Schild mit Videokamera

Videobeweis VAR "light" im Amateurfußball?

Stand: 25.10.2022 08:30 Uhr

2020 hat die FIFA angekündigt, den VAR in allen Fußballklassen etablieren zu wollen. Davon ist hierzulande noch nichts zu merken - auch wenn für Sportgerichtsverfahren schon automatisierte Videosysteme genutzt werden.

"Für mich ist das ein No-Go", empört sich Jürgen Kapfer. Der sportlicher Leiter des SC Unterpfaffenhofen aus der Bezirksliga Oberbayern (7. Liga) kritisiert, dass einer seiner Spieler wegen einer vom Schiedsrichter unbemerkten Tätlichkeit nachträglich gesperrt worden ist. Die regelwidrige Aktion des Spielers will Kapfer gar nicht kleinreden, aber die Sperre ist mit Hilfe eines automatischen Videosystems erfolgt, mit dem Partien in den Amateurligen live gestreamt und aufgezeichnet werden.

300 Plätze in Bayern mit Videosystem ausgestattet

Die Sequenz mit der Tätlichkeit des Spielers aus Unterpfaffenhofen ist dann bei der Sportgerichtsverhandlung als Beweismittel eingesetzt worden. "Ich finde genau dies eine Ungerechtigkeit, weil ja eben nicht alle Vereine diese Möglichkeiten haben und solche automatisierten Videosysteme nutzen", kritisiert Kapfer.

Der Bayerische Fußballverband BFV macht dagegen im Gespräch mit sportschau.de deutlich, die Verwendung des automatisierten Videosystems habe nicht zu der Sperre geführt. "Allein die Tätlichkeit des Spielers ist der Grund dafür", erklärt Fabian Frühwirth vom BFV. Ohne diese Video-Sequenz als Beweismittel wäre es aber wohl kaum zu einer Sperre gekommen.

Fast 300 Sportplätze sind mittlerweile in Bayern mit solchen automatisierten Videosystemen ausgestattet, allerdings stehen dem auch circa 4.500 Fußballvereine gegenüber. Dennoch sei es möglich, so Frühwirth, Aufnahmen als nachträgliches Beweismittel in Sportgerichtsverfahren einzusetzen, wenn es um krass sportwidriges Verhalten gehe. Die Anzahl der Fälle sei überschaubar.

Genau deshalb dürften auch keine Videosequenzen für Sportgerichtsverhandlungen aus diesen Übertragungen genutzt werden, meint Jürgen Kapfer vom SC Unterpfaffenhofen: "Ob jetzt Bezirksliga oder Kreisklasse, ist völlig egal. Es kann überall genau dieser Fall wie bei uns eintreten, und da bin ich schon der Meinung, dass man dann alle damit ausstatten muss."

Praxis auch in anderen Landesveränden

Bayern ist kein Einzelfall. sportschau.de hat alle 21 Landes-Fußballverbände des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu ihrem Umgang mit automatisierten Videosystemen befragt. Bei der Beantwortung haben sich die Landesverbände offenbar mehrheitlich untereinander abgestimmt.

Die Antworten sind jedenfalls in Teilen wortgleich. Mit dem Tenor, dass eine sportgerichtliche Ahndung auch dann möglich sei, wenn der Schiedsrichter einen Fall krass sportwidrigen Verhaltens eines Spielers nicht wahrgenommen und damit keine positive oder negative Tatsachenentscheidung darüber getroffen habe.

Wörtlich heißt es dann bei den meisten Landesverbänden: "Dieser Nachweis kann anhand einer Videosequenz geführt werden, aber auch durch andere Beweismittel. Wir nutzen alle Beweismittel, um den Sachverhalt bestmöglich aufzuklären. Das ist in staatlichen Rechtsverfahren auch nicht anders." Dabei würde es keine Rolle spielen, ob die Videosequenzen aus automatisierten Aufnahmen oder zum Beispiel aus Handyaufnahmen stammen. Sie müssten nur qualitativ hochwertig sein, um einen Sachverhalt aufzuklären.

VAR für Amateure nicht zulässig

Bei fast allen Landesverbänden ist dies bisher schon so umgesetzt worden, nur beim Badischen Fußballverband und beim Landesfußballverband Mecklenburg-Vorpommern sind solche Aufnahmen automatisierter Systeme bisher nicht in der Sportgerichtsbarkeit eingesetzt worden.

Zudem stellen die Landesverbände auf sportschau.de-Nachfrage klar, dass damit kein VAR "light" im Einsatz sei. Videosequenzen würden nicht dazu genutzt, Entscheidungen des Schiedsrichters während des Spiels zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren, so wie das beim VAR in den Bundesligen der Fall ist. Das sei technisch im Amateurfußball nicht umsetzbar und nach den Statuten auch nicht zulässig.

FIFA-Pläne für Videobeweis im Amateurfußball

Die FIFA hat jedoch schon 2020 erklärt, für alle Spielklassen im Fußball einen VAR etablieren zu wollen, um auch den Schiedsrichtern im Amateur-Fußball Hilfestellungen geben zu können. Die FIFA testet dafür sogar mittlerweile verschiedene Technik-Setups und führt bei ihren Mitgliedsverbänden Tests mit den VAR-"light"-Versionen durch.

Dafür sollen bis kommendes Jahr vor allem die Kosten in den Blick genommen werden, damit das System am Ende auch entsprechend eingesetzt werden kann. Zwei verschiedene Ansätze stehen dabei im Mittelpunkt: einmal mit vier bis acht Kameras, einmal mit ein bis drei Kameras. Davon sei hierzulande aber bisher noch nichts angekommen, so die DFB-Landesverbände.

Einheitlichkeit von Video-Systemen weiter nicht gegeben

Klar wird aus der sportschau.de-Abfrage jedenfalls, dass Bayern eindeutiger Vorreiter beim Einsatz automatisierter Video-Systeme ist. Fabian Frühwirth vom BFV erklärt, dass damit vor allem tolle Spielsequenzen und Tore zur Aufarbeitung in den sozialen Medien genutzt und dabei sehr gut angenommen würden. Zusätzlich nutzen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter das Material zu Schulungs- und Beurteilungszwecken.

In allen anderen Landesverbänden ist nicht bekannt, wie viele Sportplätze solche automatisierten Videosysteme benutzen. Aber es würden stetig mehr werden. Gemeldet wird die Einrichtung solcher Systeme den Verbänden jedenfalls nicht.

Die FIFA-Tests machen deutlich, dass dies zukünftig anders werden könnte. Solange die Vereine die Kosten dafür auch tragen können. Der SC Unterpfaffenhofen will wohl wegen einer bevorstehenden Erhöhung der monatlichen Mietgebühr von zehn auf 69 Euro sein Videosystem wieder abschaffen.

Bei solchen Preisen würden auch die FIFA-Pläne im Amateurfußball eher Utopie bleiben.