Jugendliche Ruderin, Leistungssport, sitzt auf der Rudermaschine in eienm Trainigsraum

WDR-Sport Machtmissbrauchs-Vorwürfe im Leistungssport: "Du bist nichts!"

Stand: 18.05.2025 16:00 Uhr

Der Ruderverein Münster bringt regelmäßig Toptalente hervor. Doch WDR-Recherchen legen offen: Der Cheftrainer des Vereins soll Jugendliche über Jahre hinweg angeschrien und gedemütigt haben. Der NRW-Ruderverband war über die Vorwürfe informiert.

Von Arne Hell, Andrea Schültke und Heike Zafar

Der Ruderverein Münster ist eine Talentschmiede. Regelmäßig bringt der Traditionsklub von 1882 Athletinnen und Athleten hervor, die bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen mitrudern. Ein Landesleistungszentrum, gefördert mit Geld von der Landesregierung.

2024 schaffte es zuletzt Sönke Kruse zu Olympia nach Paris. In einem Interview davor dankte Kruse seinen Trainern aus der Jugendzeit in Münster. Besonders seinen alten Cheftrainer hob er hervor.

Sönke Kruse bei den Olympischen Spielen in Paris 2024

Sönke Kruse bei den Olympischen Spielen in Paris 2024

Andere frühere Leistungssportler des Ruderverein Münster erinnern sich dagegen an Erlebnisse, die bis heute Angst, Verbitterung und ein Gefühl des Ausgeliefertseins bei ihnen auslösen. Sie sollen teilweise über Jahre hinweg immer wieder massiv angeschrien, beleidigt und gedemütigt worden sein. So haben es knapp 20 Betroffene Reportern des WDR-Magazins Westpol und der Sportschau geschildert.

Im Zentrum der Vorwürfe: Der Cheftrainer des Rudervereins Thorsten Kortmann, ein Mann, der in der örtlichen Presse regelmäßig als Erfolgscoach gefeiert wird. Kortmann leitet den Nachwuchsleistungssport in Münster seit mehr als 15 Jahren. Er ist die prägende Figur des Vereins.

"Ich reiß' Dir die Eier ab und häng sie mir über den Kamin!"

"Er hat eine Monopolstellung", sagt Tobit, heute 22 Jahre alt, der jahrelang im Ruderverein Münster trainiert hat, sechsmal die Woche, auch direkt unter dem Cheftrainer. "Man wusste nie, wann es passiert", beschreibt Tobit die Angst vor ihm, "es konnte jeden treffen". Regelmäßig soll er minderjährige Sportlerinnen und Sportler angebrüllt haben: "Ich reiß Dir die Eier ab und häng' sie mir über den Kamin." Öfter soll er auch geschrien haben: "Du bist nichts!"

Tobit als jugendlicher Ruderer bei einer Siegerehrung

Tobit als jugendlicher Ruderer bei einer Siegerehrung

Thorsten Kortmann bestreitet das. Seine Anwälte teilen mit, er habe Sportlerinnen und Sportler nicht angeschrien. Er habe auch nie zu Sportlern "Du bist nichts" gesagt.

"Wir sind gerudert bis zum Umkippen"

Tobit, früherer Leistungssportler imInterview

Tobit, früherer Leistungssportler

Eine Situation ist Tobit besonders im Gedächtnis geblieben: Ein Training mit einem Achter-Boot, als er ungefähr 16 Jahre alt war. Der Cheftrainer soll an diesem heißen Sommertag das Training persönlich übernommen haben. Er wolle das Boot jetzt mal "schnell machen", soll er gesagt haben.

Danach soll er die acht jungen Sportler den Kanal entlang "gejagt" haben und sie dabei von seinem Motorboot aus angeschrien haben. "Er hat dabei mit einem Paddel auf das Motorboot gehauen", sagt Tobit. Als er und die anderen zwischendurch etwas trinken wollten, soll der Cheftrainer das verboten haben, "Wasser ist was für Pussys", soll er gerufen haben. "Wir sind gerudert bis zum Umkippen", erinnert sich Tobit.

