Union-Pressekonferenz mit Dirk Zingler, Oliver Ruhnert und Urs Fischer (Quelle: IMAGO / Matthias Koch)

Medienrunde beim 1. FC Union "Wenn es irgendwie geht, spielen wir in der Alten Försterei"

Stand: 28.05.2023 16:43 Uhr

Nach dem Champions-League-Einzug des 1. FC Union haben die Macher des Erfolgs gesprochen. Präsident Zingler, Manager Ruhnert und Trainer Fischer über die Partynacht, ihre Zusammenarbeit, Herthas Abstieg - und den Königsklassen-Spielort.

Nach der Partynacht war vor der Medienrunde: Im Stadion An der Alten Försterei - mit Ausblick auf den Rasen, auf dem der 1. FC Union am Vortag den Champions-League-Einzug perfekt machte - stellte sich am Sonntagmittag die Führung der Köpenicker den Fragen der Medienvertreter. Präsident Dirk Zingler, Manager Oliver Ruhnert und Trainer Urs Fischer über ...

... die Gefühlswelt am Tag nach dem Champions-League-Einzug:
 
Dirk Zingler: Wir können alle sehr stolz sein: der Klub, seine Mitarbeiter, die Menschen hier in der Region. Was ich am Samstag gespürt habe, hat uns allen gutgetan. Es ist nicht nur Stolz, sondern ich bin auch von großer Dankbarkeit erfüllt. Das muss ich mal so ein bisschen pathetisch sagen, weil es wirklich so ist. Das fängt an bei den Jungs auf dem Platz. Was sie die gesamte Saison gemacht haben, ist herausragend. Mein Dank geht natürlich auch an Urs Fischer und Oliver Ruhnert, die die Verantwortung tragen für dieses Team und die gesamte Abteilung. Seit Jahren arbeiten da alle in diesem Klub herausragend gut zusammen - auch wir drei tun das. Da ist wichtig, dass immer Vertrauen und eine leistungsfördernde Zusammenarbeit herrscht.

Wenn man in einen Wettbewerb kommt, dessen Niveau wahrscheinlich höher ist als das, was man bisher selbst hat, wird man von den Besten lernen und sich noch einmal weiterentwickeln können.

Ich will es aber ganz bewusst nicht bei der Lizenzspielabteilung belassen. Der 1. FC Union ist Vierter der Bundesliga geworden. Dazu gehören 350 Mitarbeiter und ganz, ganz viele Dienstleister und Abteilungen um den Lizenzspielerbereich herum. Sie alle haben sich dem Ziel untergeordnet, mit ihrem Klub erfolgreich zu sein. Jetzt nehmen wir an dem wahrscheinlich am besten organisierten Wettbewerb in Europa teil. Wenn man nämlich in einen Wettbewerb kommt, dessen Niveau wahrscheinlich höher ist als das, was man bisher selbst hat, wird man von den Besten lernen und sich noch einmal weiterentwickeln können. Das wird uns als Klub wieder einen Schritt in die richtige Richtung bringen. Wir freuen uns aber erstmal auch auf vier, fünf Wochen Pause. Neben Freude, Glück und Stolz ist es auch einen tickweit anstrengend.

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... die Nacht nach dem Saisonfinale.

Urs Fischer: Also meine war nicht lange. (lacht) Ich habe heute (am Sonntag, Anm. d. Red.) noch Termine und gedenke, mich noch mit dem Auto in den Urlaub zu bewegen.
 
Dirk Zingler: Wir haben uns entschieden, dass wir den ganzen Verein einladen - alle Mitarbeiter mit Familie und Freunden - und haben in der Nacht eine große Vereinsparty gemacht. Die dauerte unterschiedlich lange. Ich habe eben jemanden gefragt, der war bis halb sechs dabei. Wir drei (schaut in Richtung Oliver Ruhnert und Urs Fischer) gehören wahrscheinlich zu denen, die ein bisschen früher gegangen sind, weil wir ja hier einen fitten Eindruck machen wollten.

... den Schlüssel zum sportlichen Erfolg.

Urs Fischer: Das ist für mich einfach: Wir sind uns treu geblieben. Wir haben versucht, nach dem Motto 'von Spiel zu Spiel' zu denken. Wir sind von diesem Weg nicht abgekommen und waren wirklich standhaft. Ich glaube, am Schluss war die Konstanz entscheidend. Wir waren über all die Spieltage immer solide. Es gab kaum Schwächephasen - auch wenn wir mal ein, zwei Spiele verloren haben. Ich denke da zum Beispiel ans Ende der Hinrunde mit den Niederlagen in Leverkusen und Freiburg. Das hat uns nicht umgeworfen und wir konnten immer eine passende Antwort liefern. Das solidarische Auftreten als Einheit, als Mannschaft, hat uns ausgezeichnet.

Wir schätzen es, uns intern kontrovers auszutauschen und brauchen das auch.

