Claus Vogt

Fan-Proteste DFL-Investor - immer mehr Vereine für neue Abstimmung

Stand: 08.02.2024 17:45 Uhr

Claus Vogt, Präsident des VfB Stuttgart, hat eine Wiederholung der Abstimmung über den Einstieg eines Investors in der DFL gefordert. Andere Klubs zogen öffentlich nach, darunter die beiden Berliner.

"Unser Verständnis von Demokratie - auch im Fußball - sollte sein: Die Mehrheit entscheidet", schrieb Vogt am Mittwoch (07.02.2024) im Netzwerk X: "Kann aber nicht sichergestellt werden, dass ein demokratisch zustande gekommenes Abstimmungsergebnis korrekt ist, sollte man im Sinne der Demokratie und im Sinne unseres Fußballs miteinander diskutieren, ob eine erneute, transparente Abstimmung aller 36 Vereine in der DFL notwendig ist. Ich meine: ja, es ist notwendig!"

Der VfB Stuttgart hatte nach eigenen Angaben im Dezember für den Investoreneinstieg gestimmt. Vogt bezog sich auch auf die Fan-Proteste. "Dies wäre ein erster Schritt, der auch die Interessen der Fans ernst nimmt und die Situation in den Stadien beruhigen kann", schrieb er.

Union-Präsident Zingler: "Ohne sattelfeste Legitimation gibt es keine Akzeptanz"

Später am Mittwoch äußerte sich Dirk Zingler, Präsident des 1. FC Union Berlin, zum Thema. "Wir tun hier etwas, was es im deutschen Profifußball noch nie gegeben hat und was ihn verändern wird. Wenn wir damit Erfolg haben wollen, unabhängig von der Art und Weise möglicher Investitionen, darf es keinerlei Zweifel an der Rechtmäßigkeit der dafür notwendigen Abstimmungen geben", sagte Zingler in der Tageszeitung "Die Welt".

Er habe sich an die DFL gewandt und dabei darum gebeten, "dass das Präsidium das Modell, für das man sich letztlich entscheidet, noch einmal in einer Mitgliederversammlung der DFL offen und transparent zur Abstimmung stellt. Denn ohne sattelfeste Legitimation gibt es keine Akzeptanz."

Zingler kritisierte, dass alternative Finanzierungsmodelle aus seiner Sicht nicht ausreichend geprüft worden seien. Union hatte im Dezember 2023 nach eigenen Angaben mit "Nein" gestimmt, bei der Abstimmung im Mai 2023 stimmte Union demnach zu.

Dirk Zingler

Dirk Zingler

Hertha und KSC wünschen sich auch Transparenz

Hertha BSC schloss sich am Donnerstag öffentlich den Forderungen des Berliner Stadtrivalen an. "Seit der Abstimmung im Dezember gibt es ein ganz offensichtliches Bedürfnis nach Aussprache und Klärung, das sich nun auch deutlich in der Öffentlichkeit abzeichnet", sagte Geschäftsführer Thomas Herrich. In den vergangenen Tagen hätte sich bei mehreren Klubs der Wunsch gezeigt, erneut zu diskutieren und "sich mit dem Prozedere der Abstimmung in transparentem Rahmen" auseinanderzusetzen.

Und auch der Karlsruher SC befürwortet "ganz klar" eine neue Abstimmung. "Bei einer so wichtigen und langfristigen Entscheidung dürfen keine Zweifel aufkommen, ob die demokratische Meinungsbildung korrekt zustande gekommen ist", sagte Geschäftsführer Michael Becker. "Ganz wichtig ist, dass es ausgeschlossen sein muss, dass kein möglicher Verstoß gegen die wichtigste Grundregel des deutschen Fußballs, nämlich 50+1 vorliegt. Aus diesem Grund präferieren wir auch eine offene Abstimmung."