Thorsten Kortmann, Cheftrainer Ruderverein Münster kniet neben dem Wasser auf einem Deck

Thorsten Kortmann, Cheftrainer RVM, auf der Aaseeregatta in Münster 2025

Thorsten Kortmann bestreitet diese Schilderung. "Die Flüssigkeitsaufnahme wurde bei dem Training – und auch in anderen Trainings – nicht unterbunden, sondern maximal aus Gründen der Sicherheit (…) verschoben", teilen seine Anwälte mit. "Im Übrigen gehören intensive Trainingseinheiten zur Rennsimulation zum Rudertraining", sie seien durch Trainingsmethoden des Deutschen Ruderverbandes vorgegeben.

"Wenn das Ergebnis nicht da ist, wird man angeschrien, bis es läuft“

Mit dem Motorboot soll Kortmann auf dem Kanal in Münster regelmäßig auch extra nah um Sportlerinnen und Sportler in ihren Ruderbooten herumgefahren sein, sodass Wellen ins Boot geschwappt seien. "Dann stand man da, klitschnass und vollgelaufen", beschreibt Tobit solche Situationen, in denen er im Boot die Angst gespürt habe, "jedes Mal total demütigend".

Kortmanns Anwälte schreiben, "Vorbeifahrten" fänden regelmäßig statt. Sie hätten aber "rein organisatorische Belange", es würden "zu keinem Zeitpunkt Sportlerinnen und Sportler gefährdet."

Mia, frühere Leistungssportlerin, Rudern im Interview mit Westpol

Mia, frühere Leistungssportlerin im Ruderverein Münster

Anschreien, Runtermachen, psychische Gewalt, davon erzählt auch Mia, heute 23. Sie hat ebenfalls ihre gesamte Jugend Leistungssport im Ruderverein Münster gemacht: "Auf dem Wasser geht es um Schnelligkeit und Gewalt. Nicht um das Wie, sondern um das Ergebnis. Und wenn das Ergebnis nicht da ist, wird man angeschrien, bis es läuft."

Vorstand soll Konsequenzen für den Trainer abgelehnt haben

Einmal, im August 2022, soll der Cheftrainer im Kraftraum des Rudervereins vor einer Gruppe minderjähriger Sportlerinnen und Sportler so ausgerastet sein, dass er ein Fenster kaputt gemacht hat.

Kortmanns Anwälte erklären, er habe das Fenster in einem baufälligen Gebäude "lediglich schwungvoll" geschlossen, keinesfalls habe er dies aus Wut getan.

Mia, frühere Leistungssportlerin im Ruderverein Münster

Kaputtes Fenster im Ruderverein Münster 2022

Dieser Vorfall beschäftigte auch den Vorstand des Ruderverein Münster. Ein Vorstandsmitglied soll Konsequenzen für den Cheftrainer gefordert haben, doch erfolglos. Der damalige Vereinsvorsitzende soll das abgelehnt haben. Er hat auf eine Anfrage dazu nicht reagiert.
Die WDR-Recherchen zeigen: Es war nicht das erste Mal, dass die Vereinsspitze über Vorwürfe gegen den Cheftrainer und andere aus seinem Team informiert wurde. Schon zwei Jahre zuvor, 2020, soll ein damaliges Vorstandsmitglied von einer Sportlerin eine ganze Liste mit konkreten Anschuldigungen übergeben bekommen haben. Reagiert haben soll der Vorstand darauf nicht. Der Verein äußert sich in seiner Antwort dazu nicht.

"Frauenkörper wurden sexualisiert und abgewertet"

Ein wesentlicher Vorwurf auf dieser Liste damals schon: Mehrere Trainer sollen junge Sportlerinnen öfter auch sexistisch beleidigt haben. Betroffene haben dies gegenüber Westpol und der Sportschau bestätigt. "Frauenkörper wurden konsequent bewertet, verglichen, sexualisiert, abgewertet", erinnert sich auch Mia.