Oliver Ruhnert: Ich kann es kurz machen. Ich weiß es nämlich noch nicht, denn nun folgt die Analyse. Natürlich schaut man jede Woche für sich, was beim letzten Spiel gewesen ist. Aber eine Gesamtanalyse muss man jetzt machen, um daraus dann abzuleiten, wie der geplante Kader und seine Struktur aussehen und was man in der Diskussion mit dem Trainerteam ansprechen kann. Wir schätzen es, uns intern kontrovers auszutauschen und brauchen das auch. Sonst kommst du irgendwann nicht mehr zu einer klaren Sicht. Wenn wir uns immer nur auf die Schultern hauen, ist es irgendwann schwierig. Dann gelingt es uns nicht mehr, den nächsten Schritt zu machen.

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... den Austragungsort der Champions-League-Spiele.

Dirk Zingler: Unsere Meinung hat sich nicht geändert - auch nicht durch den Erfolg des vierten Platzes. Immer wenn es geht, werden wir hier spielen, wo wir zuhause sind. Das ist eine Grundregel. Ob es möglich sein wird, das wissen wir noch nicht, weil das Uefa-Exekutivkomitee zum einen erst Ende Juni entscheiden wird, ob das Stehplatz-Programm fortgesetzt wird. Da läuft gerade die Auswertung und wir sind schon im Kontakt. Zum anderen werden wir vorher keine Entscheidung haben, was die technischen Bedingungen betrifft. Wir müssen uns also alle noch gedulden und bereiten es wie immer parallel vor. Wir planen mehrere Varianten - das machen wir jetzt seit zwei, drei Jahren. Aber der Grundsatz gilt: Wenn es irgendwie geht, spielen wir in der Alten Försterei. Wenn es nicht geht, spielen wir im Olympiastadion. Wir können alle sehr froh und dankbar sein, dass wir in einer Stadt leben, die ein eigenes Stadion hat, das ihr gehört und das ein Fünf-Sterne-Stadion ist.

... den Aus- und Umbau des Stadions An der Alten Försterei.

Dirk Zingler: Da gibt es intern wie extern Fortschritte. Unsere eigentliche Bauplanung läuft und kommt gut voran. Die Gespräche mit der Stadt sind weiterhin fruchtbar. Aber nicht im Sinne von: 'Wir reißen schonmal etwas ab.' Wir werden im Sommer anfangen mit dem Bau des neuen Profi-Trainingszentrums. Im September soll der erste Platz fertig sein, sodass Urs Fischer dann mit seinem Team drei Plätze in Originalmaßen zur Verfügung hat.

Sie werden einiges sehen, aber noch nicht am Hauptstadion.

Wir werden in der Saison 2023/24 eine Menge Startsituationen von verschiedensten Baumaßnahmen haben. Den des Nachwuchsleistungszentrums schließen wir im Herbst ab. Da haben wir dann die ersten 25 Millionen Euro investiert. Wir sind also im Grunde genommen schon mittendrin in der größten Investitionsphase des Klubs. Weil es ein Nachwuchsleistungszentrum ist, nimmt das nur keiner so richtig wahr. Das ist aber für uns auch ein riesiges Projekt. Durch den Champions-League-Einzug spielen wir Youth League. Auch darauf bereitet sich die Nachwuchsabteilung seit Wochen und Monaten vor, weil wir das sein mussten. Also: Sie werden einiges sehen, aber noch nicht am Hauptstadion.

... Investitionen in die Jugend für die Youth League.

Dirk Zingler: Ja, natürlich wird es auch Verstärkungen geben für den Nachwuchsbereich. Die gibt es ja auch bereits und das unabhängig der Youth League. Wir haben schon den Anspruch, dass wir durch die Fertigstellung des neuen Nachwuchsleistungszentrums auch dort einen Entwicklungsschritt gehen, der stärker zu einer Heranführung von jungen Spielern an unsere erste Profi-Mannschaft führt. Bei mir ist die Reihenfolge immer: Erst die Bedingungen dafür schaffen, dass man auch Ansprüche stellen kann. Diese Bedingungen werden nun im Sommer abschließend geschaffen. Dass es gleich mit der Youth League startet, war so nicht geplant. Aber es ist für alle natürlich ein riesiger Ansporn.

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Oliver Ruhnert: Es kommt also vielleicht etwas plötzlich und unverhofft. Aber mit Sicherheit ist es etwas, das du als Erfahrung nicht mehr loswirst. Wir sind mit Schalke 04 bis heute das einzige Team gewesen, die es ins Final Four geschafft hat (im Jahr 2014, Ruhnert war damals Leiter der Nachwuchsabteilung, Anm. d. Red.). Viele der Jungs sind heute Profis und sie erinnern sich immer noch sehr, sehr gerne daran. Es ist also etwas, wo der Verein einen riesigen Schritt gehen kann und wird.

... die Gratwanderung zwischen Demut und neuen Möglichkeiten auf dem Transfermarkt.

