
Spitzensport und Glaube Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye: "Die Menschen brauchen Hoffnung"
Yemisi Ogunleye gewann 2024 Olympia-Gold im Kugelstoßen und eroberte die Herzen vieler Sportfans. Jetzt wurde sie mit einem christlichen Medienpreis ausgezeichnet. Im SWR-Interview spricht sie über ihren Glauben, Tränen der Rührung und eine neue Berufsidee.
Am Ende der Preisverleihung gehörte ihr noch einmal die Bühne. Spontan hatte sich die 26-Jährige Yemisi Ogunleye entschieden, begleitet von Klavier und Saxofon, einen Gospelsong solo zu singen. Sie tat das voller Inbrust und mit ausdrucksstarker Stimme. Die 200 Ehrengäste waren begeistert. Standing Ovations für die Spitzensportlerin, die kurz zuvor mit dem Medienpreis "Goldener Kompass" ausgezeichnet worden war. Dieser Preis würdigt Persönlichkeiten und Projekte, die dazu beitragen, dass kirchliche Themen sowie der christliche Glaube authentisch, inspirierend und konstruktiv in Medien dargestellt werden.
Nach ihrem Gold-Triumph von Paris hatte die für die MTG Mannheim startende Sportlerin genau das getan. In vielen Interviews erzählte Ogunleye strahlend von ihrem christlichen Glauben und schmetterte Gospelsongs in die Mikrofone. Obwohl sie in den darauffolgenden Monaten zahlreiche Auszeichnungen bekommen hatte, war dieser christliche Medienpreis "eine große Ehre" für sie. Es sei ihr nicht bewusst gewesen, welche Reaktionen ihre Interviews bei den Olympischen Spielen ausgelöst hätten. "Ich bin davon total berührt", sagte sie nach der Preisverleihung im SWR-Interview.
SWR Sport: Für die meisten Menschen ist Glaube Privatsache. Warum gehen Sie so offen damit um?
Yemisi Ogunleye: Ich könnte nichts anderes erzählen. Meine Glaubensgeschichte ist nichts, das ich geheim halte. Es ist das, was ich bin. Es macht mich aus, der Glaube formt mich bis heute. Vielleicht kann meine Geschichte jemanden dazu bewegen, zu Gott zu beten oder den Schritt in eine Kirche zu wagen und dem Ganzen noch mal eine Chance zu geben. Dann hätte sich das schon gelohnt.
In Berührung mit dem christlichen Glauben kam Ogunleye als Jugendliche. Mit 16 war die Kugelstoßerin auf dem Weg in die Weltspitze, doch schwere Knieverletzungen warfen sie zurück. Sie musste mehrmals operiert werden. Durch die Verletzungspausen war sie fast ein Jahr raus aus dem Sport. Plötzlich hatte sie Zeit für andere Dinge. Also ging Ogunleye regelmäßig in ihre Kirchengemeinde, die Christ Gospel City-Church in Karlsruhe. Schon als kleines Kind war sie dort gewesen, aber vorrangig, weil sie ihre Mutter glücklich machen wollte.
Als Jugendliche tat sie es nun für sich. Sie nahm an Freizeiten teil, die Jugendleiterin der Gemeinde kümmerte sich liebevoll um sie. Ogunleye, damals ein eingeschüchtertes und zurückgezogenes Mädchen, wurde aufgefangen. Die kirchliche Jugendleiterin half ihr aus ihrem Schneckenhaus heraus. Yemisi entdeckte auch ihre Stimme neu. Die Chorleiterin der Gemeinde gab ihr privaten Gesangsunterricht. Die Schüchternheit der jungen Frau wandelte sich in Selbstvertrauen. Bis heute besucht Ogunleye regelmäßig die Veranstaltungen ihrer Kirchengemeinde. Damit liegt sie nicht im Trend.
SWR Sport: Den beiden großen Kirchen in Deutschland (katholische Kirche und evangelische Landeskirchen) laufen die Leute davon, die Mitgliederzahlen gehen drastisch zurück. Was läuft da falsch? Was sollten die Kirchen den Menschen anbieten?
