
Fußball | Bundesliga "An einem Punkt, wo wir anhalten müssen" – RB Leipzig vor der großen Kurskorrektur
RB Leipzig vergibt gegen Stuttgart auch die letzte Chance auf den Einzug in den Europapokal. "Ich muss ehrlich sagen, dass wir einfach nicht mehr verdient haben", sagt Trainer Zsolt Löw. Nun steht die große Kurskorrektur an.
Mit seinem Schlusspfiff wenige Sekunden vor 17:25 Uhr besiegelte Schiedsrichter Daniel Siebert am vergangenen Samstag dann auch offiziell, dass RB Leipzig zum ersten Mal überhaupt in seiner mittlerweile auch schon achtjährigen Bundesliga-Zugehörigkeit die Qualifikation für den europäischen Wettbewerb verpasst. Nie zuvor holte eine RB-Mannschaft weniger Punkte (51), nie zuvor schoss sie weniger Tore (53), nie zuvor gelangen weniger Siege (13).
RB lässt Vorlage aus Mainz liegen
Die ambitionierten Messestädter, dem eigenen Selbstverständnis nach mindestens ein Königsklassenaspirant, beendeten die Saison durch die trotz zweimaliger Führung verdiente 2:3-Heimniederlage gegen Pokalfinalist VfB Stuttgart daher nur auf Platz sieben – nicht nur hinter Rekordmeister Bayern München, Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund, sondern auch hinter dem SC Freiburg auf Rang fünf und dem 1. FSV Mainz 05 auf Rang sechs.
Jenen Mainzern, die sich zeitgleich daheim mit einem unglücklich 2:2 gegen Vizemeister Leverkusen zufriedengeben mussten, weil der VAR im Verlauf der Partie gleich drei FSV-Tore wieder einkassierte, hätte RB noch die Conference League abspenstig machen können – jedoch nur mit einem Heimsieg über Stuttgart. "Es ist extrem bitter", meinte Torhüter Peter Gulasci nachher in den Stadionkatakomben: "Wir wussten, dass wir die Hilfe von Leverkusen brauchen. Die haben ihre Aufgabe gemacht und wir nicht. Wir sind enttäuscht – nicht nur über heute, sondern über die ganze Saison."
Kein Conference-League-Finale 2026 "daheeme"
Zuletzt klammerten sich die Protagonisten vom Cottaweg, Fans und hiesige Gazetten noch an den letzten Strohhalm, der in der neuen Saison nicht nur durchaus charmante Reisen über den Kontinent ermöglicht hätte, sondern auch die lohnende Aussicht auf ein "Finale daheeme" – denn das Endspiel der Conference League steigt Ende Mai 2026 in den eigenen vier Wänden der RB-Arena.

Yussuf Poulsen vergrub das Gesicht in den Händen und wurde von Amadou Haidara getröstet, Peer Gulacsi blickte nachdenklich.
Doch so stand der vor Saisonbeginn noch ungeahnte sportliche Supergau über allem an diesem Nachmittag des 17. Mai 2025. "Wir haben noch nie so eine Off-Saison gehabt wie jetzt", gestand Routinier Gulacsi nach seinem mittlerweile 339. Pflichtspiel für den Klub. "Wir waren immer da oben drauf, mit viel Qualität, mit viel Potenzial, aber in dieser Saison sind wir als Mannschaft, als Kollektiv gescheitert."
Deutliche Worte von Gulacsi und Löw
An Gulacsi, der seinen Kasten in den 30 persönlichen Einsätzen der Saison gleich 14 Mal sauber hielt und damit so oft wie keiner seiner Ligakonkurrenten, lag es nicht. Aber der 35-Jährige unterstrich selbstkritisch: "Die Konstanz, die wir gezeigt haben, ist nicht besser als Platz sieben. Wir haben die Qualität nur ab und zu gezeigt, aber man muss es über die ganze Saison zeigen." Interimstrainer Zsolt Löw betonte: "Ich muss ehrlich sagen, dass wir einfach nicht mehr verdient haben."

RB-Trainer Zsolt Löw und Keeper Peter Gulacsi legten den Finger nach dem Stuttgart-Spiel in die Wunde.
Gulacsis ungarischer Landsmann Löw – aus Jürgen Klopps Büro heraus beordert, einst bereits Co-Trainer am Cottaweg, jedoch bis dato noch nie in Verantwortung – bekam nach dem Rauswurf des gebürtigen Leipzigers Marco Rose am letzten Märzwochenende den Auftrag, die Saison zu retten – vergeblich. Im Pokal-Halbfinale war in Stuttgart Endstation. Es folgten die zwei Liga-Hoffnungsschimmer bei biederen Wolfsburgern (3:2) und bis zuletzt um den Klassenerhalt ringende Hoffenheimer (3:1). Die anschließenden letzten fünf Bundesligapartien sollten jedoch allesamt ohne Sieg bleiben – der Reihe nach platzten so die Hoffnungen auf die Champions League, die Europa League und zu guter Letzt auch auf die Conference League. Insgesamt holte RB unter Löw in sieben Ligaspielen lediglich neun Punkte, ein Schnitt von 1,29.