Oliver Ruhnert: Demütig zu bleiben, ist ja - auch in den vergangenen Jahren - immer unser Credo gewesen. Wir wissen, dass wir letztendlich immer wieder von vorne starten, eine Herausforderung zu bestreiten: vom Klassenerhalt und seiner Bestätigung im zweiten Jahr über die Conference und Europa League bis nun zur Champions League. Da ist es ganz sinnvoll nach dem Motto zu handeln: 'Schuster bleib bei deinen Leisten.' Wir wollen hier Jungs haben, die den Zuschauern Spaß machen und auch dem Klub, weil sie alles für uns investieren und geben. Wir verstehen diese Champions-League-Spiele als riesige Herausforderung, als Kompliment und auch als Eintrag in die Historie des Klubs. Die Kernaufgabe wird aber auch im kommenden Jahr Bundesliga heißen. So planen wir uns so gehen wir es an. Das Gute hier im Klub ist: Alle Mitarbeiter teilen das und keiner wird damit anfangen, sich so zu verändern, dass wir uns plötzlich anders sehen.

Jeder will dem anderen helfen, aber keiner mischt sich beim anderen ein. Das ist ein Unterschied.

... die veränderte sportliche Messlatte für die Zukunft.

Dirk Zingler: Ich kann mich da nur wiederholen. Ich persönlich denke in diesen Dimensionen nicht. Es wird Sie vermutlich wieder überraschen und ich sage das jetzt erstmal unabgestimmt, aber auch in der nächsten Saison werden wir mit dem Ziel starten, die Klasse zu halten. Es ist eine Herausforderung, in dieser Bundesliga Fußball zu spielen. Eine Zielsetzung, die davon abweicht, was uns die letzten Jahre ausgezeichnet hat, werden Sie von niemandem von uns hören.

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Oliver Ruhnert: Die Messlatte ist für uns immer, die Mannschaft im Rahmen der Möglichkeiten unseres Klubs so aufzustellen, dass wir glauben, sie verbessern zu können. Das ist unser Wunsch und Ziel. Wir werden eine andere Situation haben als in den letzten Jahren. Ich weiß nicht, ob unser Kader zum Trainingsauftakt so vollständig sein wird, wie wir uns das wünschen. Es hat sich am letzten Spieltag erst entschieden, ob wir Europa oder Champions League spielen. Wir haben einen sehr aufwändigen Transfersommer vor uns.

... Veränderungen in der Zusammenarbeit von Zingler, Ruhnert und Fischer.

Dirk Zingler: Darüber muss ich erstmal nachdenken. Natürlich verändert sich Zusammenarbeit, wenn man lange Jahre zusammenarbeitet und vorhat, das noch einige Jahre zu tun. Wichtig ist, dass wir zulassen, dass jeder seine Stärken in die Gemeinschaft einbringen kann. Wenn wir uns versuchen, gegenseitig permanent gleichzumachen, wird das nicht funktionieren. Es arbeiten - das kann ich selbstbewusst behaupten - drei Profis zusammen, die wissen, wie man als Führungskraft miteinander umgeht. Wir haben einen gut aufgeteilten Aufgabenbereich. Jeder will dem anderen helfen, aber keiner mischt sich beim anderen ein. Das ist ein Unterschied. Wir sind alle unterschiedlich sozialisiert und kommen aus einer unterschiedlichen Entwicklung. Alle gehen respektvoll miteinander um und versuchen, sich zu unterstützen. Solidarisch zu sein, ist nicht nur auf dem Platz zentral, sondern ist auch in der Organistation. Die neuen Spieler und Mitarbeiter müssen in eine Atmosphäre kommen, die leistungsfördernd ist und das müssen wir vorleben.

Ich will mich ja finanziell nicht verschlechtern.

... einen möglichen atmosphärischen Wandel rund um Union durch den Hertha-Abstieg.

Dirk Zingler: Nein, das erwarte ich nicht. Wir haben schon immer auf uns geschaut. Wir haben unser eigenes Handeln noch nie darauf ausgerichtet, was um uns herum ist. Ich glaube auch nicht, dass wir jetzt ein Klub für ganz Berlin sein sollten. Das gibt es ja gar nicht. Unsere schöne Stadt ist so groß, so bunt, so vielfältig und unterschiedlich, dass ich ein ganz Berliner Klub nicht sein will. Den Anspruch kann gar keiner haben. Wir haben unseren Weg in dieser Stadt gefunden und den gehen wir weiter. Was in anderen Stadtbezirken stattfindet, ist uns vollkommen schnuppe.

... die Reaktion, falls Bayern München Interesse an Oliver Ruhnert zeigen würde.

Dirk Zingler: Wir machen jetzt alle Urlaub ...
 
Oliver Ruhnert: ... und ich will mich ja auch finanziell nicht verschlechtern. (lacht)
 
 

Sendung: rbb UM6, 28.05.2023, 18 Uhr