Bundeskartellamt

50+1-Regel Bundeskartellamt nimmt RB Leipzig und DFL in den Fokus

Stand: 03.06.2024 15:24 Uhr

Im Verfahren um 50+1 im deutschen Fußball hat das Bundeskartellamt nicht nur eine klare Ansage an die Deutsche Fußball Liga (DFL) adressiert, sondern auch erstmals an das Konstrukt RasenBallsport Leipzig. Mit der erneuten Bewertung steht die Regel - wieder einmal - auf der Kippe.

Für die erneute Überprüfung der 50+1-Regel hat das Bundeskartellamt gegenüber allen Verfahrensbeteiligten klargestellt, dass es die konsistente und systematische Anwendungspraxis der Regel untersuchen werde. Jetzt sind in einem Schreiben an alle Beteiligten, das der Sportschau vorliegt, die Details dieser Überprüfung konkretisiert worden.

Kartellamt nimmt generelle Kritik am Konstrukt RB Leipzig auf

Dabei rückt erstmals auch die Organisation der RasenBallsport Leipzig GmbH in den Fokus. Bei RB Leipzig stehe in Rede, "dass sie aufgrund einer für stimmberechtigte Neumitglieder nicht hinreichend offenen Ausgestaltung des Muttervereins RasenBallsport Leipzig e.V. die ausnahmebegründende Zielsetzung der 50+1-Regel nicht erfüllen könnte", heißt es in dem Schreiben der Wettbewerbshüter.

Damit nimmt das Kartellamt die generelle Kritik an Rasenballsport auf, die bereits im Lizenzierungsverfahren 2014 für die Bundesligen aufgekommen war. Denn bei RB gibt es nur etwas mehr als 20 stimmberechtigte Mitglieder, die zudem "Red Bull", dem Investor des Klubs, nahestehen. Wer Mitglied werden kann, bestimmt dort der Verein. Anders als bei den anderen Bundesligisten, wo jede und jeder mit einem entsprechenden Antrag automatisch Mitglied werden kann und damit auch über Mitbestimmungsrechte verfügt.

RasenBallsport Leipzig schreibt dazu auf eine Anfrage der Sportschau, dass der Klub die vorläufige Bewertung und das weitere Vorgehen im 50+1-Verfahren zur Kenntnis genommen habe. Weiter heißt es: "Der Club sieht dem weiteren Prozess positiv entgegen und steht jederzeit für einen Austausch mit der DFL und dem Bundeskartellamt zur Verfügung. Genau wie die DFL und alle anderen Clubs wünscht sich RB Leipzig unverändert Rechtssicherheit bei der 50+1-Regel."

50+1-Regel

Die 50+1-Regel besagt, dass die Mehrheit der Stimmanteile einer ausgegliederten Profiabteilung eines Vereins immer in den Händen des von Mitgliedern bestimmten Muttervereins liegen muss. Der Einfluss von Investoren wird somit begrenzt. Eine Ausnahmeregelung gilt für Bayer 04 Leverkusen und den VfL Wolfsburg. Begründet wurden diese Ausnahmen mit einer "ununterbrochen und erheblichen Förderung über mindestens 20 Jahre".

DFL bewertet Schreiben ebenfalls "positiv"

Aber auch die DFL wird seitens der Bundesbehörde in die Pflicht genommen. Denn im Schreiben des Kartellamts heißt es, dass bei der Überprüfung auch weitere Fallgestaltungen aus der Anwendungspraxis der DFL zählen könnten: "Insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung der von ausgegliederten Lizenznehmern gewählten Rechtsformen." Dazu werde die Beschlussabteilung den Dialog mit der DFL suchen.

Die Deutsche Fußball Liga hatte in einer am vergangenen Mittwoch (29.05.2024) veröffentlichten Pressemitteilung verlauten lassen, dass sie das Schreiben des Kartellamts als "positiv" einschätze.

