Judo-Weltmeisterin Anna-Maria Wagner aus Ravensburg bei der Siegerehrung in Abu Dhabi.

Kräftezehrender Konkurrenzkampf entschieden Judo-Weltmeisterin Anna-Maria Wagner: "Alles noch surreal"

Stand: 24.05.2024 15:40 Uhr

Judoka Anna-Maria Wagner hat ihren zweiten Weltmeistertitel gewonnen. Die Wochen und Monate vor der Medaille waren für die Ravensburgerin allerdings eine mentale Belastung.

"Es ist irgendwie immer noch ein bisschen surreal." So beschreibt Judo-Weltmeisterin Anna-Maria Wagner zwei Tage nach ihrem zweiten Weltmeistertitel ihre Stimmung. Wir erreichen die 28-Jährige im Urlaub mit ihrem Freund in Dubai. Nach sehr anstrengenden Wochen versucht sie ein paar Tage den Kopf auszuschalten und sich zu erholen.

Anna-Maria Wagner holt WM-Gold im Judo

Zweiter WM-Titel für Anna-Maria Wagner: "Ich bin einfach stark"

Die Weltmeisterschaft in Abu Dhabi sei für sie einfach ein Turnier auf ihrer Reise zu den Olympischen Spielen gewesen, erzählt Wagner. "Ich wollte einfach Kampf für Kampf machen." Der Finalkampf gegen die Italienerin Alice Bellandi hat ihr dann sogar Spaß gemacht, sie hatte von Anfang an ein gutes Gefühl und wusste: "Ich bin einfach stark. Ich kann ihre Angriffe voll abblocken, dass ich gar nicht in Gefahr komme. Und ich war einfach sehr dominant und konnte meine Linie ganz gut durchziehen." Und trotzdem: Dass sie bei der WM am Ende die Goldmedaille gewinnt und sich damit erneut Weltmeisterin in der Klasse bis 78 Kilogramm nennen darf, das zu realisieren, brauche wohl noch ein paar Tage.

Mentale Herausforderung im Kampf um das Olympia-Ticket

Die Wochen bis zur Weltmeisterschaft waren für die Judoka allerdings alles andere als leicht - vor allem mental. Es gibt in ihrer Klasse nur ein deutsches Ticket für die Olympischen Spiele in Paris. Monatelang musste sie sich immer wieder beweisen gegen die zweimalige Europameisterin Alina Böhm. Mit dem WM-Titel hat Wagner nun beste Chancen auf Paris, damit fällt viel Druck ab. "Ich glaube, es tut uns allen gut, dass wir jetzt erstmal frei haben." Denn dieser Kampf bis kurz vor Schluss ist "nicht gut", sagt Wagner, "für keinen der Sportler. Es war ein brutales halbes Jahr." Böhm, die für das Paris-Ticket ihrerseits wohl Gold benötigt hätte, verlor am Mittwoch bereits ihren zweiten Kampf.

Wagner: "Der Druck war höher als vor Tokio"

Schon im Vorfeld der Olympischen Spiele in Tokio 2021 durchlebte Wagner einen jahrelangen kräftezehrenden Wettstreit, damals mit Teamkollegin Luise Malzahn um das Ticket für Tokio. Der Druck jetzt vor den Spielen in Paris sei allerdings nochmal höher gewesen, weil der Konkurrenzkampf noch knapper war und es mehr Turniere gab: "Jedes Turnier heißt, sich nochmal mehr zu beweisen", so Wagner. Für sie war es nicht nur körperlich ein kraftraubender Prozess. Sie hätte sich gewünscht, dass der Nominierungsschluss früher ist, dass sich nicht aller Druck in diesem brutalen halben Jahr bündelt.

Depression nach den Olympischen Spielen in Tokio

In Tokio gewann sie die Bronze-Medaille, was danach aber kam, hat Spuren hinterlassen. Anna-Maria Wagner fühlte sich total erschöpft, bekam eine sogenannte "Post-Olympia-Depression" und dachte sogar an ein Karriereende als Leistungssportlerin.

"Dass ich aus dieser Phase wieder so rausgegangen bin, ist natürlich brutal und da bin ich auch sehr, sehr stolz auf mich", sagt Wagner rückblickend.

Großer Kalender hat geholfen, mit mentaler Belastung umzugehen

Neben dem Sportpsychologen hilft der Judoka ein großer Kalender, auf dem sie abhakt, wenn ein Tag geschafft ist. Für sie sei in solch belastenden Phasen außerdem wichtig, nicht zu weit nach vorne zu schauen, das Training abzuarbeiten und auch den Namen der Turniere, sei es EM oder WM, nicht zu viel Aufmerksamkeit zu geben. So sieht sie auch die Olympischen Spiele: "Es ist einfach nur ein Turnier. Ich habe die gleichen Gegner, es sind die gleichen Kampfrichter. Es sind die gleichen Minuten. Ich werde versuchen, diesem Namen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, sondern einfach mein Ding durchzuziehen. Kampf für Kampf, wie überall, wo ich hinfahre."