Louis Olinde redet im Huddle auf seine Mitspieler ein (Bild: IMAGO/camera4+)

Die Defense, der Trainer und die Center-Frage Die Defense, der Trainer und die Center-Frage: Alba Berlin und die Schlüssel zum Fortschritt im Umbruch

Stand: 12.03.2024 21:51 Uhr

Mitten im Umbruch erlebt Alba Berlin bis dato eine schwierige bis schlechte Saison. Die Verantwortlichen predigen dabei Geduld und versprechen Weitsicht. Aber was braucht es kurzfristig für ein erfolgreicheres Saisonfinale? Von Jakob Lobach

Als seine Mitspieler am Dienstagmorgen um kurz nach 10 Uhr gemütlich in Alba Berlins Trainingszentrum geschlendert kamen, war Jonas Mattisseck längst da. Assistiert von Albas Individualtrainer feilte der 24-jährige Basketballprofi auf dem hellbraunen Parkett an seinem Sprungwurf. Ball fangen, ein Dribbling nach rechts, werfen. Dann dasselbe nach links. Es galt, das Handgelenk locker zu halten, im Rhythmus zu bleiben. Kurz darauf richteten Albas Akteure ihren Fokus auf die AS Monaco.
 
Als aktueller Tabellenvierter der Euroleague gastieren die Monegassen am Donnerstag (20 Uhr) bei Alba Berlin. Die Partie leitet für Jonas Mattisseck und seine Mannschaft einen sechs Spiele langen, sportlich eher bedeutungsarmen Endspurt auf europäischem Parkett ein. In der Basketball-Bundesliga (BBL) hingegen steht Alba – fast exakt zwei Monate vor dem Start der Playoffs – die heiße Phase der Saison bevor. Es ist ein spannender Kontrast, aktuell geprägt von einer Frage: Was ist noch drin für Alba in dieser Saison? Oder anders formuliert: Wie können die Berliner eine bis dato schwierige bis schlechte Spielzeit zu einem erfolgreichen Ende bringen?

Albas Sterling Brown im Spiel gegen Rostock (imago images)
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Ernüchterung in der Euroleague

Zum Start eine eher ernüchternde Erkenntnis in Sachen Euroleague: Fünf Alba-Siegen stehen dort aktuell 23 Niederlagen gegenüber. Die übrigen sechs Spiele werden für Jonas Mattisseck und Co. im Zeichen eines Zweikampfes mit ASVEL Villeurbanne um den vorletzten Tabellenplatz stehen. "Obwohl wir wussten, dass es schwer werden würde, sind wir in der Euroleague hinter unseren eigenen Erwartungen geblieben. Da können wir nicht zufrieden sein", sagt Mattisseck, der mittlerweile auf einer hölzernen Bank des Alba-Trainingszentrums sitzt.
 
Hinzu kommt, dass Albas Restprogramm von großen Gegnern geprägt ist und durch akute Verletzungssorgen zusätzlich erschwert wird. Gelingt es Alba gegen Teams wie Real Madrid oder Panathinaikos Athen, sportlich konstant konkurrenzfähig zu sein, vielleicht sogar noch ein paar Siege einzufahren, wäre damit viel gewonnen.

Die Defense als sportlicher Schlüssel in der Liga

In der Bundesliga stellt sich die Frage nach Albas Konkurrenzfähigkeit nicht. Tabellenplatz drei und 15 Siege bei fünf Niederlagen lautet Albas Bilanz nach knapp zwei gespielten Saisondritteln. Weil aber gleich mehrere der besagten Siege allen voran durch großen Kampf eingefahren wurden, stellt sich diese Saison erstmals seit langem die Frage, ob Alba eine realistische Chance auf den Titelgewinn hat? Zumindest Teile der Antwort liegen der Defensive der Berliner.
 
