Amputierten-Fußballerin Nicola Roos spielt mit der Herrenmannschaft des 1.FSV Mainz 05 Fußball

Europameisterschaft im Amputierten-Fußball Aufgeben war nie eine Option: Nicola Roos als einzige Frau in der deutschen Nationalmannschaft

Stand: 27.05.2024 08:22 Uhr

Dribbeln, Passen, Tore schießen - das geht für Nicola Roos nur mit links. Durch eine Krebserkrankung im Kniegelenk verlor die 18-Jährige ihr rechtes Bein, nicht aber die Liebe zum Fußball.

Sie ist die einzige Frau auf dem Fußballplatz in Essenheim. Um mit ihren Vereinskollegen des 1. FSV Mainz 05 zu trainieren, muss Nicola Roos einige Strapazen auf sich nehmen: Zweieinhalb Stunden mit Bus, Bahn und Auto braucht sie von ihrem Heimatort Spessart bei Ettlingen bis zum Trainingsgelände in Essenheim. Für viele Vereinsmitglieder unvorstellbar, aber für die 18-Jährige Normalität. Um Fußball spielen zu können, ist ihr kein Weg zu weit.

Amputierten-Fußballerin Nicola Roos - als einzige Deutsche zur EM

Als einzige deutsche Frau zur Europameisterschaft nach Frankreich

Es sind lange Autofahrten, die sich gelohnt haben. Gemeinsam mit vier weiteren Amputierten-Fußballern des FSV Mainz 05 wurde sie für die Nationalmannschaft der Männer nominiert. Als einzige Frau fährt sie zu den Europameisterschaften im französischen Evian (1. bis 9. Juni). "Es ist für mich eine Ehre, als Mädchen bei der Männer-Nationalmannschaft mitzuspielen", sagt Nicola im Gespräch mit SWR Sport.

Das sportliche Ziel: sich in der Vorrunde durchsetzen. Und die Herzensangelegenheit: Nicola und ihre Mannschaftskollegen wollen den Amputierten-Fußball sichtbarer machen. "Natürlich wollen wir in erster Linie sportlich gut abschneiden, aber wir wollen auch ein Zeichen in der Gesellschaft setzen: 'Hey, uns Fußballer mit Handicap gibt es auch'", betont Christian Heintz, Geschäftsführer der Fußball Amputierten Liga und ebenfalls Nationalspieler.

So läuft die EM der Amputierten-Fußballer

Im Auftaktspiel (1. Juni) wartet mit Gegner Schottland der gleiche Auftaktgegner wie für die DFB-Elf bei der Heim-EM. Weitere deutsche Gruppengegner bei der EM der Amputierten-Fußballer sind Griechenland (3. Juni) und EM-Favorit Polen (4. Juni). Gespielt wird in vier Gruppen mit je vier Teams. Die besten zwei Mannschaften pro Gruppe ziehen ins Viertelfinale ein.

Fußball als Teil der Therapie für Amputierten-Fußballerin Nicola Roos

Die Option nicht mehr Fußball zu spielen, gab es für Nicola nie. Selbst nach ihrer erschütternden Diagnose, Knochenkrebs im rechten Kniegelenk, war ihr klar, dass sie wieder auf dem Platz stehen wird. "Auch vor der Amputation wusste ich, dass ich wieder Fußball spielen will. Ich wusste nicht, dass es die Option Amputierten-Fußball gibt, aber ich wusste, dass ich wieder spielen will. Dass es jetzt so gekommen ist, ist umso schöner."

Der Fußball gibt ihr Halt und Zuversicht. "Ich bin einfach ein sehr lebensfroher Mensch", beschreibt sie sich. "Ich kann nichts mehr ändern. Ich lebe so weiter, so gut es geht. Und da hat mir der Fußball sehr geholfen."

Spielen auf hohem Niveau – Nicola beweist sich im Team

Die Schülerin kämpft sich nach der Amputation zurück und wird sportlich immer besser. Diese Entwicklung bewundert auch ihr Mainzer Trainer Jürgen Menger: "Wie sie sich bewegt, wie sie am Spiel teilnimmt, wie lernfähig sie ist - eine ganz tolle Entwicklung. Und ich freue mich, wie sie den Sprung zu den Männern und zu den Europameisterschaften geschafft hat. Das hat sie sich verdient."

Einen Sonderstatus will Nicola nicht. Sie hat schon früher mit Jungs im Team gespielt. Der Unterschied zu ihrem ehemaligen Verein, der TSV Reichenbach? Das Alter! "Die Männer, mit denen ich heute spiele, sind deutlich älter als die, mit denen ich früher zusammen gespielt habe. Deswegen dachte ich am Anfang, dass es ein krasser Unterschied sein wird."

Amputierten - Fußballerin Nicola Roos steht ihrem Mainzer Trainer auf dem Fußballplatz

Der Mainzer Trainer Jürgen Menger sieht in Nicola Roos eine Inspiration für den Fußball

Nicola Roos träumt von einer Amputierten-Fußballmannschaft der Frauen

Für den Mainzer Trainer Menger ist Nicola mehr als nur ein Fußballtalent: "Sie ist ein Vorbild für alle amputierten Mädels, die vielleicht den Sprung zu uns als Amputierten-Fußballerinnen finden." Auch Nicola hofft, bei der Europameisterschaft auf den Sport aufmerksam zu machen. "Mein Wunsch ist, dass mehr Frauen dem Sport beitreten." Sie möchte eine Nationalmannschaft der Frauen gründen, um bei den Weltmeisterschaften in Kolumbien teilzunehmen. Dafür gibt es nämlich noch zu wenig Amputierten-Fußballerinnen in Deutschland.

Sendung am So., 26.5.2024 19:45 Uhr, SWR Aktuell Rheinland-Pfalz, SWR RP