
Der Sieg von Hertha gegen Fürth in der Analyse Gechters Wachstum, Demmes Dauerläufe: Der Sieg von Hertha gegen Fürth in der Analyse
Gegen die SpVgg Greuther Fürth siegt Hertha BSC vollkommen ungefährdet, aber auch schmucklos. Immerhin: Die weitestgehende Ereignisarmut der Partie bot Zeit und Raum für ein paar Beobachtungen. Von Ilja Behnisch
Zumindest durch eine schnelle Internet-Recherche ist nicht herauszufinden, ob Hildegard Knef jemals ein Hertha-Spiel besucht hat. Stattdessen, dass ihr dritter Ehemann den fantastischen Namen Paul Rudolf Freiherr von Schell zu Bauschlott trug. Sich über Namen lustig machen, ist aber bestenfalls drittklassig. Und überhaupt hat das nichts mit Herthas 1:0-Erfolg über die SpVgg Greuther Fürth zu tun. Dafür ein Lied der legendären Knef. "Das Glück kennt nur Minuten, der Rest ist Warteraum", singt sie darin und jetzt schließt sich der Kreis. Denn wenn man es aufgrund der Erstveröffentlichung von 1967 nicht besser wüsste, könnte man denken, sie habe es über dieses Spiel geschrieben.

Ein seltsames Stück Fußball
Es war ein seltsames Stück Fußball, das die beiden Mannschaften da boten. Fast könnte man sagen, ein Sommerkick ohne Sommer sei es gewesen. So ereignisarm wie die rund 95 Minuten Brutto-Spielzeit über seine Zeitzeugen kamen. Andererseits gab es eben doch ein paar Minuten Schönheit und Chancen. So wie beim einzigen Tor des Tages, wunderbar vorbereitet vom Po Florian Niederlechners, der sich im Kampf um den Ball in seinen Gegenspieler hinein drehte und also qua Gesäß den Weg frei machte für Torschütze Fabian Reese. Dazu der Weitschuss-Versuch von Jonjoe Kenny aus der vierten Minute der Nachspielzeit, angesetzt am eigenen Strafraum und gegen das leere Tor, da Fürths Schlussmann vor lauter Verzweiflung mit nach vorn gekommen war. Kennys Ball landete schließlich knapp neben dem Pfosten und war damit spannender und gefährlicher als alles, was Fürth in diesem Spiel zu Stande brachte.
Für Zuschauer mit Liebe zum Detail warf die Leistung der Franken zudem zumindest eine interessante Frage auf: Würde den Gästen in dieser Partie wenigstens ein Schuss AUF das Tor von Hertha-Schlussmann Tjark Ernst gelingen und falls ja, wann? (Er gelang. In der 60. Minute.) Was man sich nach dieser Partie nicht mehr fragte: Warum Fürth nun in den letzten fünf Spielen lediglich einen Treffer erzielt hat.
Demme überall
Immerhin bot die Begegnung genug Freiraum für ansonsten eher vernachlässigte Beobachtungen und Gedanken. Zum Beispiel über Herthas Innenverteidiger Linus Gechter, der abermals eine blitzsaubere Partie bot und dem man derzeit von Spiel zu Spiel beim "wachsen" zusehen kann und aber auch dabei, was noch fehlt, um zu einem richtig, richtig guten Abwehrspieler zu werden. Etwas Passschärfe zum Beispiel. Vor allem aber Körpersprache und Ausstrahlung. Ein bisschen mehr von der Ruhe eines Berliner Eck-Kneipen-Wirtes täte ihm noch gut. Von diesem: "Janz ruhig, Freundchen. Eins nach dem andern. Ick hab’ dich jesehen. Ick hab’ dit im Griff." Man könnte auch sagen: Ein bisschen mehr Toni Leistner.
Dann war da noch Diego Demme, der nach Linus Gechter (11,31 km) die zweitmeisten Kilometer (11,27) lief an diesem Nachmittag und zwar sowohl im äußerst gelungenen Versuch, den Laden defensiv beieinander zu halten als auch im steten Bestreben, offensiv immer anspielbar zu sein.
Nimmt man nur die Leitl-Tabelle zur Hand, also alle Partien der zweiten Fußball-Bundesliga seit Stefan Leitls Amtsantritt bei Hertha BSC, wären die Berliner Tabellenführer. 18 Punkte in zehn Spielen sind es nun. Rechnet man den Punkteschnitt auf die insgesamt 32 absolvierten Spieltage hoch, wäre Hertha auch in der Gesamttabelle Erster. Und das sicher, weil Leitl der Mannschaft einen klaren, zu ihr passenden Plan mitgibt und vermitteln kann. Aber eben auch, weil zumindest die in der Vorrunde Langzeitverletzten Fabian Reese und Diego Demme endlich zeigen (können), was in ihnen steckt.
Viel Hoffnung, zu wenig klare Idee
Dass es gegen Fürth trotzdem nicht zu mehr als diesem einen Tor reichte, lag zum einen an den Gästen selbst. Die offensiv zwar ungefähr so dynamisch agierten wie ein Set Playmobil-Figuren, mit denen Harald Schmidt früher gern mal Alltagssituationen nachgespielt hat in seiner Late-Night-Show - Schlange stehen zum Beispiel. Die defensiv aber durchaus auf der Höhe agierten. Zum anderen fehlte bei der Hertha rund um den gegnerischen Strafraum oftmals die Selbstverständlichkeit in der finalen Aktion. Vieles scheint eher einer Hoffnung, denn einer klaren Idee zu folgen.
Und so war dieses Spiel wohl vor allem für Herthas Trainer ein nahezu ideales. Seine Mannschaft fuhr einen ungefährdeten Sieg ein, machte dabei vieles richtig. Und trotzdem gibt es einiges, an dem man arbeiten kann. Oder wie Hildegard Knef singen würde: "Das ist Berlin."
Sendung: rbb24, 04.05.2025, 22 Uhr