
2. Fußball-Bundesliga Wie Hertha BSC den Abgang von Maza taktisch wie personell auffangen kann
Der Abgang von Ibrahim Maza ist für Hertha BSC sowohl Geldsegen als auch ein riesiger sportlicher Verlust. Wie will der Hauptstadtverein das kompensieren? Und braucht es überhaupt einen direkten Ersatz? Von Marc Schwitzky
Zwölf Millionen Euro. So viel Geld soll der anstehende Verkauf von Ibrahim Maza Hertha BSC laut Medienberichten einbringen. Eine beinahe schon astronomische Summe für einen Zweitligisten – und Platz fünf auf der Liste der Berliner Rekord-Verkäufe.
Zeitgleich kommt jene Summe ja nur zustande, weil der Hauptstadtklub mit dem Eigengewächs einen absoluten Leistungsträger und Ausnahmespieler der 2. Fußball-Bundesliga aus den Händen geben muss. "Er ist ein unfassbar guter Junge mit sehr viel Talent, der jetzt seinen nächsten Schritt geht und den wir noch auf den großen Fußball-Bühnen sehen werden", schwärmt Fabian Reese von seinem Noch-Mitspieler, der sich Bundesliga-Topteam Bayer Leverkusen anschließen wird.
So wandelt Hertha zwischen zwei Gefühlswelten: Einerseits ist der warme Geldregen überlebenswichtig für den Verein, andererseits ist der Verlust von Maza ein herber sportlicher Schlag für die kommende Saison.

Hertha kann kaum etwas von den Maza-Millionen reinvestieren
Eben auch, weil die Blau-Weißen die eingenommenen zwölf Millionen Euro nicht auf direktem Wege wieder ausgeben können. Der klamme Zweitligist wird auch kommenden Sommer ein saftiges Transferplus erzielen müssen, um in erster Linie die laufenden Kosten zu decken. Zwar wird jener Überschuss wohl nicht so groß ausfallen müssen wie im vergangenen Jahr, doch groß genug, um von den Maza-Millionen kaum etwas im Tagesgeschäft zu spüren.
Vielmehr sichert die hohe Ablösesumme Hertha finanziell ab. Die Verantwortlichen werden einen Großteil des angepeilten Transferüberschusses bereits in der Tasche haben und sich so den Luxus leisten können, bei etwaigen anderen Abgangskandidaten wie Fabian Reese oder Michael Cuisance seelenruhig zu pokern. Eine Situation, in der sich der Verein schon länger nicht mehr befand.
Ein Ex-Unioner als Maza-Ersatz?
Die finanzielle Situation des Vereins könnte zur Folge haben, dass Hertha gar nicht versuchen wird, Maza durch einen externen Neuzugang zu ersetzen. Spielwitz, Technik, starkes Dribbling, Mut, Torgefahr – der 19-Jährige verkörpert ein Paket an Fähigkeiten, das Spieler äußerst teuer werden lässt. Hertha wird es sich kaum leisten können, einen nahezu deckungsgleichen Spielertypen zu verpflichten – zumal diese rar gesät sind. Es droht ein Kreativloch.
Eine brauchbare Lösung, die trotzdem ins Auge sticht, ist Berkan Taz. Der 26-Jährige spielt bei Drittligist SC Verl und dort die Saison seines Lebens - in 34 Ligaspielen gelangen dem Spielmacher 25 direkte Torbeteiligungen. Taz hat zwar keinerlei Zweitliga-Erfahrung, bräuchte womöglich dennoch kaum Eingewöhnungszeit, denn er ist gebürtiger Berliner. In der Jugend spielte Taz für die Reinickendorfer Füchse, Hertha 03 Zehlendorf und Hertha-Rivale Union Berlin.