Schon mit 14 soll ihr ein Kindertrainer gesagt haben, er wisse, wofür ihre Beckenbewegungen noch gut geeignet seien. Von anderen aus dem Trainerteam sollen Mädchen auch als "Muschis" bezeichnet worden sein, Rudern sei "ein Männersport".

Mia, jugendliche Leistungssportlerin, Ruderverein Münster, sitz in ihrem Ruderboot. Hinter ihr im Boot sitz eine zweite Frau. Auf dem Steg steht ein Mann und unterhält sich mit ihr.

Mia als jugendliche Leistungssportlerin im Ruderverein Münster

Sexistische Sprüche sollen auch vom Cheftrainer selbst gekommen sein. Er soll Sportlerinnen mehrmals auf unangenehme Weise auf ihre Figur angesprochen haben. Einer Athletin soll er empfohlen haben, nach der Karriere weiter Sport zu machen. Sonst könne es sein, dass sie "fett" werde und "keinen mehr" abbekomme.

Vorwürfe auch gegen andere Trainer des Rudervereins

Dazu teilen Kortmanns Anwälte mit: "Unser Mandant hat derartige Äußerungen zu keinem Zeitpunkt getätigt." Er habe auch "keine Bemerkungen über Körperbilder von Frauen gemacht".

Männliche Sportler sollen sogar körperliche Übergriffe durch Trainer erlebt haben. Tobit schildert, dass er als Jugendlicher von jüngeren Trainern regelmäßig sehr fest an den Brustwarzen gezogen worden sei, einfach "aus Spaß". Ein Juniorentrainer soll manchmal im Vorbeigehen Jugendlichen mit einer Schlüsselkette in die Geschlechtsteile geschlagen haben.

Beim Krafttraining soll auch der Cheftrainer persönlich eine Grenze überschritten haben: Als ein Athlet Probleme hatte, mit einer Langhantel aus der Kniebeuge wieder hochzukommen, soll der Cheftrainer ihm einmal mit dem Finger von unten an den Hintern gestochen haben, über der Hose, mutmaßlich um ihm reflexartig wieder in den Stand zu helfen.

Symbolbild: Jugendliche Ruderer machen ihr Ruderboot bereit

Jugendliche Ruderer, Leistungssport

Dazu lässt Thorsten Kortmann erklären: "Die (von Ihnen beschriebene) Methode mit einem Finger wurde von unserem Mandanten zu keinem Zeitpunkt ausgeführt." Zu den Vorwürfen gegen andere Trainer aus seinem Team lässt er mitteilen, ihm seien solche Vorgänge nicht bekannt. Er habe solche auch nicht beobachten können. Die angefragten anderen Juniorentrainer haben auf Anfrage nicht geantwortet. Der Ruderverein Münster äußert sich in seiner Antwort nicht konkret zu den Vorwürfen.

"Der Ruderverein war für Täter immer ein relativ sicherer Ort"

"Nichts davon hat versteckt stattgefunden", sagt Mia, die solche übergriffigen Situationen oft mitbekommen habe, "der Ruderverein war für Täter immer ein relativ sicherer Ort. Nie hat jemand genau hingeschaut."

"Das wurde einfach gemacht. Das ist so extrem normal gewesen", sagt Tobit. Er und andere Athleten hätten so etwas auch untereinander gemacht, "man hat es erlebt, man hat es weitergemacht". So sei das Klima im Leistungssportbereich des Rudervereins gewesen.

Bootshallen vom Ruderverein Münster mit offenen Türen

Bootshallen des Ruderverein Münster

Es gibt auch frühere Sportlerinnen und Sportler, die andere Erinnerungen schildern, die z.B. das Verhalten von Thorsten Kortmann weniger schlimm wahrgenommen haben. Andere sagen, Kortmann habe sie immer unterstützt und sie hätten ihm viel zu verdanken. Erniedrigendes Verhalten hätten sie nie erlebt.