Zsolt Löw sprang ein, als er gebraucht wurde, doch auch der Ungar konnte RB Leipzig nicht in den Europapokal und zum Pokalsieg führen.
Löw hat "alles versucht"
"Wir haben viel probiert, aber leider oft mit leeren Händen dagestanden. Wir haben alles versucht, sehr viel investiert, aber sicherlich nicht alles richtig gemacht. Wenn wir alles richtig gemacht hätten, dann hätten wir einen anderen Punktestand", blickte der einstige Cottbuser Bundesligaprofi Löw nun resigniert zurück. Zunächst ließ die wankelmütige, viel zu selten als Einheit auftretende, immer wieder von Verletzungen geplagte Mannschaft den schon frühzeitig vom weiterhin allmächtigen Aufsichtsratschef und Red-Bull-CEO Oliver Mintzlaff öffentlich gepiesackten Marco Rose im Stich – und nachher auch dessen Kurzzeit-Nachfolger Löw.
Die Worte des scheidenden Löw nach der finalen Enttäuschung vor heimischer Kulisse gegen Stuttgart sprachen Bände: "Die Mannschaft muss eine Mannschaft werden. Momentan sind wir nicht so weit, dass jeder mannschaftsdienlich denkt. Das muss sich ändern."
Viel zu tun für RB-Sportchef Schäfer
Auf den seit knapp einem Jahr im Amt weilenden RB-Sportchef Marcel Schäfer warten also große Aufgaben – bei der Trainersuche, bei der Kaderplanung und dabei nicht zuletzt auch in der Moderation und Zusammenarbeit mit Mintzlaff, dem wortmächtigen Verantwortungsträger aus Fuschl am See, sowie dem Münchner Büro des "Head of Global Soccer" von Jürgen Klopp und Mario Gomez.

RB-Sportchef Marcel Schäfer, hier an der Seite von Ex-Trainer Marco Rose, hat große Aufgaben in diesem Sommer.
Schäfer selbst hat den Umbruch im Kader längst angekündigt. Ob die in den vergangenen Monaten auf dem Rasen auch wiederholt abgetauchten offensiven Hoffnungsträger wie Xavi Simons, der gegen Stuttgart noch mal seine überragenden Qualitäten aufblitzen ließ, Benjamin Sesko oder Lois Openda angesichts ausbleibender europäischer Anlässe weiter dazugehören, darf zumindest bezweifelt werden.
"Wir müssen daraus lernen"
Doch wohl noch viel mehr als um einzelne Personalien geht es auch um den grundlegenden Ansatz des Leipziger Klubs, der durch den Red-Bull-Einstieg bei den traditionsreichen Erstliga-Aufsteigern Leeds United und Paris FC aus England bzw. Frankreich zumindest nicht mehr die komplett unangefochtene Aufmerksamkeit als Aushängeschild im Fußball-Imperium des österreichischen Getränke- und Sportentertainmentkonzerns genießt.

Was wird aus dem ambitionierten RB-Offensivtrio aus Benjamin Sesko, Xavi Simons und Lois Openda (v.li.n.re.)?
"Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir anhalten und schauen müssen, was wir richtig und was wir falsch gemacht haben. Wir müssen daraus lernen", forderte der frühere Ralf-Rangnick-Schüler Zsolt Löw und führte weiter aus: "Wir müssen als Verein eine klare Richtung vorgeben – was die Philosophie betrifft, was die Herangehensweise betrifft, daran muss sich jeder Spieler orientieren und festhalten. Das wird unsere Aufgabe für die Zukunft."
Hoffnung auf den Neustart
Löw selbst wird aller Voraussicht nach ab Sommer wieder zum Stab von Jürgen Klopp gehören und meinte trotz aller Herausforderungen mit Blick auf RB Leipzig: "Es wird ein guter Trainer mit einem guten Trainerteam kommen, der eine klare Idee und eine klare Führungsqualität haben wird. Und dann müssen wir dafür sorgen, dass der neue Trainer den richtigen Kader hat."

Was haben Jürgen Klopp und Oliver Mintzlaff in petto, um RB Leipzig wieder in die Spur zu bringen?
Auch Peter Gulacsi hinterließ in seinen letzten Worten vor den dringend benötigten freien Wochen Zuversicht: "Wir können einen Neustart machen und uns voll auf Bundesliga und Pokal konzentrieren. Wen wir das gut hinkriegen, werden wir sehr stark aus der Sommerpause zurückkommen."
mhe