Charly Waibel

Ski-Weltcup-Saison Kritik an neuen FIS-Regeln: "Bald schlimmer als im Skispringen"

Stand: 19.05.2025 06:40 Uhr

Für die nächste Ski-Weltcup-Saison führt die FIS neue Regeln ein – darunter eine Airbag-Pflicht und das Verbot von Carbon-Einlagen. DSV-Trainer Karlheinz Waibel spricht von Aktionismus, Athletensprecher AJ Ginnis befürchtet aufwendige Kontrollen.

Von Mona Marko

In der vergangenen Saison wurden schwere Stürze zur Zerreißprobe für den Skirennsport, die Sicherheit im Weltcup zum Dauerthema. Jetzt hat der Weltskiverband FIS reagiert und für den kommenden Winter schärfere Regeln und Maßnahmen bestimmt.

Die umstrittenen Airbags sollen bei Speedrennen, schnittfeste Unterwäsche auch bei Technik-Bewerben verpflichtend sein, die Carbon-Schienbein-Einlagen hingegen werden verboten. Alle drei nun beschlossenen Maßnahmen gelten auch für die Kontinentalserien wie für den Europacup. Im Juni muss der FIS-Council die Neuerungen noch absegnen – dieser letzte Schritt gilt aber nur als Formsache.

Waibel: "Airbagpflicht ist Ablenkung"

Karlheinz "Charly" Waibel, Bundestrainer Wissenschaft beim Deutschen Skiverband (DSV), wirft der FIS "Aktionismus" vor und sagt im Interview mit BR24Sport, der Weltverband versuche mit diesen Regelungen "vom eigentlichen Problem" abzulenken. Waibel beschäftigt sich in seiner Rolle auch eingehend mit der Sicherheit im Skirennsport, mit Technologien und Maßnahmen.

Die angekündigten Regeln seien zwar grundsätzlich "zu begrüßen, aber sowohl die schnittfeste Wäsche als auch der Airbag lösen nicht das Problem, das der Skirennsport in Bezug auf Verletzungen hat, und das sind die schweren Knieverletzungen." Waibel wirft dem Weltverband deshalb vor, eine "Scheindiskussion" zu führen. "Man bauscht diese Airbag-Diskussion auf, als wären Airbags die Rettung des Skisports, aber das ist reine Ablenkung."

Der neue Athletensprecher, AJ Ginnis, sagt im Gespräch mit BR24Sport, die Regeln würden primär darauf abzielen, Unfälle mit Todesfolge und mit lebensbedrohlichen Verletzungen zu verhindern. "Skifahren ist ein gefährlicher Sport. Wir Athleten schätzen die Bemühungen der FIS, den Skirennsport sicherer zu machen, aber die Lösungen müssen weitergedacht werden", so der griechische Slalom-Spezialist.

Waibel und Ginnis wünschen sich Umdenken bei Kurssetzung

Noch wichtiger wäre für Waibel und Ginnis ein Umdenken in der Kurssetzung: Auf zunehmend drehende Läufe in den vergangenen Jahren antworteten die Athleten mit aggressiverem Set-up. Läufe aber sollten so gesteckt werden, dass Athleten auch mit weniger aggressivem Material schnell sind und sich so die Materialschlacht nicht mehr lohnt.

Das Verbot der Carbon-Schienbein-Einlagen findet Waibel "völlig daneben". Die bisher erlaubten Schützer waren im Dezember in den Fokus der Sicherheitsdebatte gerückt, nachdem Cyprien Sarrazin in Bormio schwer gestürzt war. Ob die Carbon-Teile bei dem Sturz eine Rolle gespielt haben, ist jedoch unklar. "Und trotzdem hat man völlig vorschnell einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang hergestellt", sagt Waibel. Man wisse einfach noch nicht, wie sich die Carbon-Einlagen wirklich auf Stürze auswirken.

Athletensprecher Ginnis: "Manche Athleten brauchen Carbon-Einlagen"

Der Verdacht war jedenfalls: Die Schienbein-Einlagen sollen schneller machen, indem sie die Hebelwirkung des Unterschenkels verstärken. Waibel jedoch sagt, viele Athleten würden die Carbon-Einlagen primär einsetzen, weil sie Probleme im Bereich des Schienbeins oder Unterschenkels haben und den Druck von den betroffenen Stellen wegnehmen wollen. "Aber all das wird völlig ignoriert. Da wird vorschnell behauptet: Der Sarrazin hat die Carbonteile eingesetzt, deswegen ist er jetzt eine Sekunde schneller und deswegen hat er sich so schwer verletzt – das ist völlig an der Realität vorbei."

Auch Athletensprecher AJ Ginnis sagt: "Es gibt Fahrer mit Verletzungen, die brauchen die Einlagen." Er sieht in dem Verbot deshalb größeres Konfliktpotential als etwa bei der Airbagpflicht: "An die Airbags konnten sich die Speed-Athleten in den vergangenen Jahren herantasten, das Verbot der Carbon-Einlagen aber kommt für die Athleten sehr plötzlich", so Ginnis.

Regeln im Ski alpin bald "schlimmer als bei den Skispringern"

Die neuen Regeln würden hauptsächlich aufwendige Kontrollen und Sanktionierungen mit sich bringen, so DSV-Trainer Waibel: "Wie wollen sie das alles kontrollieren?" Waibel, aber auch Ginnis befürchten komplizierte und aufwendige Kontrollen, wie man sie aus dem Skispringen kennt. "Die FIS treibt den Sport sehenden Auges in eine Situation, schlimmer als bei den Skispringern", so Waibel. Er ist sich sicher: "Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen."

Im Video: Todesfälle im Skirennsport - Was hat sich seither getan?

Matilde Lorenzi

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Quelle: BR24Sport 16.05.2025 - 18:30 Uhr