Axel Bornemann, sportlicher Leiter des VfL Potsdam (Foto: IMAGO / Eibner)

Axel Bornemann, sportlicher Leiter des VfL Potsdam Axel Bornemann, sportlicher Leiter des VfL Potsdam, nach dem ersten Saisonsieg: "Wir haben endlich gespürt, wie sich Siege anfühlen"

Stand: 07.03.2025 18:09 Uhr

20 Spieltage hat es gebraucht, ehe der Aufsteiger VfL Potsdam sein erstes Spiel in der Handball- Bundesliga gewinnen konnte. Im Interview erzählt der sportliche Leiter des Klubs von Champagner im Kofferraum und den Chancen auf den Klassenerhalt.

rbb|24: Herr Bornemann, im 20. Anlauf ist es dem VfL Potsdam gelungen, endlich den historischen ersten Sieg in der Handball-Bundesliga zu holen. Was waren Ihre Gefühle nach dem Heimerfolg gegen den TVB Stuttgart?
 
Axel Bornemann: Erleichterung, dass es endlich geklappt hat. Demut, weil wir acht Monate hart dafür arbeiten mussten. Aber wir haben auch den Geschmack auf mehr bekommen. Wir haben endlich gespürt, wie sich Siege anfühlen. Das waren wir aus Dritt- und Zweitligazeiten ja gewohnt, aber in der stärksten Liga der Welt muss man für die Punkte noch viel härter arbeiten.

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Wie sah der Abend nach dem Spiel aus? Wurde der Sieg ausgiebig gefeiert?
 
Ein Sponsor hatte im Vorfeld schon mehrmals angekündigt, dass er für den Falle des Sieges drei Flaschen Champagner im Auto habe. Ich dachte immer, er erzählt Geschichten, aber er hatte sie tatsächlich dabei. Das war stark! Die Jungs sind mittlerweile alle echte Vollprofis, aber haben natürlich eine kleine Kabinenfeier gehabt. Wir haben es mit den Fans, Sponsoren und Förderern einfach genossen. Das muss man auch tun und sich nicht zu schnell in die nächste Aufgabe hineindenken. Gestern waren wir einfach mal im Moment.

Ist der erste Sieg Ihrer Einschätzung nach ein Zeichen einer Entwicklung der Mannschaft? Hat man in den letzten Wochen womöglich gespürt, dass sich die Spieler trotz der anhaltenden Niederlagen immer mehr an das Niveau der Liga gewöhnen?
 
Ja, die Adaption war zuletzt zu sehen. Wir hätten bereits gegen Lemgo (21:22) mindestens einen, eher sogar zwei Punkte mitnehmen können. Da gab es noch ein paar unglückliche Momente, die zeigen, wie eng es in dieser Liga zugeht und das bei aller Arbeit auch Glück eine Rolle spielt. Da haben wir noch gesehen, wie erleichtert Lemgo nach dem Sieg war. Wir hatten in Magdeburg (15:25) eine herausragende Abwehr- und Torhüterleistung, haben nur 25 Gegentore kassiert – andere Erstligisten gewinnen dort mit dieser Anzahl. Dadurch, dass wir eine so junge Mannschaft haben, gibt es noch zu viele Ausschläge nach oben und unten – wir müssen noch konstanter werden. So sind wir nach einer guten Vorbereitung im Januar miserabel reingestartet, die Niederlage (19:36) bei den Füchsen hatte uns alle Stecker gezogen. Da fragte man sich schon, was man fünf Wochen lang gemacht hatte.

Gab es in diesen Momenten grundlegende Zweifel innerhalb der Mannschaft?
 
Den gab es schon früher, im November nach dem Spiel gegen Wetzlar (18:26). Da hatten wir gehofft, auf Augenhöhe zu sein, aber das wurde zum ersten Knackpunkt der Saison. Da haben sich die Spieler die Qualität abgesprochen, das ist gerade bei jungen Menschen sehr gefährlich. Wir wollen uns natürlich den Spiegel vorhalten und unsere Grenzen lernen, aber wenn es zur Realität wird, wird es hart. Die Spieler hatten sich mit harter Kritik selbst gegeißelt, da musste man aufpassen, dass es nicht in die falsche Richtung geht.

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Sie hatten im Dezember erzählt, dass Sie bereits nachgeschaut hatten, dass es bereits ein Team gibt, das mit null Punkten abgestiegen ist, sie also nicht einzigen gewesen wären. Ist man dennoch erleichtert, sich diesen traurigen Rekord nicht teilen zu müssen?
 
