Hansi Flick

Fußball-WM in Katar Doku über DFB-Elf - intime Einblicke, üble Laune

Stand: 04.09.2023 10:17 Uhr

Eine Dokumentation über die Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Katar gibt intime Einblicke. Sie zeigt die üble Laune des Bundestrainers, hervorgerufen vor allem durch die Diskussion um die "One Love"-Kapitänsbinde.

Die Länderspiele gegen Japan und Frankreich stehen an. Ab dann soll - wieder mal - bei der deutschen Nationalmannschaft alles besser werden.

Zuvor gibt es aber intime Einblicke in ein recht dunkles Kapitel der deutschen Fußballgeschichte, das mehr als neun Monate zurückliegt. Ab Freitag (08.09.2023), einen Tag vor dem Spiel gegen Japan, ist beim Streamingdienst "Amazon Prime Video" die vierteilige Dokumentation "All or Nothing" abzurufen. Drei Teile durften von Medien schon vorab angesehen werden.

Immer wieder "One Love"

Die Doku zeigt die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Katar, sie zeigt das Scheitern in der Vorrunde, sie zeigt, wie die politischen Diskussionen, vor allem die um die "One Love"-Kapitänsbinde, vermeintlich das schlechte sportliche Abschneiden verursacht haben, und sie zeigt einen nahezu durchgängig schlecht gelaunten Bundestrainer Hansi Flick.

"Fuck off." Dieser Fluch von Flick, mit dem er nach dem gegen Japan verlorenen Auftaktspiel am 23. November 2022 in die Kabine stürmt, ist die kürzest mögliche Zusammenfassung vom Gemütszustand des Bundestrainers. Die Halbzeitansprache im letztlich mit 4:2 gewonnenen letzten Spiel gegen Costa Rica ist ein anderer Höhepunkt der üblen Laune. "Ich glaube, es geht los hier. Wir spielen eine Weltmeisterschaft. (...) Das kann nicht mehr wahr sein. Die sind so blind und wir machen die stark. Das kann nicht wahr sein", brüllt Flick in der Kabine. Solche Einblicke sind selten im Profifußball auf Topniveau, daher lohnt sich das Zuschauen.

DFB "hier und da mit Anmerkungen"

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) teilte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit, dass er nicht berechtigt gewesen sei, "Szenen willkürlich streichen oder verändern zu lassen. Für einen Eingriff benötigte der DFB nach vorherigem Austausch mit Amazon einen wichtigen Grund, etwa eine falsche oder aus dem Kontext gerissene Darstellung". Regisseur Christian Twente sagte, der Verband habe "hier und da Anmerkungen gehabt", er sei aber frei in seinen Entscheidungen gewesen: "Mir als Regisseur wurde zu keinem Zeitpunkt der Dreharbeiten und des Schnitts vorgeschrieben, was ich wie erzählen darf oder soll."

Brisanteste Mannschaftssitzung fehlt

Dann dürfte es sein Entgegenkommen gewesen sein, dass die wohl brisanteste Besprechung während der WM nicht gezeigt wurde, zumindest nicht in den ersten drei Teilen. Der vierte Teil wird geladenen Gästen erst am Donnerstag (07.09.2023) gezeigt.

Es geht um die Besprechung, in der es um das Thema ging, das die ersten Tage in Katar beherrschte. Manuel Neuer war fest gewillt, die "One Love"-Kapitänsbinde zu tragen, als Zeichen für Vielfalt und vor allem gegen die Herrscher im Emirat, in dem etwa homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind.

Nachdem andere europäische Nationen, die ebenfalls die Binde tragen wollten, aufgrund von angeblich angedrohten harten sportlichen Sanktionen durch den Weltverband FIFA einen Rückzieher gemacht hatten, gab es eine Krisensitzung beim DFB, in der es nach Informationen der Sportschau hoch herging. Davon ist nichts zu sehen.

Taktische Meinungsverschiedenheiten

Andere Mannschaftssitzungen hingegen sind ausführlich dokumentiert. Sie zeigen taktische Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestrainer und Spielern, disziplinlose Spieler, die zu spät kommen und die dauernden Versuche, die Mannschaft zu einer Einheit zu formen und zu begeistern, obwohl doch in der Heimat die Unterstützung fehle. Dieses Wehklagen durchzieht die ersten drei Folgen. Wiederholt weisen Flick und der damals noch verantwortliche Direktor Oliver Bierhoff darauf hin, dass die Diskussionen um das Gastgeberland und die Kapitänsbinde die Konzentration stark beeinträchtigt hätten.

Motivation durch Graugänse

Als Kontrapunkt setzte der DFB - wie auch schon bei vorherigen Turnieren - auf Motivationshilfen. So zündeten die Spieler Kerzen an und setzten sie in kleinen Lampen aus, die dann auf dem Hotelpool schwammen. Aufwändiger produziert war ein Film mit Graugänsen. "WM 2022 - lasst uns von den Gänsen lernen und gemeinsam unseren großen Flug machen!", ist zu Beginn zu lesen.

Es wurde der große Abflug, wohl dokumentiert, und das wahrlich nicht als PR-Film des Deutschen Fußball-Bundes. Insofern ist "All or Nothing: Die Nationalmannschaft in Katar" ein sehenswertes Novum.