Trainer Sebastian Hoeneß vom VfB Stuttgart

Fußball | Meinung Der Bessermacher: Trainer Sebastian Hoeneß der entscheidender Faktor beim VfB Stuttgart

Stand: 02.10.2023 08:04 Uhr

Der Höhenflug des VfB Stuttgart hat viele Gesichter, etwa Serhou Guirassy, Chris Führich, Enzo Millot oder Alexander Nübel. Doch der entscheidende Faktor für den Erfolg ist Trainer Sebastian Hoeneß, findet SWR-Sportredakteur Johann Schicklinski.

Nach sechs Spielen ist der VfB Stuttgart sensationell Tabellenzweiter der Fußball-Bundesliga. 15 Punkte, 19:7 Tore - so lautet die bärenstarke Bilanz.

YouTube-Video von SWR Sport Fußball : "Undav macht den Guirassy und sichert dem VfB Platz 2 in Köln - DEIN VfB #83 | SWR Sport"

Gesichter dieses Höhenflugs gibt es viele: Serhou Guirassy führt mit zehn Treffern die Torschützenliste an, Chris Führich hat bereits sechs Scorer-Punkte auf seinem Konto, Atakan Karazor ist der Chef im defensiven Mittelfeld, Enzo Millots Leichtigkeit verzückt auch neutrale Beobachter, der neue Keeper Alexander Nübel strahlt eine Sicherheit aus, die es bei den Schwaben zuletzt unter Gregor Kobel in der Spielzeit 2020/2021 gegeben hatte. Sie alle und noch viele Spieler mehr haben ihren Anteil an der Erfolgssträhne der Brustringträger, doch der entscheidende Mann ist für mich jemand anders: nämlich Trainer Sebastian Hoeneß.

Beeindruckende Zahlen für Sebastian Hoeneß

Das lässt sich alleine schon an Zahlen festmachen. Seit Hoeneß am 3. April beim VfB Stuttgart das Traineramt übernahm, holten die Schwaben in 14 Bundesligaspielen 28 Punkte, also exakt zwei Zähler pro Partie. In der "Hoeneß-Tabelle" ist der VfB damit Vierter. Nur Leipzig, Dortmund und der FC Bayern waren seitdem besser. Dazu kommen im DFB-Pokal und in der Relegation vier Siege in fünf Spielen, inklusive der Rettung vor dem Abstieg.

YouTube-Video von SWR Sport Fußball : "3:1-Sieg in Hamburg! VfB Stuttgart bleibt erstklassig – DEIN VfB #75 | SWR Sport"

Mittlerweile hat der 41-Jährige also fast eine komplette Halbserie hinter sich, deshalb besitzen die Zahlen durchaus Aussagekraft. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der VfB im Sommer mit Kapitän Wataru Endo, Konstantinos Mavropanos und Borna Sosa drei Leistungsträger verloren hatte.

Absolute Fehleinschätzung mit Bruno Labbadia

Diese Leistung ist aus meiner Sicht nicht hoch genug zu bewerten. Erst recht, wenn man sich die Ausgangssituation, die Hoeneß bei seinem Antritt vorfand, vor Augen hält: Stuttgart hatte 20 Punkte nach 26 Spielen auf dem Konto, war Tabellenletzter, es herrschte komplette Verunsicherung bei den Spielern und eine bleierne Schwere über dem ganzen Klub. Der erst in der WM-Pause verpflichtete Coach Bruno Labbadia, der den Verein nach Willen der Bosse als "Feuerwehrmann alter Schule" hätte retten sollen, war krachend gescheitert. Falscher hätten Alexander Wehrle, Claus Vogt und Co. nicht liegen können. Hoeneß war ihre letzte Patrone - und sie zündete.

Mit mutigem Spiel die Liga aufmischen

Hoeneß strahlte bei seinem "Himmelfahrtskommando" vom ersten Tag an Energie, Selbstbewusstsein und, am wichtigsten, Glaube aus. Glaube an den Erfolg seiner Mission - und an seine Mannschaft. Er lamentierte nicht, suchte nicht vorab nach Gründen, möglichen Misserfolg zu erklären, sondern ging von Tag eins an voran. Das kam an bei der Mannschaft, die wieder anfing, an sich selbst zu glauben. Deren Brust wieder breiter wurde und die sich auch auf dem Platz etwas zutraute. Und dieses Selbstbewusstsein nahm das Team mit in die neue Spielzeit, wo es mit mutigem Spiel die Liga aufmischt.

Hoeneß ist ein Bessermacher

Hoeneß passte Taktik und Personal rasch an - was bis heute Früchte trägt. Mit Dreier- statt Viererkette korrigierte Hoeneß Labbadias Taktik - was viel besser zum Team und den Spielern passt.

Und Hoeneß steht für Entwicklung. Kollektiv, denn die zahlreichen hochtalentierten Einzelspieler wurden zu einer Mannschaft, gewannen so die Fans zurück und immer öfter auch die Spiele. Und individuell: Waldemar Anton etwa, der unter Labbadia auf der ungeliebten und ungewohnten rechten Außenbahn ran musste, ist in der Abwehrzentrale als unaufgeregter, aber effektiver Chef unentbehrlich. Karazor ordnet das Spiel auf der Sechs und erstickt gegnerische Angriffe oft bereits im Keim. Dazu stärkte Hoeneß Millot, der vom Ex-Trainer mehrfach - auch öffentlich - angegangen worden war. Mittlerweile sprüht der 20-Jährige vor Spielfreude und wird als kreativer Freigeist immer wichtiger für den VfB Stuttgart. Die Liste ließe sich noch deutlich erweitern, das Fazit lautet: Hoeneß ist ein Bessermacher.

Glücksfall folgt auf Fehlgriff

Wenn ich die letzten zwei Spiele von Labbadia (0:1 gegen Wolfsburg, 0:3 bei Union Berlin) mit dem aktuellen VfB vergleiche, scheinen das zwei verschiedene Mannschaften zu sein. Dabei ist das Personal zum Großteil noch das gleiche. Deshalb ist für mich Hoeneß der entscheidende Faktor.

Rückblickend lässt sich sagen, dass Hoeneß die taumelnden Schwaben wieder zum Leben erweckt hat. Seine Verpflichtung war ein absoluter Glücksfall für den VfB Stuttgart. Dass sie direkt auf den – man muss es so deutlich sagen - absoluten Fehlgriff Labbadia folgte, verleiht der Personalie zusätzliche Ironie.

Wo der Lauf die Schwaben im Verlauf der weiteren Saison noch hinführen wird, ist schwer zu prognostizieren. Was man sagen kann - und da lehne ich mich aus dem Fenster - ist, dass der Traditionsklub eine sorgenfreie Spielzeit spielen und seinen Fans viel Freude bereiten wird. Dank Hoeneß - dem Erfolgsfaktor des VfB Stuttgart.