Wir sind Sportler, wir lieben Statistiken. Wir wollen wissen, wie schnell ein Spieler läuft und wirft. Und wir natürlich auch die Rekorde wissen – positiv wie negativ. Aber das war für uns in der Zeit kein Thema. Es wäre auch egal gewesen, mit null Punkten abzusteigen – wenn wir alles investiert hätten. Die Entwicklung der Spieler ist für uns entscheidend. Sonst hätte es auch nicht so viele Erstliga-Angebote für unsere Spieler gegeben. Wir wollen ein Sprungbrett für die Jungs bieten – da waren wir trotz null Punkten auf dem richtigen Weg.

Viele Ihrer Talente, die sich nun bewiesen haben, werden weiterziehen – beispielsweise Josip Simic zur HSG Wetzlar. Sind das Entscheidungen, die auch getroffen wurden, weil man bereits mit dem Abstieg fest gerechnet hatte? Oder wäre das sowieso passiert?
 
Wir wollen das nicht verhindern, sondern sogar fördern. Wir haben in unserer Kooperation mit den Füchsen Berlin eine klare Entwicklungspyramide, die bereits in der U15-Mannschaft ansetzt. Wir haben unter unseren Profis bereits 120 Talente in den Jugendteams. Dann kommt die zweite Mannschaft der Füchse, dann wir und dann die Füchse-Profis. Wir wollen alle Klassen anbieten, weil sich die Spieler nur im Wettkampf weiterentwickeln. Sie brauchen die Spiele. Deshalb hatten wir es letztes Jahr auch dem Verband angeboten, deutsche Talente bei uns für Spielzeit systematisch zwischenzuparken. Da sind die Vereine aber noch sehr vorsichtig, weil zunächst jeder an sich selbst denkt. Das Angebot wurde also nicht genutzt. Das ist für uns aber der beste Weg. Wir wollen nicht am Ergebnis des Teams festhalten, sondern die Entwicklung des Spielers ist entscheidend. Dafür wollen wir den besten Weg bereiten, auch wenn dieser von uns wegführt.

Daraus ist zu entnehmen, dass der VfL Potsdam seinen Erfolg grundsätzlich daran misst, wie viele Talente er im Profi-Handball etablieren kann. Gibt es eigene Vereinsziele darüber hinaus? Denn man will ja auch eine eigene Identität haben.
 
Wir haben natürlich eine Identität und wollen so hoch wie möglich spielen. Das gewährleistet, dass wir die jungen Talente bestmöglich entwickeln können. Natürlich haben wir auch Vereinsziele: Der Klassenerhalt ist dieses Jahr unser klares Ziel! Wir wollen jedes Spiel gewinnen, das ist unsere DNA. Dieser Geist hat auch dazu geführt, dass die Jungs trotz 19 Niederlagen am Stück nicht aufgegeben haben.

Potsdam spielt nach der Länderspielpause mit der SG BBM Bietigheim und dem HC Erlangen gegen zwei direkte Konkurrenten im Abstiegskampf. Sie trennen derzeit sechs Punkte von einem Nicht-Abstiegsplatz. Mit welchem Ziel gehen Sie in die kommenden Wochen? Glauben Sie, dass der VfL Potsdam nach dem ersten Sieg nun sogar reelle Chancen auf den Klassenerhalt hat?
 
Jeder Sportler will am liebsten gewinnen. Wir sind gut beraten, von Spiel zu Spiel zu denken. Es sind die alten Floskeln, da schmeiße ich auch gerne fünf Euro ins Phrasenschwein (lacht). Aber so ist es tatsächlich. Natürlich waren die Spieler gestern euphorisiert und wollen sehen, wie die Tabelle in zwei bis drei Wochen aussieht. Das Schöne ist erst einmal, dass der Klassenerhalt überhaupt möglich ist und die Spieler sehen, dass sie in der ersten Liga bestehen können. Wir haben letzte Saison in Bietigheim gewonnen, das letzte Spiel in Potsdam knapp verloren. Wir wissen also, wie wir das Spiel angehen wollen. Wir werden komplett auf Sieg spielen. Erst danach sollten wir über Erlangen nachdenken. Es sind noch genügend Spiele. Am Ende wird abgerechnet.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch wurde geführt von Marc Schwitzky.

Sendung: DER TAG, 07.03.2025, 18 Uhr