Ogunleye: Ich denke, die Menschen brauchen Hoffnung. Die Leute brauchen die Wahrheit, kein Schauspiel. Sie wollen keine perfekten, sondern lebensbezogene Botschaften, mit denen sie sich identifizieren können. Mir liegt es am Herzen, die jüngere Generation zu erreichen. Und zwar dort, wo sie ist – zum Beispiel in den sozialen Medien. Glaube wird häufig mit einem strengen Gott verbunden, der mit dem Zeigefinger auf uns zeigt. Aber Kirche sollte nicht verurteilen, sondern offene Türen haben und jeden einladen. In der Bibel lesen wir von Jesus, der den Menschen nicht mit Vorurteilen begegnet ist, sondern mit Liebe. Genau das braucht unsere Gesellschaft, vor allem die junge Generation.
Welche Reaktionen haben Sie bekommen, nachdem Sie auf der großen Weltbühne über Ihren Glauben gesprochen haben?
Ogunleye: Ich habe sehr viele positive Reaktionen erhalten. Menschen haben mir Briefe oder über die sozialen Medien geschrieben. Ich saß immer wieder mit Tränen in meinen Augen vor meinem Handy, an meinem Laptop oder vor den Briefen und dachte: Wie unglaublich, was für eine Reichweite das gewonnen hat. Dass meine Geschichte so viele Menschen bewegt, berührt mich enorm.
Sie sind sportlich auf dem Olymp angekommen. Wie gehen Sie die kommenden Monate an?
Ogunleye: Auf das, was nach Olympischen Spielen kommt, kann man sich nicht vorbereiten. Ich muss mir immer wieder sagen: Du bist Athletin. Dein Ziel ist es, weiterhin sportliche Leistungen zu bringen. Darauf möchte ich meinen Fokus richten. Ich will mir aber nicht den Druck machen, dass ich irgendetwas anders machen muss, nur weil ich jetzt Olympiasiegerin bin. Ich will mir treu bleiben. Ich will mit meinem Trainerteam weiterhin an Zielen arbeiten. Es geht dabei nicht nur um Medaillen, sondern auch um persönliche Ziele wie die Weite, aber auch um die Persönlichkeitsentwicklung. Da gibt es noch so viele Prozente, die ich herausholen kann. Wo es letztlich endet, möchte ich nicht an Medaillen festmachen. Das habe ich noch nie gemacht, das werde ich jetzt auch nicht anfangen. Ich werde einfach weiter meinen Weg gehen. Ich werde versuchen, mich Tag für Tag zu steigern und jeden Tag das Beste aus mir rauszuholen. Es gibt für mich noch viel zu lernen.
Auch abseits vom Leistungssport gibt Ogunleye ihr Bestes. Sie hat ein Studium der Sonderpädagogik absolviert. Lange Zeit hatte sie damit geliebäugelt, später mit behinderten Menschen zu arbeiten. Ihre Mutter war in einem Behindertenwohnheim tätig und hatte ihre Tochter Yemisi oft mitgenommen. Sie habe die Behinderten als extrem liebevolle Menschen erlebt, die viel Zuwendung bräuchten, sagte Ogunleye vor vielen Monaten. Sie freue sich sehr auf diese Arbeit.
SWR Sport: Gibt es schon konkrete Pläne, wie es nach Ihrer sportlichen Karriere weitergehen könnte?
Ogunleye: Ich habe jetzt acht Jahre in meiner Kirchengemeinde Jugendarbeit gemacht. Jede Woche war ich mit Jugendlichen beschäftigt. Das ist sicherlich etwas, das mir am Herzen liegt. Ich möchte unterstützen, weitergeben, Talente fördern. Aber ich könnte mir auch was in Richtung Journalismus vorstellen. Durch die vielen Medienanfragen, die Arbeit mit der Kamera habe ich gemerkt, dass mir das auch sehr viel Spaß macht. Aber wo der Weg hingeht, weiß ich nicht. Aber ich weiß, wer den Weg führt. Das ist Gott, und darauf vertraue ich.