Mitteilung der DFL ohne Bezug auf Vorstöße der Funktionäre

Die DFL äußerte sich am Donnerstag in einer Mitteilung "zu den Diskussionen um eine strategische Vermarktungspartnerschaft". Sie kündigte darin an, den Dialog mit den Fans zu suchen, für die "keine Nachteile" beim Abschluss mit einem Investor entstünden. Auf die Vorstöße der Funktionäre, eine neue Abstimmung herbeizuführen, nimmt die DFL keinen Bezug.

In den vergangenen Wochen hatte es in zahlreichen Stadien der Bundesliga, der 2. Bundesliga und der 3. Liga Proteste von organisierten Fanszenen gegen den Investoreneinstieg gegeben. Beim Zweitligaspiel zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV am Samstag (03.02.2024) bestand sogar die Gefahr eines Abbruchs. In Anspielung auch diese Partie teilte die DFL mit: "Nicht im Sinne des Fußballs und des Fairplay ist es jedoch, wenn Protest zu Lasten der Mannschaften und des sportlichen Wettbewerbs geht und Spiele nicht regulär ausgetragen werden können. Das beeinträchtigt nicht zuletzt Millionen Fans."

Fans fürchten Aushebelung der 50+1-Regel

Neben dem allgemeinen Kritikpunkt der Kommerzialisierung und einer befürchteten Einflussnahme des Investors kritisieren Fans auch den Ablauf der Abstimmung am 11. Dezember 2023 in Frankfurt. Die notwendige Zweidrittelmehrheit kam mit der kleinstmöglichen Menge an Ja-Stimmen zusammen.

Mögliches "Ja" von Martin Kind sorgte für Kontroverse

Unter den 24 Stimmen der 36 DFL-Klubs für den Investoreneinstieg befand sich mutmaßlich auch die von Hannover 96. Geschäftsführer Martin Kind hätte in diesem Fall gegen die Weisung des Muttervereins Hannover 96 e.V. gehandelt, was Fanszenen als Aushebelung der 50+1-Regelung kritisieren. Kind legte bislang nicht offen, wie er abgestimmt hat. Zingler sagte: "Es darf kein möglicher Verstoß von 50+1 im Raum stehen - diesen Makel können wir uns nicht leisten."

Der Hannover 96 e.V. erneuerte am Mittwoch seine Forderung nach einer neuen Abstimmung. Aufgrund der Weisung solle die Stimme der Kapitalseite, also von Martin Kind, "von vorneherein" mit "Nein" gewertet werden.

Das Bündnis Fanszenen Deutschland hatte im Januar bereits "eine erneute Abstimmung unter völliger Transparenz und Einhaltung der 50+1-Regel" gefordert. Die DFL äußerte sich bislang noch nicht öffentlich zu den Protesten. Im Dezember bezeichnete der Ligaverband den Beschluss als "wirksam und rechtmäßig gefasst".

Nach Angaben der DFL sind mit den beiden Unternehmen CVC und Blackstone noch zwei potenzielle Investoren im Rennen. Die Gespräche befinden sich DFL-Geschäftsführer Marc Lenz zufolge in einer "kritischen" und "entscheidenden Phase". Es steht zudem noch eine Abstimmung über eine notwendige Satzungsänderung aus.

Osnabrück fordert Abschaffung von geheimen Abstimmungen

Michael Welling, Geschäftsführer des Zweitligisten VfL Osnabrück, kündigte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" einen Antrag bei der DFL an, um geheime Abstimmungen in der DFL abzuschaffen - mit Ausnahme der Wahl von Personen in Ämter.

"Nur so können wir auch formal garantieren, dass die Klubvertreter bei DFL-Abstimmungen den Vereins- und Mitgliederwillen umsetzen und gemäß der Idee von 50+1 agieren", sagte Welling. Die Abstimmung sei in Verbindung mit dem knappen Ergebnis "nicht hilfreich für die Akzeptanz gewesen".