Sercan Sararer jubelt über ein Tor.

Offensivspieler von Hessen Kassel im Interview Sercan Sararer im Interview: "Darüber machen sich die Jungs manchmal lustig"

Stand: 23.03.2024 09:32 Uhr

Ex-Bundesligaprofi Sercan Sararer spielt mittlerweile über ein Jahr für den KSV Hessen Kassel. Im Interview spricht er über wütende Fans und die Unterschiede zur Bundesliga. Außerdem verrät er, womit ihn seine Mitspieler manchmal ärgern.

Zwei Tore, zwei gelbe Karten, sprich Gelb-Rot. Das erste Spiel des KSV Hessen Kassel nach der Winterpause gegen Eintracht Frankfurt II hat gezeigt: Sercan Sararer ist in der Regionalliga Südwest einer der aufällligsten Spieler. Der hr-sport hat mit ihm gesprochen.

hessenschau.de: Herr Sararer, Sie sind jetzt seit über einem Jahr bei Hessen Kassel. Wie zufrieden sind Sie bis jetzt?

Sercan Sararer: Naja, als ich gekommen bin, haben wir schon gegen den Abstieg gekämpft und sind gerade so in der Liga geblieben. Und auch dieses Jahr könnte es besser laufen. Trotzdem: Seit dem Rückrundenstart bin ich zufrieden. Jetzt wollen wir weiter Punkte holen und unten herauskommen.

hessenschau.de: Sie hatten vor der Unterschrift in Kassel überlegt, Ihre Karriere zu beenden, weil Sie in den höheren Ligen nur noch Einjahresverträge angeboten bekommen haben. Sind Sie trotzdem froh, weitergemacht zu haben?

Sararer: Auf jeden Fall. Es wäre eine voreilige Entscheidung gewesen, aufzuhören. Ich habe gemerkt, dass ich noch Spaß am Kicken habe. Und genügend Power. Das sieht man auch auf dem Platz: Ich bin immer noch sehr engagiert und ehrgeizig.

hessenschau.de: Sie haben am Anfang etwas gebraucht, um sich an die Platzverhältnisse in Kassel zu gewöhnen, sich direkt im ersten Training verletzt. Und Sie mussten sich an die vierte Liga anpassen. Was sind die größten Unterschiede zu den höheren Ligen?

Sararer: Die Platzverhältnisse sind schwierig. Deshalb hatte ich mich auch direkt verletzt. Und sportlich spürt man schon einen großen Unterschied – technisch und vor allem taktisch. Viele Mannschaften spielen vogelwild. Deshalb versuche ich immer den Jungs einzuprägen: Wenn du eine gewisse Grundordnung hast, wenn keiner seine Position verlässt, wenn jeder seine Aufgaben erfüllt, hast du einen Riesen-Vorteil. Wenn man da die Räume erkennt, kann man manche Situationen leicht ausspielen.

hessenschau.de: Sie haben in Ihrer Karriere schon in vollen Bundesliga-Stadien gespielt, zwölf Länderspiele für die Türkei gemacht. Wie groß ist der Kontrast jetzt in Kassel vor knapp 3.000 Zuschauern zu spielen?

Sararer: Darüber machen sich die Jungs manchmal lustig: 'Serci, bist du nervös, bist du nervös?' (lacht) Es ist schon etwas anderes. Natürlich ist es schöner, vor mehr Publikum zu spielen. Aber ich mache mir darüber keinen Kopf. Wenn das Spiel losgeht, bin ich sowieso voll fokussiert auf mich, auf das Spiel, auf meine Mannschaft.

hessenschau.de: Aber freut man sich nicht manchmal sogar über ein bisschen mehr Ruhe, vor allem die türkischen Fans sind ja berüchtigt für ihre Lautstärke?

Sararer: Das kommt darauf an. Wenn du Erfolg hast, dann ist es umso geiler, die Fans tragen dich auf Händen. Aber wenn es schlecht läuft, wenn du vier, fünf Spiele am Stück verlierst, dann wird es sehr unruhig. Zurecht. Aber das ist hier in Kassel auch so. Nur sind halt weniger Leute angepisst als in einem vollen Stadion. Das ist natürlich entspannter (lacht).  

hessenschau.de: Trotzdem ist Ihre Mannschaft diese Saison sehr inkonstant. Woran liegt das?

Sararer: Das ist schwierig zu sagen. Wir hatten in einigen Spielen einfach Pech. Trotzdem müssen wir uns ankreiden lassen, dass wir den Gegnern zu viele Elfmeter geschenkt haben. Das hat sich aber auch schon gebessert. Und in der Defensive war oft ein bisschen Harakiri, da haben wir nicht kompakt genug verteidigt. Aber daran haben wir in den letzten Monaten sehr hart gearbeitet. Und das sieht man, wir sind viel stabiler geworden.

hessenschau.de: Ein entspannter Mittelfeldplatz war eigentlich das Ziel für die Saison, jetzt stehen Sie mit Ihrer Mannschaft zwar auf dem 10. Platz, allerdings nur einen Punkt vor dem Tabellen-14., der absteigen könnte. Vor neun Spielen wurde dann auch der Trainer gewechselt. Wie groß ist der Druck momentan?

Sararer: Noch geht‘s. Es war gut, dass wir aus den letzten drei Spielen fünf Punkte geholt haben. Das hat den Druck etwas verringert. Auch bei den Verantwortlichen und den Fans. Denn da steht eben schon viel auf dem Spiel, was die Arbeitsplätze betrifft. Das darf man nicht vergessen. Damit muss man umgehen können. Wir versuchen alles, um so schnell wie möglich unten rauszukommen.

hessenschau.de: Für Sie persönlich läuft es sowieso sehr gut, Sie sind mit neun Treffern der Toptorschütze Ihrer Mannschaft. Gar nicht schlecht für einen 34-Jährigen, oder?

Sararer: Ich fühl' mich gut, ich fühl' mich jung (lacht). Ich habe noch viel Qualität. Und ich bin keiner, der auf den Platz geht und ein bisschen ruhiger macht, nur weil ich Bundesliga gespielt habe. So bin ich nicht, ich will immer gewinnen. Das ist der Reiz für mich. Und deswegen schlage ich manchmal über die Stränge, weil ich durchdrehe oder jemanden anschreie. Aber das ist halt so. Das ist meine Art.

hessenschau.de: Und das spiegelt sich auch in Ihrer Kartenausbeute wider: Zu Beginn der Saison haben Sie sich eine Gelbsperre in Rekordzeit eingehandelt (fünf gelbe Karten in fünf Spielen). Im ersten Rückrundenspiel gegen Eintracht Frankfurt II haben Sie zwar zwei Tore geschossen, sind danach aber mit Gelb-Rot vom Platz geflogen.

Sararer: Die Schiedsrichter in der Regionalliga sind sehr schwierig. Die haben kein Gespür für Situationen. