
Geheim gehaltene Doper Deutschland dopingfrei - eine Illusion
Seit Jahren entsteht der Eindruck, in Deutschland gebe es kaum Dopingfälle. Dass dies mit der Realität nichts zu tun hat, ist nun klarer denn je.
Der Dopingfall des Kanuten Martin Hiller, dessen Name nach einem Schuldspruch in einem abgeschlossenen Dopingverfahren aus Datenschutzgründen von der Nationalen-Anti-Doping-Agentur NADA nicht veröffentlicht wurde, ist ein Augenöffner. In den vergangenen fünf Jahren gibt es nach ARD-Recherchen womöglich mehr als 100 weitere Doper aus mindestens 18 olympischen Fachverbänden, deren Namen niemals öffentlich genannt wurden.
Zunächst steht eine einfache Frage im Mittelpunkt: Wie kann das sein, dass davon praktisch niemand weiß? Diese Frage müssen sich Sportpolitiker und Sportfunktionäre stellen, aber natürlich auch wir Sport-Journalisten. Haben wir nicht genau genug hingeschaut oder zugehört?
Grundprinzip des Anti-Doping-Kampfes ausgehebelt
Klar ist, dass Datenschützer aufgrund einer Intervention eines einzelnen Amateur-Radfahrers über Jahre hinweg das Grundprinzip des Anti-Doping-Kampfes ausgehebelt haben. Dieser Grundsatz lautet: Wer betrügt, muss fürchten, dass er auch öffentlich dafür geächtet wird. Sollte der Europäische Gerichtshof in wenigen Monaten pro Datenschützer urteilen, ginge dem Anti-Doping-Kampf diese scharfe Waffen sogar womöglich endgültig verloren.
Auch die Fachverbände und die NADA tragen Verantwortung, dass so gut wie niemand diesen Sachverhalt auf dem Schirm hatte. Vor allem die NADA als höchste deutsche Institution für die Doping-Jagd hätte mit dem Problem wesentlich offensiver umgehen müssen. Sie benannte es nur nüchtern am Rande in Jahresberichten oder in Fachartikeln. Doch hier geht es um wesentlich mehr als nur um juristische Fachsimpelei in Datenschutzfragen. Das Problem betrifft den Spitzensport, also einen Bereich, der nicht selten bis in den letzten Winkel öffentlichkeitswirksam ausgeleuchtet ist.
Aufarbeitung dringend nötig
Athleten suchen zurecht die mediale Bühne, profitieren vom Rampenlicht und Marketing-Verträgen und oft auch von nicht unerheblichen Zuwendungen aus öffentlicher Hand. Gleichzeitig beklagen sie häufig genug zurecht, dass ihre Leistungen noch immer nicht ausreichend gewürdigt würden.
Der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist ein hohes gesellschaftliches Gut. Aber es kann nicht sein, dass diejenigen, die all die hehren Prinzipien des Sports mit Füßen treten, in Anspruch nehmen dürfen, nicht beim Namen genannt zu werden, wenn sie als Betrüger entlarvt worden sind. Es ist zwar verständlich, wenn die NADA aufgrund datenschutzrechtlicher Einwände erhebliche, auch finanzielle Risiken scheut. Dass aber einer der wesentlichen Pfeiler des Anti-Doping-Kampfes seit fünf Jahren in Deutschland wegen eines einzigen Verfahrens bröckelt, ist ein Skandal und bedarf einer dringenden Aufarbeitung und Korrektur.