
BR24 Sport Volleyball in Bayern – zwischen Legendenstatus und Ligaalltag
Der bayerische Volleyball hat große Kapitel geschrieben: Meisterschaften, Pokalsiege, Champions League. Heute wirkt das Bild deutlich bescheidener. Wie aus Erfolgswellen Durststrecken wurden – und was vom Glanz geblieben ist.
Als Ferdinand Tille seinen berühmten Schnürsenkel aus der alten Sporttasche zieht, ist sofort klar: Der hat einiges erlebt. Es war sein Markenzeichen als Profi – auch wenn der ursprüngliche Zweck ganz klar praktischer Natur war:
"Meine Haare waren zu lang und ich hatte keine Zeit für einen Friseur. Da musste spontan irgendwas her. Erst hat mir der Physiotherapeut eine Haarspange ins Haar gemacht. Das hat mir nicht gefallen. Dann habe ich zum Schnürsenkel gegriffen. Seitdem, das waren dann zwölf Jahre, habe ich ihn getragen."
Nach Tilles Karriereende 2022 ist der Schnürsenkel in einer Seitentasche verschwunden – wird nur noch für seltene Trainingseinheiten benutzt. 17 Profijahre hat Bayerns erfolgreichster Libero gespielt, davon sieben in Unterhaching und acht in Herrsching. Heute ist er stiller Beobachter und Unterstützer seiner Sportart.
Bayerische Blockbuster-Zeiten
Die goldenen Jahre des bayerischen Volleyballs liegen zurück. In den 70ern dominierte der TSV 1860 München, später Milbertshofen und der ASV Dachau, der 1995 und 1996 Meister wurde und sogar das Champions-League-Finale erreichte. Bei den Frauen blieb der ganz große Titel aus.
Auch Tille war Teil einer erfolgreichen Ära. Mit 17 kam er nach Haching, gewann vier Pokale und spielte 2013 in der Champions League. "Das war schon eine eingeschweißte Truppe. Wir waren sehr emotional. Aber ich glaube, das hat Haching damals ausgemacht", erinnert sich Tille, der 2010 zum "besten Libero der Welt" ausgezeichnet wurde.
Insolvenz statt internationale Bühne
Doch wer oben mitspielen will, braucht Geld – für Reisen, Spieler, Infrastruktur. Und das ist im Volleyball oft knapp. "Du planst eigentlich immer so, wie lange dein Hauptsponsor einen Vertrag mit dir hat. Wenn der aussteigt, bist du im Arsch", sagt Tille. "Man sieht es aktuell in Friedrichshafen. Die sind sehr gekürzt worden im Etat – du merkst das an der Leistung. Du kannst dir nicht mehr die gleichen Spieler leisten. Dann bleiben die Erfolge aus."
Ob Unterhaching, Dachau oder Friedrichshafen: Fast alle Erfolgsteams gerieten irgendwann ins Straucheln. Sponsoren sprangen ab, Etats schrumpften – und mit ihnen die Erfolge.
Das Team vom Bodensee dominierte von 1998 bis 2011 die Bundesliga. Seither kommt der deutsche Meister aus Berlin. In der letzten Spielzeit verpasste Friedrichshafen sogar das Finale und wird "nur" Dritter.
Weniger Glanz, mehr Kampfgeist
Auch in den bayerischen Volleyballhallen ist es stiller geworden. Herrsching beendet die Saison auf Platz vier, Haching wird Neunter, Dachau belegt Platz elf von 13 Teams. Bei den Frauen fehlt ein bayerisches Bundesligateam ganz.
Zwar gibt es mit den Volleys aus Herrsching seit 2014 eine weitere bayerische Bundesligamannschaft, die zuletzt für Ausrufezeichen sorgen konnte. Allerdings: "Herrsching muss kämpfen, natürlich. München ist ein sehr schwerer Standort für Volleyball. Du hast ein sehr fußballlastiges Publikum. Es ist zwar schön, dass du drei Vereine in München hast, aber vielleicht würde es auch Sinn machen, die Kräfte in einem Top-Verein oder in zwei zu bündeln", so Tille, der seine Karriere in Herrsching beendete.
Auch wenn der große Glanz verblasst ist – Tille weiß, was möglich ist, wenn man mutig aufspielt. "Du brauchst Leute, die fähig sind. Die gibt es in den Münchner Vereinen genug. Es fehlt ehrlich gesagt einfach nur das Geld" – sodass die nächste Generation den nächsten Satz schreibt. Und Bayern wieder aufschlägt. Ganz oben.
Quelle: BR24Sport 25.05.2025 - 15:55 Uhr