Im Hinspiel erzielte Kevin Behrens sein letztes Tor für den 1. FC Union (IMAGO/Thomas Voelker)

Ohne Trainer Bjelica Union empfängt gut gelaunte Darmstädter zum Abstiegsduell

Stand: 27.01.2024 13:48 Uhr

Die Aufregung um die rote Karte für Union-Trainer Bjelica lenkte unter der Woche vor dem Spiel gegen Darmstadt ab. Dabei muss Union dringend im Abstiegskampf gewinnen. Die Lilien kommen nach einem Erfolgserlebnis selbstbewusst nach Köpenick.

Nach der Sperre durch das DFB-Sportgericht darf Union Berlins Cheftrainer Nenad Bjelica seine Mannschaft für drei Spiele nicht im Stadioninnenraum betreuen. Trotzdem soll er Trainer bleiben, sagte Union-Präsident Dirk Zingler. Im Spiel gegen Darmstadt wird Co-Trainer Danijel Jumic die Vertretung an der Seitenlinie übernehmen. Wie der Verein auf der Spieltags-Pressekonferenz am Samstag bekannt gab, darf Bjelica nur bis 30 Minuten vor Anpfiff bei der Mannschaft sein und wird die Partie dann aus einer Loge heraus verfolgen. Kommunikation nach unten darf während des Spiels nicht stattfinden.

Fakten zum Spiel

  • Darmstadts bester Torjäger hat Vertrag beim 1. FC Union: Tim Skarke wurde vor der Saison an die Lilien verliehen und erzielte bereits sechs Tore
  • Nenad Bjelicas rote Karte gegen Bayern München war bereits der zweite Platzverweis für einen Union-Trainer in dieser Saison: gegen Stuttgart sah sein Vorgänger Urs Fischer Rot
  • Mit 46 Gegentoren stellt Darmstadt die mit Abstand schlechteste Abwehr der Liga
  • Darmstadts Routinier Tobias Kempe hat schon 14 Mal gegen Union gespielt. Zuerst am 15.10.2010 für Erzgebirge Aue. Seine Gegner damals unter anderem: Christian Stuff, Chinedu Ede und Karim Benyamina
  • In den sieben Pflichtspielen zwischen Union und Darmstadt sind insgesamt 28 Tore gefallen

So läuft es sportlich für Darmstadt 98

Darmstadt 98 steht auf dem letzten Tabellenplatz, trotzdem sei man bei den Lilien nach dem letzten Spieltag sehr zufrieden, erklärt Experte Colin Mahnke. Er verfolgt den Verein seit seiner Kindheit in Darmstadt und arbeitet heute unter anderem als Stadionmoderator bei den Hessen. Grund für die Zufriedenheit ist ein 2:2 gegen den Regionalrivalen Eintracht Frankfurt, das sich die Darmstädter nach einem 0:2-Rückstand erkämpften. "Das könnte der Turnaround in einer typischen Aufsteiger-Saison sein", erklärt Mahnke.
 
Bisher sei es nämlich häufig andersherum gelaufen: "Wir haben oft wirklich gut gespielt, aber die Dinger, die wir hatten, nicht gemacht." Als Verein mit dem kleinsten Budget in der Liga zahlten die 98er in der Hinserie oft das sprichwörtliche Lehrgeld gegen erfahrenere Bundesligamannschaften. Weil Darmstadt gegen Frankfurt zum ersten Mal in der Saison die Fehler des Gegners gnadenlos ausnutzte, hofft Mahnke auf Besserung in der Rückrunde.
 
Fußballerisch suche das Team noch nach der richtigen Balance aus Offensive und Defensive. Sinnbildlich dafür sei ein Remis gegen Mönchengladbach gewesen, als Darmstadt mit brillantem Fußball zur Pause 3:0 führte und am Ende "froh sein musste, nicht verloren zu haben", wie sich der Experte erinnert.
 
Danach habe Trainer Torsten Lieberknecht etwas defensiver spielen lassen, was dazu führte, dass die Lilien große Probleme hatten, zu Torchancen zu kommen. Deshalb wurden im Winter zwei neue Offensivspieler verpflichtet. Aus Bochum kam der pfeilschnelle Gerrit Holtmann. Aus Hoffenheim wurde der kreative Julian Justvan geliehen. Der traf direkt gegen Frankfurt und spulte die beste Laufleistung aller Darmstädter ab.

