Adam Yates im Gelben Trikot
Tourreporter

Tour de France, 1. Etappe Adam Yates mit Pogacars Erlaubnis in Gelb

Stand: 01.07.2023 21:57 Uhr

Adam Yates gewinnt auf der ersten Etappe der Tour de France das Duell gegen seinen Bruder Simon und schlüpft ins Gelbe Trikot. Sein Kapitän Tadej Pogacar gibt ihm dafür in Bilbao freie Fahrt.

Von Michael Ostermann, Bilbao

Adam Yates war gerade an Tadej Pogacar vorbeigefahren. Aber war das wirklich ein Nicken gewesen? Der Brite wollte lieber ganz sicher gehen und versicherte sich über Funk, ob es denn jetzt auch okay sei, mit seinem Zwillingsbruder Simon in Richtung Ziel zu fahren. "Tadej ist der Boss", sagte Adam Yates später - da trug er schon das erste Gelbe Trikot der Tour de France 2023: "Er ist der beste Fahrer der Welt und ich bin sicher, das wird er in den nächsten Wochen auch zeigen."

Pogacar gewinnt vier Sekunden

Die Rollenverteilung bleibt also klar beim Team UAE Emirates. Aber das hatte ja auch niemand ernsthaft bezweifelt. Yates soll Pogacar zum dritten Toursieg verhelfen. Dass er nun die erste Etappe in Bilbao mit Pogacars Segen gewinnen durfte, weil der seinen Bruder auf dem letzten Kilometer hinter sich lassen konnte, war ja irgendwie auch ein Triumph für den Slowenen. Nicht nur wegen der vier Bonussekunden, die er sich als Etappendritter sicherte.

Das alles wurde am Mannschaftbus des UAE-Teams mit lautstarken italienischen Kraftausdrücken gefeiert. Denn die vier Sekunden verschaffen Pogacar einen ersten kleinen Vorteil im erwarteten Duell mit Jonas Vingegaard. Über die Form des Slowenen, der wegen eines Bruch des Kahnbeins in der linken Hand in seiner Tourvorbreitung beeinträchtigt war, dürfte es nun auch keine Zweifel mehr geben. Vingegaard nahm den Ausgang des Rennens dennoch gelassen. "Ja, er hat wohl vier Sekunden gewonnen, aber die Tour wird nicht mit vier Sekunden entschieden", sagte der Däne unbeeindruckt.

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Adam Yates in der Rolle des Edelhelfers

Es sind ja immer mehrere Ebenen, auf denen sich die Tour bewegt. Da ist der Kampf um den Tagessieg auf der einen und der Kampf um den Gesamtsieg auf der anderen. In Bilbao griffen diese beiden Ebenen nun auf eine ganz besondere Weise ineinander.

Adam Yates ist vor der Saison in Pogacars Team gewechselt. Er soll den Toursieger von 2020 und 2021 vor allem in den Bergen unterstützen, damit der nicht wieder in eine Situation gerät wie im vergangenen Jahr, als ihm Vingegaard auf dem Col du Granon das Gelbe Trikot entriss, weil dessen Team Jumbo-Visma ihn frühzeitig von seinen Helfern isoliert und müde gefahren hatte.

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Und schon auf der schweren ersten Etappe rund um Bilbao mit mehr als 3.200 Höhenmetern und dem sehr steilen zwei Kilometer langen Côte de Pike neun Kilometer vor dem Ziel zeigte Yates, wie wertvoll er für Pogacar ist. Der Brite hatte mit einer Tempoverschärfung am Pike das Feld rund um die beiden Topfavoriten deutlich verkleinert.

Simon Yates arbeitet, während Adam die Lage klärt

Pogacar und Vingegaard fanden sich so plötzlich an der Bergwertung alleine wieder - nur noch mit dem Franzosen Victor Lafay im Schlepptau. Doch weil Vingegaard anders als sein Rivale offenbar wenig Lust verspürte, sich schon so früh auf ein Duell Eins zu Eins einzulassen, konnten einige Fahrer - darunter die Brüder Yates - wieder aufschließen, was Adam Yates wiederum nutzte, um gleich wieder vorne rauszufahren.

"Als ich dann zu ihm hingefahren bin, war das eine schwierige Situation für ihn", erzählte sein Bruder Simon später. Und während der fünf Minuten ältere Adam über Funk abfragte, wie er sich denn nun verhalten solle, arbeitete Simon im Wind, um den Vorsprung auf die Verfolger auszubauen. Das kostete Kraft, die ihm am Ende fehlte. "Ich hatte Krämpfe im Finale", berichtete Simon später: "Und leider hat er mich dann überlistet."

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Simon und Adam Yates sprechen in der Regel nicht über den anderen, wenn es um Radsport geht. Die Leistung des anderen öffentlich bewerten, wollen sie nicht. Die Zwillinge pflegen ein enges Verhältnis, haben lange gemeinsam in Andorra gelebt und trainiert, auch wenn sie in verschiedenen Teams unterwegs waren. Aber diesmal kamen sie fast nicht drum herum. "Es muss ekstatisch sein für ihn, hier zu gewinnen", vermutete der geschlagene Zwilling und hatte natürlich recht damit. "Ich bin sprachlos", sagte Adam.

Pogacar fühlt sich an 2020 erinnert

Um so mehr sprudelte es nach der Etappe aus Tadej Pogacar heraus. Er sei sehr zufrieden mit dem Auftakt, erklärte der Slowene. "Ich freue mich über Adams Sieg mehr als wenn ich selbst gewonnen hätte", behauptete Pogacar. Ob sein Teamkollege Gelb erstmal behalten darf oder man das Trikot, mit dem ja auch die Verantwortung für das Rennen einhergeht, lieber wieder abgibt, werden sie nun sicher prüfen.

Pogacar jedenfalls fühlte sich in Bilbao auch an 2020 erinnert. Damals hatte der Norweger Alexander Kristoff für das UAE-Team die erste Etappe in Nizza gewonnen und das Maillot Jaune übergestreift. Am Ende stand Pogacars erster Toursieg. "Die Maschine", sagte der Slowene nun, "ist gestartet."