Betroffene schildern extremes Abhängigkeitsverhältnis

"Er hat auch mir viel geholfen", sagt Tobit, "auch schulisch". Kortmann ist Lehrer und kann einen Teil seiner Schulstunden für die Talentförderung nutzen. Er habe etwa geregelt, dass Tobit für das Training vom Sportunterricht befreit wurde. Das habe bei ihm umso mehr den Eindruck verstärkt, dass es zwecklos sei, sich gegen die beschriebenen Schikanierungen zu wehren. Es habe ein extremes Abhängigkeitsverhältnis bestanden: "Wir hatten alle Schiss, dass man fallengelassen wird."

2022 formiert sich jedoch Widerstand im Ruderverein Münster: Mehrere ältere Mitglieder setzen durch, dass ein Schutzkonzept erarbeitet wird, gegen alle Formen von Gewalt. Solche Schutzkonzepte sollen nach dem Willen der Landesregierung in allen Sportvereinen in NRW gelten, die öffentlich gefördert werden. Für die großen Sportverbände sind sie inzwischen Pflicht und Voraussetzung dafür, dass weiter staatliche Fördergelder fließen.

Als offizielle Beschwerden reinkamen, "wurde es kompliziert"

Mia und Tobit, die damals gerade mit dem Leistungssport aufgehört hatten, wurden zu Ansprechpersonen des Vereins ernannt, bei denen Betroffene Vorwürfe melden können. "Als dann die Meldungen reingekommen sind, wurde es kompliziert", erinnert sich Mia, "als Betroffene über Gewalterfahrungen mit Thorsten Kortmann berichtet haben."

Rudern auf Fluss aus der Perspektiver der Ruderin

Symbolbild: Jugendliche Ruderin beim Training

Einer der ersten Fälle: Eine heute 17-jährige Sportlerin, die sich vom Cheftrainer abschätzig behandelt gefühlt hat. Es kam zum Streit über die Trainingsbedingungen, er soll sie vor anderen lautstark angeschrien haben und mit Suspendierung gedroht haben. Danach wurden sie und ihre Ruderpartnerin tatsächlich nicht mehr für den Kader berücksichtigt. Sie hätten auch nicht mehr zu zweit am normalen Leistungstraining teilnehmen dürfen.

NRW-Ruderverband sitzt mit am Tisch

Thorsten Kortmanns Anwälte teilen dazu mit, er habe "zu keinem Zeitpunkt gedroht, (..) jemanden zu suspendieren. (…) Unser Mandant hat die Athletin zu keinem Zeitpunkt freigestellt oder dies befürwortet." Die Entscheidungen des Trainerteams hätten allein sportliche Gründe: "Die gezeigten Leistungen waren weit weg von den geforderten Normen."

Die Eltern der beiden Mädchen wendeten sich 2024 an Mia und Tobit. Es wurden Gespräche mit dem Vorstand des Vereins vereinbart – bei denen der beschuldigte Cheftrainer direkt mit am Tisch saß, genau wie der Vorstandsvorsitzende des NRW-Ruderverbandes, Wilhelm Hummels.

Wilhelm Hummels, Vorsitzender NRW-Ruderverband sitz auf eine Stuhl während des Interviews

Wilhelm Hummels, Vorsitzender NRW-Ruderverband

Der verteidigt den Trainer bis heute und erklärt im Interview: "Dass der Trainer ab und zu mal etwas lauter war, das ist der eine Teil. Der andere Teil ist ganz klar die Stoßrichtung, den Trainer auszutauschen. Das war die Intention der Eltern." Aus Hummels Sicht scheint klar: Ehrgeizige Eltern beschuldigen den Trainer, weil der ihre Tochter für untalentiert hält. Er betont, Trainer müssten vor falschen Beschuldigungen geschützt werden.

