem 1. FC Köln gab es bereits einen ersten Austausch. Der Verein hat zugesagt, die Polizei Köln bei der Aufklärung der Vorfälle vollumfänglich zu unterstützen", so Schnabel. 

UEFA eröffnet Verfahren gegen Köln und Nizza

Die Disziplinarkammer der Europäischen Fußball-Union (UEFA) hat am Freitag Verfahren gegen den Bundesligisten und den französischen Klub eröffnet. Gegen den FC wird wegen drei unterschiedlicher Verstöße ermittelt, eine Entscheidung wird die UEFA "zu gegebener Zeit" bekannt geben.

Gegen Köln wird wegen des "Werfens von Gegenständen", des "Entzündens von Feuerwerkskörpern" und "Krawalls in der Menge" ermittelt. Als mögliche Sanktion könnte dem Klub drohen, dass er bei künftigen Auswärtsspielen ohne Fans auskommen muss. Angesichts der Schwere der Ausschreitungen könnten weitere Strafen als Bewährung ausgesprochen werden.

Gegen Nizza als gastgebender Verein werden noch deutlich mehr Anschuldigungen erhoben. In insgesamt acht Punkten ermittelt die UEFA gegen die Franzosen.