Drescher, Weber, Herrich (v.l.)

Mitgliederversammlung von Hertha BSC Herthas Mitgliederversammlung: Kay Bernsteins "Berliner Weg" soll fortgesetzt werden

Stand: 27.05.2024 08:17 Uhr

Herthas Mitgliederversammlung zeigt: Kay Bernstein prägt den Klub auch nach seinem Tod. Die Vereinsbosse stellten sich am Sonntag hinter seinen "Berliner Weg" und Fabian Drescher erntete Applaus für seine Ankündigung, als Bernsteins Nachfolger zu kandidieren. Von Shea Westhoff

Es strömten so viele Hertha-Anhänger trotz eitlem Sonnenschein ins fahl beleuchtete Souterrain des "CityCubes" auf dem Messegelände, dass offenbar nicht alle Platz fanden. Offiziell kamen 1.688 Gäste zur Mitgliederversammlung - hinter den aufgebauten Stuhlreihen standen aber noch zahlreiche Besucher.
 
Diese Mitgliederversammlung war mit Spannung erwartet worden. Und das, obwohl nicht einmal eine Gremienwahl geplant war. Dennoch ging es um viel. Jedenfalls um nicht weniger als eine Antwort auf die Frage nach der eigentlichen Identität des Westberliner Fußball-Zweitligisten.

Herthas Interimspräsident Fabian Drescher auf der Mitgliederversammlung des Klubs. Quelle: dpa/Christoph Soeder
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Lebt der "Berliner Weg" noch?

Die Architektur des Veranstaltungsraumes schien erste Hinweise zu liefern. Der in grau betoniertem Brutalo-Chique gehaltene Saal mit unverkleideten Wänden und Säulen entsprach jedenfalls dem Bild, das der Klub gerne darstellt; einen unverschnörkelten, pragmatischen und bodenständigen Klub aus einer Stadt, der es an betonierten Fußball-Hartplätzen in der Tat nicht mangelt.
 
Der zu Jahresbeginn verstorbene Präsident Kay Bernstein hatte all diese Eigenschaften in die Vereins-DNA implementiert, "Berliner Weg" genannt, und den phasenweise orientierungslosen Klub damit erfolgreich zurück in die Spur gebracht. Einige Mitglieder fragten sich jedoch zuletzt, ob dieser Weg noch Bestand hat.
 
Die Vereinsseele war in Aufruhr in diesen Tagen: Immerhin scheint die Pleite von 777 Partners bevorzustehen. Bei zwei von sieben Vereinen, bei denen die Investmentgesellschaft Anteile hält, hat sie die Kontrolle bereits verloren oder ihr wurde die Handhabe gerichtlich entzogen. Wie würde sich die Schieflage des Investors auf Hertha auswirken? Dem US-Investor haben sich die Berliner durch die Abgabe von 78,8 Prozent der KG-Anteile verschrieben.

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"Ich werde im Sinne des Berliner Weges bei den Wahlen im Herbst antreten"

Die Ultra-Vereinigung Harlekins Berlin 98 – die Bernstein einst mitgegründet hatte – veröffentlichte just in dieser Gemengelage im Vorfeld der Mitgliederversammlung eine Stellungnahme, in welcher der Anteilseigner aus Florida mit dem einstigen Investor Lars Windhorst verglichen und als "brandgefährlicher Partner" bezeichnet wird. Vereinsintern würde zudem eine Fraktion erstarken, "die eine Kehrtwende weg von dem Pfad anstrebt, den Hertha BSC unter Kay Bernstein eingeschlagen" habe.
 
"Ich kann Kay nicht ersetzen, aber ich werde den Weg, den Kay eingeschlagen hat, weiterführen", stellte der kommissarische Präsident Fabian Drescher im "CityCube" direkt klar. Er bekräftigte die Alternativlosigkeit des "Berliner Weges" – und gab unter donnerndem Applaus seine Präsidentschaftskandidatur bekannt: "Ich werde im Sinne des Berliner Weges bei den Wahlen im Herbst antreten". Bei der Mitgliedersammlung im November soll über die neue Hertha-Führung entschieden werden.

"Zecke" Neuendorf hat Erklärungen

Dann schlug die Stunde des Direktors für den Lizenzbereich und die Akademie, Andreas "Zecke" Neuendorf. Ihm gelang wie wenigen zuvor, den viel beschriebenen "Berliner Weg" spürbar zu machen. Auch die jüngste Trennung vom hochgeschätzten Trainer Pal Dardai hatte bei einigen Mitgliedern Zweifel gesäht, ob die Klub-Chefs überhaupt noch auf diesem rechten Pfad wandeln.
 