Vereinsvorstand stellt sich hinter den Cheftrainer

"Da wurde nichts geklärt, da wurden Androhungen gemacht", beschreibt Tobit die Gespräche. Auf die Eltern soll Druck gemacht worden sein, die Vorwürfe zurückzunehmen. Auch der Vereinsvorstand stellte sich auf die Seite des Cheftrainers.

Doch im Verein kommt danach etwas in Bewegung. Im Laufe des Jahres 2024 gehen weitere Meldungen von Sportlerinnen und Sportlern bei Mia und Tobit ein, insgesamt 12 Beschwerden. Viele dieser Schilderungen sind Westpol und der Sportschau von Betroffenen bestätigt worden.

Symbolbild: Ruderpaddel tauchen ins Wasser ein

Rudersport, Ruder

Darunter ist ein besonders schwerwiegender Vorwurf: Auf der Fahrt zu einem Wettkampf im Herbst 2020 soll der Cheftrainer einmal die Hand gegen einen minderjährigen Athleten erhoben haben. Er soll ihm vom Fahrersitz aus mit dem ausgestreckten Arm vor die Brust geschlagen haben, so "dass wir uns in der letzten Reihe hinter die Sitze geduckt haben", erinnert sich Tobit.

Dabei soll der Cheftrainer wieder gebrüllt haben: "Du bist nichts!" Der Anlass: Der Steuermann soll eine Bemerkung über den bevorstehenden Wettkampf gemacht haben, die dem Trainer nicht gefallen habe. Ein weiterer Sportler, der dabei war, versichert ebenfalls, dass es so abgelaufen sei. Auch der Betroffene hat im Gespräch mit dem WDR den Vorfall bestätigt. Er hat ihn aber weniger bedrohlich in Erinnerung. Von einem richtigen Schlag will er nicht sprechen.

Die Anwälte des Cheftrainers teilen dazu mit: "Die Situation hat so nicht stattgefunden. Unser Mandant hat noch nie eine Athletin oder einen Athleten geschlagen und mit 'Du bist nichts' beschimpft."

"Wenn das so war, dann waren das ganz klar Übergriffe"

Mia und Tobit schalten damals den Landessportbund NRW (LSB) und den Stadtsportbund Münster ein und leiten die Vorwürfe anonymisiert weiter. Das Schutzkonzept des Vereins sieht zwar vor, den Vorstand zu informieren. Doch zu dem haben die beiden inzwischen kein Vertrauen mehr.

Martin Wonik, Landessportbund NRW sitz auf einem Stuhl

Martin Wonik, Landessportbund NRW

"Die Vorwürfe haben alle ungefähr das gleiche Verhalten geschildert", sagt Martin Wonik vom LSB, "wenn das so war, dann waren das ganz klar Übergriffe. Und dann war es auch Machtmissbrauch." Der Stadtsportbund Münster bestätigt, dass einer seiner Mitarbeiter über die Fälle ebenfalls informiert war. Er habe damals sogar die Gefahr einer "strukturellen Kindeswohlgefährdung" nicht ausschließen können.

Der LSB, in dem alle Sportverbände im Land organisiert sind, macht Druck auf den NRW-Ruderverband. Dem Verein empfiehlt der LSB in einem Schreiben, "arbeitsrechtliche Konsequenzen" in Betracht zu ziehen. Sollte nicht gehandelt werden, drohe eine Streichung von Fördergeldern.

"Wir wurden als Bedrohung wahrgenommen"

Der Verein reagiert. Er entlässt allerdings nicht den Trainer, sondern Mia und Tobit von ihrem Amt als Ansprechpersonen. Außerdem bekommen die beiden Post vom persönlichen Rechtsanwalt des Cheftrainers. Der beklagt, sie hätten die Meldungen über den Trainer nicht weitergeben dürfen. Der Anwalt ist ausgerechnet der Justitiar des Deutschen Ruderverbandes.

