Interview | Lausitzer bei "Invictus Games" "Man ist froh über jeden einzelnen, der überlebt hat und es bis dorthin geschafft hat"

Stand: 19.09.2023 16:32 Uhr

Die "Invictus Games" mit mehr als 500 Teilnehmern aus aller Welt sind so etwas wie die Olympischen Spiele für kriegsversehrte Soldaten. Der Lausitzer Maik Mutschke ist mit einer Silbermedaille zurückgekommen - und mit neuer Motivation, wie er im Interview sagt.

Maik Mutschke aus Spremberg (Spree-Neiße) war für die Bundeswehr in Afghanistan im Einatz und verlor dabei fast sein Leben. Mühsam kämpft er sich zurück, bleibt Soldat und treibt Sport. Nun ist der 37-Jährige bei den "Invictus Games" in Düsseldorf angetreten - und war erfolgreich.
 
Das Event wurde 2014 auf Initiative von Prinz Harry ins Leben gerufen und fand nun erstmals in Deutschland statt.

rbb|24: Herr Mutschke, eine Silbermedaille im Kugelstoßen ist das Fazit Ihrer Teilnahme bei den "Invictus Games". Wie stolz macht Sie das?

Maik Mutschke: Das macht mich megastolz. Es war nicht das Ziel gewesen, mit einer Medaille zurückzukommen. Aber für diese ganze Arbeit, die man über die Jahre geleistet hat, bei den "Invictus Games" zu starten und dann noch als Dank dafür die Silbermedaille zu kriegen, ist das Größte, was man haben kann. Die Konkurrenz war hart, weil die Athleten gefühlt zwei Köpfe größer waren. Die hatten Schultermuskeln wie Oberschenkel. Das war einfach Wahnsinn.

Das deutsche Team auf der Bühne der Invictus Games 2023 (Foto: dpa/Imageplotter/Avalon)

Das deutsche Team auf der Bühne der Invictus Games 2023

Sie sind in sechs Sportarten angetreten, zum Beispiel Kugelstoßen, Diskuswurf und Sprints. Wo haben Sie sich am wohlsten, am fittesten gefühlt?

Das war beim Kugelstoßen und beim Radfahren. Es hat halt gepasst. In der Leichtathletik habe ich bei meiner Konkurrenz gesehen, dass sie alle im Schnitt gefühlt irgendwo bei 70 Kilo, maximal 80 Kilo waren. Wenn man dann wie ich 110 Kilo wiegt, ist das schon ein Unterschied. Wenn man sieht, dass es diese Leichtathletenkörper sind, sieht man seine Chancen schon sinken.

Die "Invictus Games" waren ein internationales Treffen von verwundeten Militärangehörigen. War das nicht auch etwas deprimierend?

Deprimierend ist da eigentlich nichts. Man ist eher froh über jeden einzelnen, der dort steht, der überlebt hat und es auch bis dorthin geschafft hat, überhaupt erst mal aufrecht hinzukommen. Und daher ist es der Wahnsinn.
 
Ich sage mal: Auf der Wiese oder dem Sportplatz, auch auf der Matte, da ist die Außenpolitik völlig egal. Das ist Sport, da geht es um Sport. Da freut sich jeder über jeden. Man begrüßt sich vor dem Wettkampf oder beglückwünscht sich nach dem Wettkampf. Diese Invictus-Familie ist wie eine riesige Sportfamilie.

Auf der Wiese, dem Sportplatz, auch auf der Matte ist die Außenpolitik völlig egal. Das geht es um Sport. Da freut sich jeder über jeden.

Am Rande der Wettkämpfe haben Sie sicher auch mit anderen Teilnehmern gesprochen, über deren Geschichte. Gibt es etwas, das Sie besonders bewegt hat?

Genau während der Spiele war der Jahrestag von 9/11 (Anm. d. Red.: Gemeint sind die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA). Und man merkt, wenn man durch diese Runden guckt, dass eigentlich alle Athleten, die vor Ort waren, oder alle Geschädigten irgendwo aus dieser Zeitspanne kommen und zu dieser Zeit mehr oder weniger in die Auslandseinsätze gesandt worden sind.
 
In Gesprächen abends oder zwischen den Wettkämpfen hat man auch gehört, dass der eine oder andere - bei uns waren es zum Beispiel Amerikaner - zu meiner Gefechtszeit einfach ein Stück weiter verschoben versucht haben, uns zu unterstützen. Man trifft den einen oder anderen Athleten, von dem man das sonst so nie wusste.

Meine Gefechtszeit war der 2. April 2010, dieses berühmte Karfreitagsgefecht. Und zu diesem Zeitpunkt waren - ich sage mal Beispiel südlich von uns - Amerikaner eingesetzt gewesen, die zum gleichen Zeitpunkt auch gekämpft hatten. Von denen war jetzt bei den Spielen einer dabei, der auch verwundet war.

Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht solche speziellen Sportwettkämpfe wie in diesem Fall für Kriegsversehrte?

Es ist ein Weg für die Eingliederung beziehungsweise die Rehabilitation. Wenn man wirklich in einem Loch ist, schafft es Sport irgendwie immer wieder, einen zu motivieren, hochzubringen. Wenn man körperlich geschädigt ist, kann man sagen: Okay, ich habe Angst und kriege über den Sport wieder so ein bisschen Wind, dass doch vieles mehr geht, als man selbst erwartet hatte. Da ist der Sport schon etwas Wichtiges.
 
Selbst bei posttraumatischen Sachen, bei denen man keinen Eigenantrieb mehr hat, kann man sich darüber wieder hochziehen. Dieses Miteinander, diese Gesellschaft, die man wieder füreinander entwickelt, ist megawichtig.

Das heißt, die Teilnahme hat auch etwas mit Ihnen gemacht?

Ja, klar. Man hat wieder ein weiteres Weltbild. Es motiviert. Man sieht, dass man trotz Einschränkungen immer noch etwas schaffen kann, wie zum Beispiel in meinem Fall die Medaille zu holen - was man sich so wahrscheinlich nie erträumt hätte, dass es überhaupt klappt.

Werden nach Ihrer Einschätzung diese "Invictus Games" in der Öffentlichkeit angemessen gewürdigt?

Ja. Es war wirklich alles vertreten - von der obersten Politik bis zur obersten Militärführung. Es waren zivile Leute als Besucher dort gewesen, so dass man wirklich wieder ein Stück in die Gesellschaft reinkommt. Schulklassen waren auch da gewesen.

Prinz Harry, seine Frau Meghan und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nehmen an der Abschlussfeier der 6. Invictus Games teil (Foto: dpa/Vennenbernd)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Prinz Harry, Herzog von Sussex, und seine Frau Meghan, Herzogin von Sussex bei der Abschlussfeier der Invictus Games

Sie selbst haben viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben, haben zum Beispiel einen ganzen Morgen lang auf Antenne Brandenburg vom rbb ihre Geschichte erzählt. Was treibt sie dabei an?

Es sind Themen, über die man sprechen muss, damit die Öffentlichkeit ein bisschen aufgeklärt wird, was das Militär eigentlich noch so alles macht und was auch passieren kann. [Es geht darum,] dass man nicht immer nur das Bild hat, dass die Jungs ins Ausland gehen, bei Katastrophen, Hochwasser, Erdrutsch und was auch immer helfen. Und dass man, wenn man ins Ausland geht, auch verwundet zurückkommen kann, körperlich wie seelisch, und man trotzdem noch irgendwo ein Teil der Gesellschaft ist oder zumindest auch in der Mitte der Gesellschaft steht.
 
Wir sind auch alles nur Menschen, die ein Herz haben, die auch irgendwo eine Familie haben und ein normales Leben, die aber für die Sicherheit in die Auslandseinsätze gehen oder geschickt werden, damit jeder früh aufstehen kann, bequem zum Bäcker gehen kann oder, oder, oder.

Invictus Games-Teilnehmer Maik Mutschke (Bild: rbb)
Er wäre in Afghanistan fast gestorben, nun träumt er von einer Medaille

Maik Mutschke hat für die Bundeswehr in Afghanistan alles riskiert - und dabei fast sein Leben verloren. Mühsam kämpft er sich zurück, bleibt Soldat und treibt Sport. Nun tritt er bei den Invictus Games in Düsseldorf an. Von R. Herkner und F. Ludwigmehr

Wie geht es jetzt für Sie sportlich weiter?

Ich mache jetzt ein bisschen Regeneration und will dann versuchen, weiter am Training zu arbeiten, so dass man sich vielleicht doch noch verbessert, ein bisschen an den Stellschrauben dreht.
 
Ich denke, ich werde mich mehr auf Diskus und Kugelstoßen fokussieren, eventuell auch auf das Fahrradfahren. Für die Leichtathletik, für das Sprinten, bin ich mittlerweile wahrscheinlich schon zu alt. Da fehlt mir einfach die Grundkondition.
 
Die nächsten "Invictus Games" werden 2025 in Kanada starten. Ich würde schon gern dabei sein. Aber da muss man halt schauen, ob das passt, ob man nominiert wird - und dann wird man sehen, wo die Reise hingeht.

Herr Mutschke, vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Martin Schneider für Antenne Brandenburg. Der Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung.

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.09.2023, 15:10 Uhr