"Der Berliner Weg beinhaltet nicht einen Namen", so Neuendorf. Herthas Klubphilosophie, so der Subtext, hänge nicht an der Personalie Dardai. Neuendorf bat um Vertrauen seitens der Mitglieder und wurde dann grundsätzlich: "Wir stehen für einen ehrlichen, geraden Weg", sagte er und deutete dabei auf die neben ihm sitzenden Vertreter der Klubführung, Thomas E. Herrich und Benjamin Weber. "Aber mit euch gemeinsam", sagte er zu den Mitgliedern. Es gab reichlich Applaus.

Später hatte Neuendorf eine Erklärung parat, warum der Abschied von Dardai (der insgesamt dritte) mitnichten einem Zickzack-Kurs gleichkommt. "Wir halten uns daran, was wir abgemacht haben." Und abgemacht gewesen sei eine Zusammenarbeit bis zum Ende der Saison. Nun sei jemand gefragt, der einen neuen Impuls setze. Pal Dardai werde dem Verein erhalten bleiben und jungen Spielern dabei helfen, den Sprung zu den Profis zu schaffen.
 
Auch was den Sparkurs des Vereins angeht und notgedrungene Spieler-Abgänge in der Vergangenheit, hatte Neuendorf eine emotionale Begründung. Lucas Tousart, einst für stolze 25 Millionen Euro zu Hertha gekommen, habe man für drei Millionen Euro ziehen lassen müssen zum Stadtrivalen, weil die Lizenz für die 2. Liga auf dem Spiel gestanden habe. Man brauchte das Geld und es habe einfach keine besseren Angebote gegeben. "Und dann nehme ich lieber die Lizenz", sagte Neuendorf.

Weber will Gerücht um Fiel nicht kommentieren

Hertha befindet sich immer noch auf Sparkurs. Daher sind weitere Abgänge möglich. Neuendorf sagte: "Wir wollen, dass Fabi (Reese, Anm. d. Red.) das Hertha-Trikot trägt, aber für uns gibt es auch wirtschaftliche Zwänge." Das gleiche gelte für Ibrahim Maza, der von mehreren Klubs umworben werden soll.
 
Einen Namen für die Dardai-Nachfolge präsentierte die Klubführung am Sonntag indes nicht. "Wir sind auf einem guten Weg", aber zunächst noch vertraulich, sagte Sportdirektor Benjamin Weber. "Wir sind optimistisch, dass wir das zeitnah auf unseren Kanälen verkünden können." Angestoßen von der Bild-Zeitung kursierten zeitgleich Meldungen, dass Hertha kurz vor einer Einigung mit Christian Fiel vom 1. FC Nürnberg stehe. Während der Versammlung darauf angesprochen sagte Weber, er habe in jenem Moment keine Zeitung gelesen. "Es bringt nichts, das jetzt zu kommentieren." Er bat um Vertrauen.

Pal Dardai bei seinem letzten Heimspiel als Hertha-Trainer am 11.05.2024 im Berliner Olympiastadion (Bild: Imago Images/Beautiful Sports)
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Dardai brauchte erst einmal Urlaub

Blieb noch die Frage nach dem taumelnden Investor 777. Vor den gut anderthalbtausend stimmberechtigten Mitgliedern wurde das Thema an diesem Tag allenfalls gestreift. Thomas Herrich sagte: "Wir haben uns intern mit einer Gruppe zusammengefunden, um alle Szenarien vorzubereiten: Was passiert mit den Anteilen? Was passiert bei einer Pleite?" Doch er stellt klar, dass es bisher wie folgt gewesen sei: "777 hat alle Verpflichtungen vertragsgemäß erfüllt."
 
Was blieb, war der Eindruck, dass alle in der Vereinsführung aufrichtig bemüht sind, den von Kay Bernstein eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Auch Pal Dardai wird dabei helfen, seine genaue Funktion ist noch unklar.
 
Von seinem Traineramt bei den Hertha-Profis habe man den Ungarn auf der Mitgliederversammlung übrigens offiziell verabschieden wollen, betonte Thomas E. Herrich. Doch Dardai wollte sich erst einmal in den Urlaub verabschieden. Verständlich, nach dieser turbulenten Hertha-Saison.

Sendung: rbb24, 26.05.2024, 22 Uhr