Football-Trainer Bill Belichick von den New England Patriots
analyse

Pleitenserie der New England Patriots Bill Belichick - ein NFL-Denkmal im freien Fall

Stand: 09.10.2023 21:17 Uhr

Der Meistermacher der "Tom-Brady-Jahre" erlebt mit den New England Patriots in der US-Football-Profiliga NFL ein Desaster nach dem anderen. Steht Trainer Bill Belichick einem echten Neustart im Weg?

Seit fast 50 Jahren ist Bill Belichick jetzt Profi-Trainer im American Football, davon 23 als Chefcoach der New England Patriots. Aber es gibt Sachen, die auch der heute 71-Jährige noch nicht erlebt hat. Das 0:34 seiner Patriots am Sonntag (08.10.2023) gegen die New Orleans Saints war die höchste Heim-Niederlage, die ein Belichick-Team je kassiert hat. Schon zur Pause begleitete ein "Buh-Orkan" die Spieler in die Kabine.

Höher hatte Belichick nur einmal verloren: in der Woche zuvor beim 3:38 gegen die Dallas Cowboys. Die New England Patriots und ihr legendärer Trainer sind nur noch ein Schatten ihrer Dynastie mit sechs Super-Bowl-Gewinnen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Problem eins: Der Brady-Abschied

Der eine stattete seinem Ex-Team zum Saison-Auftakt einen Besuch ab: Tom Brady, mit 46 Jahren (endlich) seit dieser Saison Football-Rentner. Mit dem Abgang des Star-Quarterbacks Anfang 2020 brach DIE Konstante in der Patriots-Offensive weg. Natürlich musste es einmal so kommen. Aber nach so langer und erfolgreicher Zeit den Spielmacher aus dem Team zu entfernen, ist wie eine sportliche Herz-Transplantation. Es kann funktionieren, kann aber auch extrem schwierig werden.

2015er-MVP Cam Newton kam als erster Nachfolger - und war mit seiner lauforientierten Spielweise der falsche Quarterback-Typ. Danach sollte Rookie Mac Jones als First-Round-Pick in die Rolle wachsen. Aber nach einer ordentlichen Debüt-Saison 2021-22 ging es beständig bergab.

In seiner dritten Saison ist der 25-Jährige komplett verunsichert. In der noch jungen Spielzeit hat Jones den Ball öfter zum Gegner geworfen (sechs Interceptions) als zum eigenen Mann in die Endzone (fünf Touchdowns).

Problem zwei: Die Neuverpflichtungen

Aber auch auf anderen Positionen hat Belichick, der auch als Manager fungiert, in der "Nach-Brady-Ära" kein glückliches Händchen bewiesen. Von den gedrafteten oder als Free Agents verpflichteten Wide Receivern oder Running Backs hat keiner das Potenzial entwickeln können, sein Team zu tragen.

Als jüngste Neuverpflichtung konnte der vor der Saison mit viel Tamtam und für 33 Millionen Dollar für drei Jahre verpflichtete "JuJu" Smith-Schuster von Super-Bowl-Gewinner Kansas City Chiefs die Erwartungen nicht erfüllen.

Problem drei: Verletzungspech

Und dann kommt noch Verletzungspech dazu, vor allem in der Offensiv-Line, die eigentlich den Quarterback bei seinen Spielzügen schützen soll. Mit Linebacker Matthew Judon und Cornerback Christian Gonzalez fallen gleich zwei Stützen längerfristig aus.

Es sieht finster aus für ein Team, das in 18 Jahren zwischen 2001 und 2019 satte 17 Mal seine Division gewann, neun Mal in den Super Bowl einzog und ihn sechs Mal auch holte. Experten prophezeien den Patriots die schlechteste Saison seit Belichicks Amtsantritt im Jahr 2000, als das Team aus Foxborough südwestlich von Boston mit einer Bilanz von 5:11 aus der Saison ging.

Wohin geht der Weg?

Doch der Respekt vor Ikonen verbietet es im US-Sport, über eine Entlassung Belichicks auch nur nachzudenken. Belichick selbst sagt mittlerweile stoisch: "Wir fangen wieder von vorne an." Der nächste "Neustart" steht am Sonntag (15.10.2023, 22.05 Uhr) bei den Las Vegas Raiders an.

So oder so: Der Trainer wird die Saison mit den New England Patriots zu Ende bringen und muss dann selbst entscheiden. Erfindet er sich und das Team tatsächlich noch einmal neu? Geht er weiter auf Rekordjagd nach den meisten Siegen als Trainer? 17 würden ihm noch bis zu Legende Don Shula von den Miami Dolphins fehlen - also wahrscheinlich eher mehr als eine Saison.

Oder macht er den Weg frei für einen endgültigen und kompletten Neuanfang bei den Patriots?