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Das bewegt die Fans

Für die Fans der Lilien sei die "Explosion" im Stadion am Böllenfalltor durch den späten Ausgleich gegen die Eintracht genau richtig gekommen, sagt Mahnke. "Mannschaft und Fans sind eine eine Einheit". Natürlich nage es am Umfeld, dass die Darmstädter in dieser Saison so selten gewinnen, räumt der Experte ein. Aber ihm ist wichtig zu betonen, dass sich das nie auf unsachliche Kritik an den Spielern ausgewirkt habe. "Wir halten als Verein zusammen", sagt Mahnke. Das gelte schon die ganze Saison.
 
Trainer Torsten Lieberknecht genießt großes Vertrauen bei Fans und Verein. Noch vor der Saison gaben die Lilien ihm einen neuen Vertrag. Und das, obwohl klar gewesen sei, dass man gegen den Abstieg spielen werde.

Auf diesen Spieler muss Union achten

Tim Skarke ist mit sechs Toren und zwei Vorlagen mit Abstand der beste Scorer bei Darmstadt. Die Union-Leihgabe glänzt vor allem mit seiner Schusstechnik und seiner Physis, erklärt Mahnke. "Ein Bulldozer". Im Vergleich zu seiner ersten Zeit in Darmstadt, von wo Union ihn einst verpflichtete, habe er sich deutlich weiterentwickelt, schwärmt Mahnke. Seine sechs Tore bis Januar sind mehr, als ihm zuvor jemals in einer ganzen Spielzeit gelang. Auch die Defensivarbeit sei herausragend. Mahnke schwärmt: "Der zieht noch in der 93. Minute einen Sprint von ganz vorne nach ganz hinten an, um jemanden abzugrätschen."

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Die Stimmen der Trainer

Marie-Louise Eta (1. FC Union, Co-Trainerin): "Der Trainer hat einen Fehler gemacht. Er hat sich dafür entschuldigt. Auch der Verein hat sich positioniert. Wir haben dann gestern nach der letzten Besprechung den vollen Fokus auf Darmstadt ausgerichtet. Nur das ist das, was zählt."
 
Torsten Lieberknecht (SV Darmstadt 98): "Union Berlin ist eine physisch starke Mannschaft. Sie haben zuletzt zwischen zwei Grundordnungen gewechselt und insgesamt einen guten Mix aus spielerischen Momenten und tiefen, langen Bällen. Es wird eine emotionale und physische Kiste."

So könnte Union spielen

Trainer Bjelica wartet weiterhin auf Verstärkungen auf der offensiven Außenbahn. Trotzdem könnte er nach den vorsichtigen Auswärtsauftritten in Freiburg und München wieder auf mehr Offensive setzen.
 
Statt des 5-3-2-Systems würde er dann zu einer Ordnung mit Viererkette zurückkehren. Robin Gosens könnte dafür wie bei Bjelicas erstem Sieg gegen Gladbach auf dem linken Flügel spielen, Kevin Vogt würde wie in der letzten halben Stunde in München ins defensive Mittelfeld rutschen.
 
Mögliche Aufstellung: Rönnow – Trimmel, Doekhi, Leite, Roussillon – Vogt, Haberer – Hollerbach, Volland, Gosens – Behrens

Tipp des Gegner-Experten: Einen Leckerbissen erwarte er nicht, sagt Mahnke. Mitten in der Aufregung über die Entgleisung des Trainers Nenad Bjelica sei Union in einer "unfassbar schweren Phase". Er fährt fort: "Ich glaube, das wird ein typisches Kampfspiel". Entgegen der Historie rechne er deshalb mit einem torarmen Spiel. Colin Mahnkes Tipp: Ein 1:0-Auswärtssieg für seine Lilien.
 
Der Tipp des Autors: Unions Vorbereitung auf das wichtige Duell mit Darmstadt wurde von Nenad Bjelicas Ausraster in München und seiner Sperre durch die DFL gestört. Trotzdem stellt Union die individuell deutlich überlegene Mannschaft. Das und der Fakt, dass die Abwehr gegen Freiburg und Bayern jeweils sehr stabil verteidigte, wird am Sonntag zu einem knappen 2:1-Heimsieg reichen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.01.2024, 15:15 Uhr