WM Stadion in Katar

FIFA WM 2022 Al-Bayt-Stadion - Ort der Eröffnung, Ort der Ausbeutung

Stand: 20.11.2022 11:28 Uhr

Das Al-Bayt-Stadion in Katar wird als Ort des WM-Eröffnungsspiels in einer Reihe mit vielen berühmten Stadien stehen - doch auch dort kam es zu Ausbeutung und Tod bei den Vorbereitungen.

Gastgeber Katar wird das Turnier mit einem Spiel gegen Ecuador am Sonntag (20.11.2022, 17 Uhr) im Al-Bayt-Stadion in der Stadt Al-Chaur, 60 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Doha eröffnen. Das Stadion, in dem 60.000 Menschen Platz finden, wird in der Fußballgeschichte dann mit berühmten Spielstätten in einer Reihe stehen: Maracana, Wembley, San Siro und viele weitere.

"Wir sind sehr stolz und voller Vorfreude", sagte Hassan Alhaydos, Kapitän der Mannschaft Katars, bei der Pressekonferenz vor dem Spiel. "Es gibt keine größere Ehre." Das Al-Bayt-Stadion wurde komplett neu gebaut, wie die meisten der acht WM-Stadien. Der Name bezieht sich auf traditionelle Zelte der Nomaden Katars, die Außenfassade erinnert an solche Zelte.

Gastarbeiter berichtet: "Mussten oft 16 Stunden arbeiten"

Gebaut haben das zeltartige Stadion vor allem Gastarbeiter. Auch das Al-Bayt-Stadion ist Teil der ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, die in großen Teilen bei der Erstellung der allgemeinen Infrastruktur für die WM geherrscht haben - unwürdige Unterkünfte, Knebelverträge, Erhebung unrechtmäßiger Vermittlungsgebühren.

Nagindar Yadev arbeitete am Al-Bayt-Stadion - und berichtet von schlechten Bedingungen.

Nagindar Yadev arbeitete am Al-Bayt-Stadion - und berichtet von schlechten Bedingungen.

Gastarbeiter Nagindar Yadav aus Nepal berichtet im WDR-Podcast "Die WM-Sklaven" von seinen Erfahrungen. "Wir haben uns gefühlt wie Sklaven, eigentlich ging es uns schlechter als Sklaven. Ein Sklave bekommt wenigstens etwas zu essen", sagte Yadav. Er arbeitete zwischen 2018 und 2019 etwa ein Jahr lang auf der Baustelle des Al-Bayt-Stadions. Zurück in Nepal sagte er: "Wir mussten mindestens 10 Stunden am Tag arbeiten, oft waren es 16 Stunden."

Yadav erzählt, dass ihm 280 Euro Monatsgehalt zugestanden haben. Das Geld sei unregelmäßig oder gar nicht gezahlt worden. Er berichtet von Gewalt durch Vorgesetzte: "Als wir neu in der Firma waren, sind sieben Arbeiter im Büro der Firma schwer zusammengeschlagen worden."

"Zwei Arbeiter sind vor meinen Augen gestorben"

Und er berichtet von Tod. "Wir hatten Angst um unsere Sicherheit. Vor allem in großer Höhe", sagte Yadav. "Zwei Arbeiter sind vor meinen Augen gestorben. Einer stürzte in den Aufzugsschacht und der andere vom Kran. Sie starben auf der Stelle vor uns. Wir standen unter Schock, haben uns geweigert, weiterzuarbeiten. Doch die Vorgesetzten zwangen uns."

Arbeiter bei Bau des Al-Bayt-Stadions (Aufnahme vom 5. Januar 2017)

Arbeiter bei Bau des Al-Bayt-Stadions (Aufnahme vom 5. Januar 2017)

Zum Tod der beiden Arbeiter unterschrieb Yadav im Mai 2019 eine eidesstattliche Erklärung, wie auch ein weiterer Kollege von ihm. Die FIFA räumte damals erstmals öffentlich ein, dass es auch auf den WM-Baustellen zu Verstößen gegen internationale Arbeitsstandards gekommen ist. Zuvor hatte die FIFA das immer bestritten. Das WM-Organisationskomitee stritt damals alle Vorwürfe ab.

Menschenrechtsorganisation: "Klassische Situation von Zwangsarbeit"

Am Tag der Eröffnungsfeier ist das Stadion nun fertig. Der hochmoderne Bau beherbergt den Auftakt zum wichtigsten Fußballturnier. Die Menschenrechtsorganisation Equidem listete in einem Bericht zuletzt rückblickend zahlreiche Vorfälle von Diskriminierung und Ausbeutung auf WM-Stadionbaustellen auf.

Explizit für das Al-Bayt-Stadion führt die Organisation mehrere Vorwürfe an:

  • Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit
  • Lohndiebstahl durch einbehaltene Löhne oder unbezahlte Überstunden
  • Illegale Vermittlungsgebühren
  • Einzug von Pässen
  • Unzureichende Meldung von Rechtsverletzungen und Vergeltungsmaßnahmen für die Meldung von Rechtsverletzungen
  • Fehlende Möglichkeit, den Arbeitgeber zu wechseln
  • Gesundheits- und Sicherheitsrisiken
  • Körperliche Gewalt

"Diesen Arbeitern wurde gedroht", sagte Mustafa Qadri, Gründer und Geschäftsführer von Equidem, allgemein zu den Baustellen. "Wenn sie sich auch nur beschweren über ihre Situation, wenn sie ihr Gehalt einfordern, dann werden wir euch bei den Behörden melden, dass ihr Ausreißer seid oder etwas von uns gestohlen habt. Das ist eine klassische Situation von Zwangsarbeit."

Blick ins fertige Al-Bayt-Stadion in Al-Chaur (Katar)

Blick ins fertige Al-Bayt-Stadion in Al-Chaur (Katar)

FIFA-Präsident Infantino verteidigt Katar gegen Vorwürfe

FIFA-Präsident Gianni Infantino verteidigte am Tag vor der Eröffnungsfeier Gastgeber Katar gegen Kritik an den Zuständen. "Für das, was wir Europäer in den vergangenen 3.000 Jahren getan haben, sollten wir uns für die nächsten 3.000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, den Menschen moralische Lektionen zu erteilen", sagte er und warf westlichen Medien "Heuchelei" und "Doppelmoral" vor.

Wie bei mehreren Gelegenheiten zuvor wies Infantino auf Verbesserungen für die Arbeiter hin. Menschenrechtsorganisationen kritisieren allerdings immer wieder, dass viele Reformen in Katar auf dem Papier zwar eingeführt, in der Praxis aber oftmals gar nicht oder unzureichend umgesetzt sind.