Mia und Tobit, frühere Leistungssportler beim RVM, gehen einen Weg am Kanal entlang

Mia und Tobit, frühere Leistungssportler, Rudern

"Wir wurden als Bedrohung wahrgenommen", sagt Mia zu ihrem Rauswurf. Was sie besonders schmerzt: Sie mussten die Meldungen der Sportlerinnen und Sportler, die sich ihnen anvertraut hatten, an ihren Nachfolger übergeben. Die Betroffenen forderten als Reaktion, ihre Beschwerdebögen löschen zu lassen. Doch der Vereinsvorstand erfuhr trotzdem, wer genau Vorwürfe gemeldet hatte.

Verein sieht Vorwürfe als erledigt an

Der Ruderverein behauptete kurz danach in einem Schreiben an den Landessportbund aus dem Sommer 2024: "Abschließend bleibt für uns festzustellen, dass sämtliche Vorwürfe gegen Herrn Kortmann, (…) geklärt werden konnten, oder im Nachhinein durch die meldenden Personen (…) mit Bitte um Löschung zurückgezogen wurden."

Eine inhaltliche Befassung mit den Fällen sei damit nicht mehr erwünscht. Für den Cheftrainer habe man eine sportpsychologische Coachingmaßnahme vereinbart. Außerdem solle das Schutzkonzept so überarbeitet werden, dass in Zukunft "der notwendige Schutz der Trainer*innen (…) stärker fokussiert" werde.

Die Darstellung des Vereins macht sich auch der NRW-Ruderverband zu eigen. "Die Meldungen sind zurückgenommen worden", sagt der Verbandsvorsitzende Hummels, "es steht den Betroffenen frei, die Vorwürfe zur Prüfung zu übergeben. Solange die Vorwürfe nicht wieder auf dem Tisch liegen, sind sie für mich nicht existent."

Jugendliche Ruderer rudern in einem Doppelzweier auf einem Fluss

Symbolbild: Jugendliche Ruderer im Doppelvierer

"Das ist ein einfacher Weg, zu sagen, wir müssen gar nichts machen, weil es gibt ja gar kein Problem. Aber das ist falsch", kritisiert Mia. Und auch Martin Wonik vom LSB findet die Sichtweise des Ruderverbands einseitig: "Wir brauchen keine Trainer-Schutzkonzepte, sondern wir brauchen Schutzkonzepte für Kinder und jugendliche Athleten und Athletinnen. Von daher muss man vielleicht den Fokus ein bisschen anders setzen als Verband."

Fördermittel vom Land für Ruderstützpunkt in Münster erstmal gestoppt

Der LSB hatte auch die NRW-Staatskanzlei über die Vorwürfe informiert. Die ist für die finanzielle Förderung der Landesleistungsstützpunkte wie in Münster zuständig. Dort gab man sich 2024 zunächst mit den Erklärungen des Vereins und des Ruderverbands zufrieden. Jetzt, nach Anfrage des WDR, wurden die Landesmittel für den Ruderstützpunkt Münster erstmal gestoppt, bis zur Aufklärung der Vorwürfe. Der Verein hat damit inzwischen eine Anwaltskanzlei beauftragt.

Mia und Tobit hoffen, dass die Vorwürfe endlich ernst genommen werden. Mia sagt rückblickend: "Ich glaube, wir haben nie zu viel verlangt. Wir wollten nur, dass Sportlern zugehört wird."

Unsere Quellen:

  • Gespräche mit früheren Sportlerinnen und Sportlern des Ruderverein Münster
  • eigene Recherchen der Reporterinnen und Reporter
  • Angaben des Landessportbund NRW
  • Angaben des NRW-Ruderverbands
  • Antwort der NRW-Staatskanzlei
  • Stellungnahmen des Cheftrainers und des Ruderverein Münster

Über dieses Thema berichtet am Sonntag, 18.05.2025, ab 19:30 Uhr auch das Magazin Westpol im WDR-Fernsehen.