Auf Nachfrage begründet die DFL ihre Einschätzung gegenüber der Sportschau damit, dass das Ziel der Rechtssicherheit der 50+1-Regel durch eine entsprechende abschließende Entscheidung des Bundeskartellamts weiter erreicht werden könne. Zu Details des Austauschs mit dem Bundeskartellamt im laufenden Verfahren werde man öffentlich keine Stellung nehmen.

Fall Hannover 96 ebenfalls in Überprüfung

Zu der Überprüfung dieser konsistenten Anwendung von 50+1 im deutschen Profi-Fußball gehört auch der Fall Hannover 96. Das geht ebenfalls aus dem Schreiben des Bundeskartellamts hervor. Konkret geht es um den gescheiterten Investoreneinstieg bei der DFL und das damalige Abstimmungsverhalten des Geschäftsführers der ausgegliederten 96-Profis, Martin Kind.

Er agiert gleichzeitig als Investor bei 96 und hält alle Kapitalanteile an den Profis. Der Vorstand des Muttervereins hatte Kind angewiesen, bei der Abstimmung über den Einstieg eines Investors bei der DFL mit "Nein" zu stimmen. Da die Abstimmung geheim erfolgte, und Kind sich dazu nicht weiter äußert, ist sein Abstimmungsverhalten bis heute ungeklärt.

Für die Behörde werfe dieser Vorgang die Frage auf, "ob die entsprechende Stimmabgabe durch den Geschäftsführer (…) trotz einer entgegenstehenden Weisung des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e.V. erfolgt ist".

Diese Frage betrifft auch die DFL, die damit in die Pflicht genommen wird, für die Einhaltung der Regel zu sorgen. Deshalb werde sie "der zuständigen 6. Beschlussabteilung die einheitliche, konsistente und diskriminierungsfreie Auslegung und Anwendung der Regel darstellen und erläutern – auch zu in den Medien diskutierten und dem Bundeskartellamt aus dem bisherigen Verfahren bekannten Sachverhalten", schreibt die DFL. Damit ist wohl das Abstimmungsverhalten von Martin Kind gemeint.

In diesem Zusammenhang hatte die DFL schon vor Wochen angemahnt, dass die Vereinbarkeit des Hannover-96-Vertrages mit der 50+1-Regel deutlich infrage gestellt sei. Dabei geht es konkret um das sogenannte Weisungsrecht des eingetragenen Vereins gegenüber Geschäftsführer Martin Kind.

Regel auf der Kippe?

Eigentlich schien bei der Neugestaltung der 50+1-Regel schon alles in trockenen Tüchern zu sein. Vor einem Jahr hatte das Kartellamt einen Kompromissvorschlag abgenickt, der einerseits die Regel sichern und andererseits die sogenannten Förderausnahmen beim VfL Wolfsburg und Bayer 04 Leverkusen unter Auflagen genehmigen sollte. Nur ein offizieller Beschluss fehlte, weil einer der Verfahrensbeteiligten einen Befangenheitsantrag einreichte.

Am Ende konnte dadurch der Beschluss nicht abschließend gefasst werden und das Verfahren wanderte beim Bundeskartellamt in eine andere Abteilung. Zudem hat auch noch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs das Verfahren beeinflusst, das auf die konsequente Anwendung der 50+1-Regel bei allen Klubs abzielt.

Auf der hauseigenen Webseite betont die Behörde, dass ausschließlich aus anerkennenswerten sozial-ethischen Gründen wie der Vereinsprägung eine Ausnahme vom Kartellrecht für eine solche Regel in Anspruch genommen werden könne. Das Bundeskartellamt werde deshalb untersuchen, inwieweit die DFL diesem Maßstab in der Vergangenheit durchgängig gerecht geworden ist und sich nun näher mit der Lizenzierungspraxis der DFL auseinandersetzen.

Damit gerät die 50+1-Regel weiter unter Druck, deren Sicherung sich die Deutsche Fußball Liga laut eigener Aussage auf die Fahnen geschrieben hat.