Berliner Landespokal Berliner Landespokal: Amateur-Überflieger von Delay Sports steht Realitäts-Check bevor
Im Pokal trifft der Influencer-Klub Delay Sports auf einen drei Klassen höher angesiedelten Berlin-Ligisten. Es sind in etwa die Sphären, die auch dem Delay-Trainer für sein Team vorschweben. Unterstützung hat er von einem alten Bekannten. Von Shea Westhoff
Nach einem Gespräch mit Andreas Schild wird klar: Es tut sich ein Zwiespalt auf zwischen der Strahlkraft des sogenannten Influencer-Fußballklubs Delay Sports Berlin und der recht geerdeten Wahrnehmung von dessen Trainer, Andreas Schild. Darüber stolpert man, wenn man sich mit dem Fußball-Medienphänomen aus der 9. Liga befassen will, das am Samstag (16:15 Uhr) in der dritten Runde des Landespokals auf den Berlin-Ligisten Polar Pinguin trifft.
Schild findet: Delay, das sei eigentlich ein normaler Verein. "Wir kochen auch nur mit Wasser. Finanziell sieht es bei uns auch nicht anders aus als bei anderen Vereinen." Manches klingt sogar nach erschwerten Bedinungen: "Bei uns gibt es viele Strukturen noch gar nicht, die in den anderen Vereinen über Jahre gewachsen sind."
Haufenweise Superlative
Delay Sports, erst vor gut drei Jahren von einigen Influencern ins Leben gerufen und social-medial dauerbegleitet, ein gewöhnlicher Amateurklub? Was den Trainer angeht, mag das stimmen, zumindest wirkt er am Telefon ziemlich nahbar. (Die warme, raue Stimme, gepaart mit einem sanften berlinerischen Einschlag unterstreichen den Eindruck der Bodenständigkeit.)
Doch dann sind da die Meilensteine, die das in Wilmersdorf beheimatete Team eben doch vom Rest hervorheben: Ohne auch nur einen Punkt abzugeben, marschierte Delay Sports in den vergangenen beiden Jahren erst durch die Kreisliga C, dann durch die Kreisliga B. Ohne Punktverlust führt die Mannschaft auch jetzt die neuntklassigen Kreisliga A an, mit 59:6 Toren (Toptorschütze Pascal Brossmann traf in fünf Spielen 18 mal).
Mitgegründet wurde der Verein von einem der bekanntesten deutschen Youtuber, Elias Nerlich, dessen Kanal aktuell 1,4 Millionen Abonnenten zählt. Verletzungsbedingt hat er schon lange kein Spiel mehr absolviert, anders als der hochveranlagte Kicker und Social-Media-Star Sidney Friede (1,1 Millionen Abonnenten auf Instagram), der überdies auf eine Profivergangenheit unter anderem bei Hertha BSC zurückblickt.
Eine Kostprobe des öffentlichen Interesses, das den Neuntligisten schon jetzt begleitet, bot zuletzt die Begegnung mit Liga-Konkurrent Al-Dersimspor II - wo allerdings auch der prominente Ex-Nationalspieler Max Kruse aktiv ist: Kurz vor Spielende hatte Delay Sports das 3:2 erzielt, Anhänger des Gegners fühlten sich danach offenbar vom Jubel der Gäste provoziert und stürmten auf den Platz. Das Spiel musste abgebrochen werden und soll nun wiederholt werden (wogegen Delay Sports laut Andreas Schild Berufung einlegen wird). Die Posse um die Kreisligapartie sorgte landauf, landab für reichlich Schlagzeilen.
Ziel: Landesliga. Für den Beginn.
"Sind wir ehrlich, wenn es Eli und Sidney nicht geben würde, dann würde niemand über uns sprechen", sagt Andreas Schild. Aber es gibt sie, und deswegen gibt es auch eine große Anspruchshaltung im Verein. "Wenn wir Eli fragen würden, der möchte gerne in den überregionalen Fußball."
Schild selbst steckt sich und der Mannschaft erst einmal kleinere Ziele, die allerdings ebenfalls von einem starken Selbstbewusstsein zeugen. "Wir planen erstmal für die Landesliga", sagt er. Für diese zwei Etagen höher angesiedelte Ebene sieht er die Mannschaft bereits gerüstet. Wenn alles aufgeht, und man in der Landesliga angekommen ist, hofft Schild, dass Delay Sports "möglichst direkt um den Aufstieg" mitspielt.
Mit Pannewitz an der Seitenlinie?
Schild, der außer als Trainer auch als sportlicher Leiter fungiert, plant, dann gar nicht mehr als Coach an der Seitenlinie zu stehen. Schon jetzt hat er sich den ehemaligen Profispieler Kevin Pannewitz an die Seite geholt. Hinter dem 31-Jährigen liegt eine verschlugene Vita, die ihn vom VfL Wolfsburg unter anderem zu einer Reality Show, einem Job als Straßenreiniger und nun zu Delays Sports führte.
Der gebürtige Berliner würde schon jetzt die Hauptaufgaben im Training übernehmen, sagt Schild. Auch wenn Pannewitz den endgültigen Durchbruch als Profi nie geschafft habe, habe dessen Kompetenz einen anderen Stellenwert "als wenn ich jetzt 20 Jahre Kreisliga-Erfahrung habe", so Schild. Derzeit arbeite Pannewitz an seiner Trainer-B-Lizenz. Ihn sieht Schild langfristig als Trainer-Lösung bei Delay Sports, solange er "sich gut anstellt und weiter zuverlässig ist".
Die Pläne des Emporkömmlings im Amateurfußball sind also definiert. Vor dem Landespokalspiel gegen den drei Klassen höher spielenden Berlin-Ligisten Polar Pinguin stellt sich daher die Frage: Ist die anstehende Begegnung ein willkommener Realitätsabgleich, um herauszufinden, wie gut Delay Sports tatsächlich bereits ist?
Die Einschätzung des Trainers bewegt sich jedenfalls im gewohnten Zwiespalt: "Wenn wir es lange offenhalten, dann könnten wir da vielleicht auch überraschen. Ansonsten ist Berlin-Liga schon noch eine andere Hausnummer. Das muss man einfach auch so sagen."
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