Auf einem Fussball steht "Stop Racism".

Fußball Rassismus im Fußball: Die Zahl der Vorfälle steigt

Stand: 13.09.2023 13:58 Uhr

Rassistische Beleidigungen im Fußball sind längst keine Einzelfälle mehr. Zum Teil werden die Spieler sogar von ihren eigenen Fans verbal attackiert. Ein Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen hat nun besorgniserregende Zahlen vorgelegt – und widerspricht damit den Statistiken des DFB.

Es sollte ein Fußballfest für den Halleschen FC werden. Am Ende wurde die Erstrundenpartie im DFB-Pokal gegen die SpVgg Greuther Fürth aber von einem Rassismus-Eklat überschattet, nachdem ein HFC-Zuschauer den Fürther Julian Green mehrfach rassistisch beleidigt hatte. Doch damit nicht genug: Auch die HFC-Spieler Erich Berko und Enrique Lofolomo sollen Opfer rassistischer Angriffe vom gleichen Zuschauer geworden sein.

Welche Zahlen in den DFB-Statistiken fehlen

Solch diskriminierende Beleidigungen sind längst keine Ausnahmen mehr im Fußball – egal ob im Profi- oder Amateurbereich. Laut Statistiken des DFB wurde in den deutschen Profiligen in den vergangenen Jahren zwar eine sinkende Zahl derartiger Angriffe dokumentiert, sodass sich die Zahlen auf einem konstant niedrigen Niveau bewegen (zwischen einem Fall in der Saison 2018/19 und drei Fällen in der vergangenen Spielzeit). Ein Pilotprojekt aus Nordrhein-Westfalen zeichnet allerdings ein anderes Bild: Bei der Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW wurden seit Juli 2022 insgesamt 211 Hinweise zu rassistischen Vorfällen dokumentiert. 95 davon aus dem Profifußball.

"Eine Entwicklung, die wir aktuell wahrnehmen, sind vermehrt Hitlergrüße, die beobachtet und gemeldet werden", berichtet Projektleiterin Elena Müller. "In den allermeisten Fällen handelt es sich um Fehlverhalten von Fans", sagt Müller. "Wir erfassen dabei nicht nur verbale oder körperlich übergriffige Vorfälle." Es werden auch rassistische und rechte Symbole auf Stickern, Kleidung oder Bannern dokumentiert sowie – anders als beim DFB-Sportgericht – diskriminierende Beiträge in den Sozialen Medien. 

Hass in den Sozialen Medien nimmt zu

Hass und Häme im Netz sind keine neuen Phänomene. Fakt ist, dass derartige Angriffe in den Sozialen Medien in den vergangenen Jahren immer öfter zutage treten. RB Leipzigs Benjamin Henrichs beispielweise teilte im April nach dem gewonnen DFB-Pokalviertelfinale gegen Borussia Dortmund Auszüge aus persönlichen Nachrichten in den Sozialen Medien, in denen er und seine Familie rassistisch und herabwürdigend beleidigt wurden. Im Juni wurden die beiden U21-Nationalspieler Jessic Ngankam und Youssoufa Moukoko Opfer rassistischer Nachrichten, nachdem sie bei der EM gegen Israel jeweils einen Elfmeter verschossen hatten. Diese Liste lässt sich mit etlichen Vorfällen der letzten Jahre fortführen, auch im Frauenfußball.

Strukturen im Profifußball müssen überdacht werden

In den meisten Fällen wurden die Angriffe von den Verbänden und Vereinen "aufs Schärfste" verurteilt. Reicht das? Laut Daniela Wurbs von der Beratungsstelle "Kick In!" für Inklusion im Fußball braucht es mehr: "Sich in schnellen Statements zu distanzieren, ohne dass Taten folgen, hilft vor allem den Tätern und lässt potenziell Betroffene an der Glaubwürdigkeit des Engagements und der Sicherheit im Stadion zweifeln." Es müsse mehr sensibilisiert werden, fordert Wurbs. "Da geht es um Spieler, Funktionäre und Mitarbeiter, die Strukturen umstellen müssen", sagt sie. "Der deutsche Profifußball ist nun einmal auf Führungsebene meist weiß und männlich."

Doch auch die Zuschauer sind in der Pflicht, was am Beispiel des Vorfalls beim DFB-Pokalspiel in Halle deutlich wurde. "Das Stadion ist zu 95 Prozent ausgelastet. Es waren genug Leute da, die hätten eingreifen können", ärgerte sich Fürths Trainer Alexander Zorniger und fordert: "Aufstehen und sagen: Das geht nicht!"

HFC: Ermittlungen gegen Täter laufen

Der HFC hatte den Vorfall in einem offenen Brief scharf verurteilt und zur Zivilcourage aufgerufen. Zudem wurde Strafanzeige gegen den Zuschauer gestellt. Die Ermittlungen laufen noch, teilte HFC-Pressesprecherin Lisa Schöppe Sport im Osten am Mittwoch (13. September) mit. Sobald der Täter eindeutig von der Polizei identifiziert wurde, werde man ein Stadionverbot aussprechen. Als Reaktion auf die Geschehnisse im DFB-Pokal wurden zudem weitere Maßnahmen verabschiedet. So wurde das Ordnungspersonal geschult und die Wege innerhalb der Ordnerstrukturen verkürzt, damit im Falle rassistischer Attacken schneller gehandelt werden kann.

Erich Berko (41, Hallescher FC)

Auch Halles Erich Berko wurde vom eigenen Anhang rassistisch beleidigt.

dpa/red