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50+1-Regel unter Druck Bundeskartellamt prüft, Hannover 96 greift DFL an

Stand: 15.02.2024 19:14 Uhr

Das Bundeskartellamt will die 50+1-Regel nochmal überprüfen. Nachdem das Verfahren als fast schon abgeschlossen galt, könnte es durch die geheime Abstimmung zum DFL-Investoreneinstieg nun zu einer neuen Bewertung kommen. Hannover 96 übt derweil massive Kritik an der DFL.

Das Bundeskartellamt zeigt der DFL in Sachen 50+1-Regel die Gelbe Karte. Die Wettbewerbshüter haben in einem Schreiben an die Verfahrensbeteiligten, das der Sportschau vorliegt, angekündigt, "sich mit den jüngsten Entwicklungen hinsichtlich der Anwendung der 50+1-Regel durch die DFL vertraut zu machen und dann über das weitere Vorgehen zu beraten".

Die Beendigung des Verfahrens vor dem Bundeskartellamt galt zuletzt als Formsache nach dem im vergangenen Jahr gefundenen Kompromiss und den von der DFL angekündigten Auflagen für die sogenannten Werksklubs wie Bayer Leverkusen und den VfL Wolfsburg, bei denen 50+1 nicht gilt. Allerdings war auch dieser Kompromiss von einigen Klubs infrage gestellt worden.

Zweifel an der Einhaltung von 50+1

Doch diese Einschätzung gerät jetzt offenbar ins Wanken: Verbandsregeln müssten transparent, objektiv, präzise und nichtdiskriminierend gestaltet sein, schreibt das Bundeskartellamt auf Anfrage. Deshalb müsse sich das auch in ihrer praktischen Anwendung zeigen. Nicht zuletzt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Super League habe das erst kürzlich nochmals bestätigt. "Diese Handhabung kann Rückschlüsse darauf zulassen, ob die DFL die Ziele der Regel konsequent und konsistent verfolgt", so das Kartellamt weiter.

Doch genau daran gibt es massive Zweifel. Hintergrund ist der umstrittene Einstieg eines Investors bei der DFL. Dieser war im Dezember in einer geheimen Abstimmung mit den Stimmen von 24 Klubs befürwortet worden - exakt der nötigen Zweidrittelmehrheit. Dabei steht der Verdacht im Raum, dass die entscheidende Stimme von Martin Kind, dem Geschäftsführer und Investor von Zweitligist Hannover 96, kam, obwohl ihn der Mutterverein angewiesen hatte, gegen den Einstieg eines Investors zu stimmen.

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Hannover 96 greift DFL an

Kind hat sich bisher öffentlich nicht zu seinem Abstimmungsverhalten geäußert. Sollte er jedoch tatsächlich mit "Ja" gestimmt haben, wäre das ein eklatanter Verstoß gegen die 50+1-Regel. Diese soll sicherstellen, dass Muttervereine wie der Hannoversche Sportverein 1896 e.V. selbst dann die letzte Entscheidungsgewalt behalten, wenn der Profibereich in eine Kapitalgesellschaft wie die Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ausgegliedert wurde. In Hannover schwelt der Streit darüber schon seit Jahren.

Der Verein griff die DFL am Donnerstag massiv an. Diese gefährde "durch die bewusste Untätigkeit" den Bestand der 50+1-Regel im deutschen Fußball, hieß es in einer öffentlichen Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats von Hannover 96. "Die DFL-Verantwortlichen und die Mitglieder der DFL dürfen an der Ernsthaftigkeit einer konsequenten Anwendung der 50+1-Regel keine weiteren Zweifel aufkommen lassen und müssen jetzt unverzüglich beweisen, dass sie die 50+1-Regel einhalten und leben", hieß es in dem Schreiben weiter.

Auch die Interessengemeinschaft organisierter Fußballfans "Unsere Kurve e.V." übt massive Kritik an der DFL mit Blick auf den Umgang mit der 50+1-Regel. Zwar habe man die Einhaltung der Regel im Rahmen der Verhandlungen mit einem potenziellen Investor als eine der "roten Linien" bezeichnet. Bei der Beschlussfassung im Dezember aber habe die DFL Augen und Ohren verschlossen.

Nur so sei es möglich gewesen, dass durch die geheime Abstimmung unter den 36 Klubs der beiden Bundesligen ein offensichtlicher, aber schwer nachweisbarer 50+1-Verstoß habe zustande kommen können. "Dieses Glaubwürdigkeitsproblem macht nicht nur Fans wütend, sondern lässt auch das Kartellamt aufhorchen, inwiefern die nötige Einhaltung der Regel durch die DFL gewährleistet wird", schreibt "Unsere Kurve".

DFL äußert Verständnis für Kartellamt

Die DFL äußerte unterdessen auf Anfrage der Sportschau Verständnis dafür, dass das Bundeskartellamt die Anwendung der 50+1-Regel betrachte. Gerade in Anbetracht der laufenden Debatten rund um die potenzielle Vermarktungspartnerschaft.

"Wir hoffen, dass das Verfahren noch im Laufe dieser Spielzeit durch Verbindlicherklärung der eingereichten Verpflichtungszusagen entsprechend des Entscheidungsentwurfs vom 13. Juli 2023 abgeschlossen werden kann", schreibt die DFL weiter. "Für eine grundlegende Änderung dieser Beurteilung des Bundeskartellamts gibt es keine Anzeichen."

"Rote Linien überschritten"

Seit Beginn des Jahres protestieren die organisierten Fanszenen gegen den Einstieg eines Investors. Auch sie betonen den aus ihrer Sicht klaren Verstoß gegen die 50+1-Regel bei der DFL-Abstimmung. So gibt etwa die "Südkurve 1. FC Köln" in einem Statement zu verstehen, dass die DFL aus ihrer Sicht eine rote Linie überschritten habe: "Wir werden diese Grenzüberschreitung nicht akzeptieren." Die anhaltenden Fan-Proteste seien legitim, die Abstimmung über den Einstieg eines Investors nicht.

Deshalb fordern die Fans, die Abstimmung erneut und transparent durchzuführen. Auch einige Klubs haben zuletzt eine neue Abstimmung befürwortet. Dem hat die DFL bisher eine Absage erteilt. Auf Nachfrage der Sportschau, ob angesichts einer möglichen erneuten Prüfung eine neue, offene Abstimmung geplant sei, weicht die DFL aus. Stattdessen verweist man darauf, dass im Dezember auch auf ausdrückliche Nachfrage kein Klub Einwand gegen die vorgeschlagene Form der geheimen Abstimmung erhoben habe.