Während es in der Euroleague Albas Offensive ist, die mitunter massive Probleme hat, ist es in der Bundesliga umgekehrt: Alba erzielt im Schnitt die meisten Punkte und stellt hinter dem FC Bayern eine der besten Offensiven der Liga. Die Defensive hingegen – in den vergangenen Jahren stets Albas Prunkstück – hat deutlich an Glanz verloren. Im Schnitt kassiert sie diese Saison pro Spiel fast zehn Punkte mehr als noch in der Meister-Saison 2021/22. Auch, weil sie ihren Gegnern insbesondere unter dem Korb freiere Abschlüsse und höhere Wurfquoten gestattet. "Eine bessere Defense, besonders im Pick & Roll, könnte unser Spiel nochmal auf ein neues Level heben", sagt Jonas Mattisseck.

Jonas Mattisseck beim Jubel (Bild: IMAGO/camera4+)

Einer von Albas defensiven Schlüsselspielern: Guard Jonas Mattisseck | Bild: IMAGO/camera4+

Eine Lösung für die Baustelle unter dem Korb?

Einer von vielen Gründen für Albas defensives Downgrade ist der vorsommerliche Abgang von Ben Lammers. Der Center war zuletzt lange Albas Anker unter dem Korb, rotierte dort intelligent und bewies regelmäßig perfektes Timing beim Blocken gegnerischer Würfe. Dass Alba vergangenen Sommer keinen Ersatz für Lammers verpflichtete und stattdessen Khalifa Koumadje zum Center Nummer eins beförderte, hat sich defensiv wie offensiv bislang als kapitaler Fehler herausgestellt.
 
Auch Albas Sportdirektor Himar Ojeda bestreitet nicht, dass Albas Kader unter dem Korb seine größte Schwachstelle hat. Aber wie lässt sie sich beheben? "Ich habe ein paar Ideen und Pläne in meinem Kopf", sagt Ojeda. Eine Nachverpflichtung für den Saisonendspurt mit möglichem Anschluss-Engagement schließt der Spanier dabei explizit nicht aus: "Wenn sich etwas ergibt, sind wir offen dafür." Eine neue, bzw. wiedergewonnen Qualität unter dem Korb könnte Albas Spiel eine neue Dimension bescheren.

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Die Frage nach der Trainerfrage

Neben Khalifa Koumadje musste sich auch Albas Trainer Israel Gonzalez zuletzt vermehrt Kritik anhören. Der 49-Jährige hat in seiner dritten Saison als Cheftrainer nicht nur beim Halbfinal-Aus im Pokal gegen Ulm mit einigen Wechseln und Entscheidungen für Verwunderung gesorgt. Mitunter wirkt Gonzalez gar etwas ratlos an seiner Seitenlinie und auch die Rollenverteilung innerhalb seiner Mannschaft veränderte er zuletzt regelmäßig.
 
Was bei einigen von Albas Spielern – so wirkt und klingt es durch – mitunter für Frust und Unverständnis sorgt, moderiert Himar Ojeda ohne Umschweifen ab. "In keiner Weise", beantwortet er die Frage nach einer Trainerdiskussion bei Alba. "Wir entwickeln hier einen talentierten Trainer, so, wie wir auch talentierte Spieler entwickeln", sagt Ojeda, "wir können superglücklich mit Israel sein und trotzdem bestimmte Entscheidungen hinterfragen." Es ist im Grunde ein Muss auf dem Weg zu einem erfolgreicheren Saisonfinale.

Abwarten und trainieren

Hinzu kommt die Hoffnung auf Besserung durch weniger Belastung, mehr Zeit und mehr Training nach dem Ende der Euroleague-Saison. "So kritisch wie man diese Saison sehen muss, kann man trotzdem ein paar Dinge herauspicken, auf denen wir zum Ende der Saison aufbauen können", sagt Jonas Mattisseck und verweist unter anderem auf eine neue Intensität und Mentalität bei Albas jüngsten Auftritten. Die Frage nach der Definition eines erfolgreichen Saisonabschlusses beantwortet er diplomatisch: "Wir wollen zum Saisonende den besten Basketball spielen, den wir spielen können. Ob wir dann im Halbfinale an einem starken Team scheitern oder ins Finale einziehen und dort 3:0 gewinnen, das wird sich zeigen." Im Moment erscheint zumindest Szenario Nummer zwei recht unwahrscheinlich.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.03.2024, 9:15 Uhr