Berkan Taz bejubelt ein Tor. (Foto: IMAGO / pmk)
Taz verfügt über ein sehr ähnliches Profil wie Maza. Er zeichnet sich durch seine starke Technik, Übersicht und Torgefahr aus. Der 1,77 Meter große Mittelfeldspieler hat ein exzellentes Gefühl für Räume und seine Mitspieler, durch sein gewisses Etwas löst er Situationen immer wieder überraschend für sein Team auf. Dazu kommen seinen herausragenden Standards, durch die er viele Tore vorbereitet.
Er könnte im Sommer den perfekten Zeitpunkt für den nächsten Schritt in seiner Karriere und die Rückkehr in seine Heimat anpeilen. Zwar verlängerte Taz seinen Vertrag in Verl erst im vergangenen März um ein weiteres Jahr, allerdings wird vermutet, dass die Unterschrift nur einen ablösefreien Wechsel im Sommer verhindern sollte. Ein Wechsel ist definitiv nicht vom Tisch.
Fängt Hertha den Maza-Abgang intern auf?
Sollte Hertha nicht an solch einen Spieler kommen, ist es durchaus denkbar, dass der Verein den Maza-Abgang intern kompensieren wird. Trainer Stefan Leitl stehen gleich mehrere Optionen zur Verfügung. Die erste dürfte Michael Cuisance sein. Der Franzose ist mit 13 direkten Torbeteiligungen der Top-Neuzugang der laufenden Saison – doch gerade deshalb begehrt. Medienberichten zufolge buhlen die Young Boys Bern, ein Topteam aus der Schweiz, um den Kreativspieler. Es ist nicht auszuschließen, dass Cuisance Hertha nach nur einem Jahr wieder verlassen wird.
Kevin Sessa ist eine weitere Möglichkeit. Der Neuzugang hat aufgrund von mehreren Verletzungen eine enttäuschende erste Saison bei Hertha hinter sich, fand nie in einen guten Rhythmus und konnte so kaum gute Leistungen zeigen. Der 24-Jährige verfügt allerdings zweifelsohne über Potenzial, ist ein guter Fußballer mit spielerischem Instinkt. Zudem könnte es dem flexibel einsetzbaren Kicker guttun, eine feste Position einzunehmen und sich so festzuspielen. So wird die zweite Spielzeit in Berlin für ihn eine äußerst entscheidende.

Auch Jon Dagur Thorsteinsson darf sich Chancen ausrechnen. Der Isländer erlebt ebenfalls eine schwache erste Saison im blau-weißen Trikot, enttäuschte auf dem offensiven Flügel. Unter Leitl kam er in den letzten Partien allerdings im Zentrum zum Einsatz, zeigte bessere Leistungen und konnte seine erste Torbeteiligung verzeichnen. Womöglich liegt seine Zukunft also auf der Zehnerposition. Palko Dardai hat indes nur noch Außenseiterchancen, er konnte sich auch unter Leitl nicht durchsetzen und könnte den Verein im Sommer verlassen.
Was will Stefan Leitl?
Doch braucht es den direkten Ersatz für Maza eigentlich? Die taktische Vergangenheit von Trainer Leitl legt nahe, dass er auch andere Lösungen findet. Der 47-Jährige zeichnete sich auf seinen verschiedenen Stationen durch hohe Flexibilität aus, er passt sich den Stärken und Schwächen seines Kaders an.
Sowohl beim FC Ingolstadt als auch bei Hannover 96 ließ er oftmals ohne klaren Spielmacher im zentralen Mittelfeld spielen. Zu seinen Fürther Zeiten agierte Leitl zwar mit einem kreativen Zentrumsspieler hinter zwei Mittelstürmern, aber eben weil er mit Branimir Hrgota einen passenden Unterschiedsspieler in seinen Reihen hatte. Gibt der Kader – so wie noch aktuell mit Maza – solch eine Option her, nutzt Leitl diese, doch er besteht nicht auf solch einen Spielertypen.

Hertha-Trainer Stefan Leitl (l.) schult derzeit Marten Winkler vom Rechtsaußen zum Linksverteidiger um. (Foto: IMAGO / Jan Huebner)
Viel auffälliger ist, dass Leitl offensiv agierende Außenverteidiger sehr wichtig sind. Sowohl in seinen Dreier- als auch Viererkettensystemen legte er einen starken Fokus auf jene Flügelpositionen. Die Schienenspieler sollen immer wieder offensiv die Tiefe belaufen und Stürmer in Szene setzen. Die zentralen Mittelfeldspieler sind oftmals nur fleißige Zuarbeiter, aber nicht die Hauptattraktion. So entwickelten sich unter Leitl vor allem Außenbahnspieler wie David Raum, Jamie Leweling oder Derrick Köhn zu Bundesliga- und sogar Nationalspielern.
Es ist also denkbar, dass Leitl bei Hertha auch in der kommenden Saison an dem nun bewehrten 3-4-1-2-System festhalten, den spielerischen Fokus nach dem Maza-Abgang aber verstärkt auf die Außenbahnen legen wird. Sowohl hier als auch Sturmzentrum, wo Hertha einen großen Aderlass verzeichnen wird, ist mit Neuverpflichtungen zu rechnen. So wird Maza nicht eins zu eins, aber im Kollektiv kompensiert.
Sendung: Der Tag, 29.04.2025, 18 Uhr