
NDR-Sport Hansa Rostock in der Datenanalyse: Was braucht es für einen künftigen Aufstieg?
Fußball-Drittligist FC Hansa Rostock hat die Saison nach einem Stolperstart als Fünfter beendet. Es wäre sogar mehr möglich gewesen. Die Daten zeigen, was dem Team von Daniel Brinkmann fehlte - und wo der Trainer bei Kader und Spielweise ansetzen kann, um in der kommenden Spielzeit den Aufstieg anzugehen.
Marco Schuster war sich nicht sicher. Und auch die Social-Media-Abteilung von Hansa Rostock wirkte etwas unentschlossen. Wie soll man diese Saison der "Kogge" einordnen, die mit zwei Niederlagen und dem Verpassen der möglichen Aufstiegs-Relegation endete?
Die zugleich eine Spielzeit war, in der die Mecklenburger als Zweitliga-Absteiger nach einem Katastrophenstart zumindest eine Halbserie lang um den Verbleib in der 3. Liga hatten fürchten müssen - und das zwischenzeitliche Horror-Szenario der Viertklassigkeit erst durch eine beachtliche Entwicklung unter Coach Brinkmann abwendeten.
Schuster ärgerte sich nach den Pleiten gegen Cottbus (1:3) und in Hannover (1:2) zunächst darüber, "dass wir nicht geliefert haben, dass wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben". Und auch das Medien-Team des FCH bedauerte: "Am Ende müssen wir uns mit dem fünften Tabellenplatz zufriedengeben. Zum ganz großen Wurf hat es leider nicht gereicht."
"Nehmen viel Positives aus dieser Saison mit"
Zugleich schwang in den Aussagen aber auch Hoffnung mit Blick auf die kommende Saison mit. "Wir nehmen viel Positives mit", sagte der Mittelfeldspieler, "weil wir uns aus einer schwierigen Situation rausgearbeitet und eine gute Runde gespielt haben." Die zwei Niederlagen zum Abschluss nehme man "als Antrieb für die neue Spielzeit". Und der Club postete auf Instagram: "Wir alle spüren, dass hier gerade etwas entsteht."
Die klassische Frage also, ob das Glas nun halbleer oder halbvoll ist. Wie aber ist der Pegelstand an der Ostsee nach dieser Spielzeit? Die Daten-Experten des Global Soccer Networks (GSN) haben sich die Entwicklung unter Trainer Brinkmann angeschaut - und auch analysiert, was der FC Hansa braucht, um sich zu verbessern und den Aufstieg in die 2. Liga in der kommenden Spielzeit in Angriff nehmen zu können.
Brinkmann brachte die "Kogge" auf Kurs
Zunächst verdeutlichen die Zahlen, welche Entwicklung Hansa in einer Saison genommen hat, die auch abseits des Feldes mal wieder von reichlich Störgeräuschen - Fan-Ausschreitungen und Sponsoren-Zoff - begleitet war.
Nach elf Spieltagen musste der erst im vergangenen Sommer verpflichtete Bernd Hollerbach wieder von Bord gehen, nachdem er die "Kogge" fußballerisch auf eine Sandbank und tabellarisch auf Platz 18 manövriert hatte.
Unter den Interimstrainern Simon Pesch und Marcus Rabenhorst gelang die Wende - und mit Brinkmann bekam Hansa endgültig wieder Wind in die Segel, einen klareren Kurs und zunehmend mehr Fahrt.
Werte des FC Hansa Rostock | ...unter Trainer Hollerbach | ...unter Trainer Brinkmann |
---|---|---|
Spiele | 11 | 25 |
Punkte | 10 | 44 |
Punkteschnitt | 0,91 | 1,76 |
Erwartete Punkte pro Partie | 1,32 | 1,32 |
Positive Entwicklung - und einige Baustellen
Auch wenn die Zahl der erwarteten Punkte pro Begegnung unter beiden Trainern identisch ist, gab es laut GSN unter Brinkmann neben der besseren Ausbeute eine klar positive Entwicklung hinsichtlich der Spielweise. Die gründete vor allem auf vier "Säulen": dem systemischen Wandel vom 3-4-1-2 zu einem 3-4-2-1 mit klarer Raumaufteilung, einer effizienteren Offensive, der gesteigerten physischen Intensität sowie einer stabilisierten Defensive.
Über die Spielzeit hinweg entwickelte sich so "eine Mannschaft mit stabilem Fundament, starkem Zweikampfverhalten, strukturiertem Spielaufbau und guter Organisation". Dafür, dass es dennoch nicht für den selbst beschriebenen "ganz großen Wurf", sprich: den Aufstieg oder zumindest die Relegation, gereicht hat, gibt es den Daten-Experten zufolge mehrere Gründe: Es fehlte an "finaler Zielstrebigkeit, offensiver Reife und physischer Stabilität, um in der entscheidenden Phase der Saison die notwendigen Punkte für den Aufstieg einzufahren". Sinnbildlich: die beiden verlorenen Begegnungen am Saisonende.
Viele Ansatzpunkte für Verbesserungen
Das mag - siehe Schuster - für den Moment bitter, ja sogar enttäuschend sein, bietet andersherum aber für Brinkmann und sein Team auch Ideen zur Verbesserung. Etwa im zielstrebigeren Spiel im letzten Drittel, im besseren Positionsspiel sowie einer noch besseren Absicherung vor dem eigenen Tor.
Vor allem aber: einer erhöhten körperlichen Belastbarkeit und Präsenz über 90 Minuten hinweg. Sowohl bei der Gesamtlaufleistung (Platz 15) wie auch den Werten für Antritte und schnelle Richtungswechsel bauten die Rostocker speziell in den letzten 30 Minuten vieler Partien überdurchschnittlich stark ab (Rang 14 und 16). Dabei waren Energie und Intensität Aspekte des Spiels, die Sportchef Amir Shapourzadeh vor der Saison als Kernmerkmale für seine Idee von Hansa-Fußball definiert hatte.
Shapourzadeh muss den Kader in der Spitze verbessern
Und so hat auch ihm die Saison trotz des Aufwinds Anhaltspunkte geliefert, wie er gemeinsam mit Brinkmann die Mannschaft personell weiterentwickeln kann - und muss.
Denn Veränderungen wird es laut GSN im "Koggen"-Kader brauchen, soll es einen Schritt nach vorne geben. Die Analyse ist in dieser Hinsicht eindeutig: "Die Kaderstruktur von Hansa Rostock ist solide, doch für den Aufstieg braucht es nicht mehr Breite, sondern gezielte Spitze."
Spieler (Position) | GSN-Index | Ligaweiter Rang auf der jeweiligen Position |
---|---|---|
Felix Ruschke (Linksverteidiger) | 55,15 | 8. |
Nico Nedhart (Rechtsverteidiger, zuletzt verletzt) | 55,90 | 7. |
Ahmet Gürleyen (Innenverteidiger) | 56,30 | 10. |
Nils Fröing (Offensives Mittelfeld) | 56,30 | 8. |
Adrien Lebeau (Offensives Mittelfeld) | 56,15 | 9. |
Sigurd Haugen (Zentraler Stürmer) | 55,65 | 9. |
Ein Blick auf häufig eingesetzte Spieler von Felix Ruschke über Ahmet Gürleyen bis hin zu Nils Fröling und Sigurd Haugen verdeutlicht das. Sie alle sind auf ihren jeweiligen Positionen solide, aber eben nicht spitze. Und das ist in Summe zu wenig für ganz oben.
Was ist der GSN-Index?
Vier-Säulen-Prinzip:
- 1. "fußballerische Eigenschaften": Technik, Spielübersicht oder der erste Kontakt: Einschätzungen über 130 fußballspezifische Eigenschaften von mehr als 300 Scouts weltweit.
- 2. "fußballerisches Potenzial": Wo werden Spieler besser, wo stagnieren sie oder entwickeln sich zurück? Ein Algorithmus analysiert Daten aus der ersten Säule und vergleicht Spielertypen.
- 3. "Performance auf dem Spielfeld": Tore, Pässe, Fouls, Schüsse oder auch Abseitspositionen: die Spiel-Basisdaten und weiterführende Analysen wie "Expected goals" oder "Action scores" werden durch einen Algorithmus in einen übergeordneten Kontext gesetzt - zum Beispiel positionsbezogen.
- 4. "Spielniveau": Jede Mannschaft oder Liga hat einen Zahlenwert, der ihre Stärke bemisst. Oberliga oder Champions League: Umso höher das Spielniveau des Gegners, desto positiver wirkt es sich auf den GSN-Index aus.
Bewertungs-Skala:
- 85 - 100: Weltklasse
- 70 - 85: internationale Klasse
- 60 - 70: Durchschnitt Bundesliga bzw. der Top 5 Ligen
- 50 - 60: Durchschnitt 2. Bundesliga
- 40 - 50: Durchschnitt 3. Liga
- 30 - 40: Durchschnitt Regionalliga
Zwei GSN-Index-Werte:
- aktueller GSN-Index: zeigt die aktuelle, allumfassende Qualität eines Spielers basierend auf den Daten der vier Säulen und Algorithmus-Berechnungen.
- möglicher GSN-Index: Künstliche Intelligenz ermittelt anhand der Daten das bestmögliche, zukünftige Leistungsniveau eines Spielers.
Carstens und Krauß könnten Baustellen schließen
In Innenverteidiger Florian Carstens vom SV Wehen-Wiesbaden und wohl auch Maximilian Krauß, Linksaußen von Energie Cottbus, stehen schon erste Transfers fest.
Damit wären zwei der von GSN identifizierten "Baustellen" im Kader adressiert. Noch dringlicher sind aus Sicht der Analysten allerdings die Verpflichtung einer klaren - und fehlerfreien - Nummer eins im Tor, eines kreativen Verbindungsspielers für die offensive Halbposition sowie eines strategischen Ballverteilers im zentralen Mittelfeld.
Was passiert mit Fröling und Haugen?
Sie würden ein Team ergänzen, das - schaut man auf die Verträge - weitgehend beisammenbleiben könnte. Lediglich Fröling, dessen Arbeitspapier ausläuft, könnte es wegziehen. Bei Toptorjäger Haugen (zehn Tore) ist zu klären, ob er über die aktuelle Leihe hinaus bleibt oder nach Aarhus zurückkehrt.
Die Saison 2024/2025 mag für Hansa seit Sonnabend sportlich vorbei sein, die neue Spielzeit und ihre Vorbereitung darauf hat quasi mit dem Abpfiff in Hannover begonnen. Wie gut die Sportchef Shapourzadeh und Trainer Brinkmann gelingt, wird sich ab dem ersten August-Wochenende zeigen. Dann startet die 3. Liga - und Hansa vielleicht in Richtung Zweitliga-Rückkehr.
Dieses Thema im Programm:
Nordmagazin | 19.05.2025 | 19:30 Uhr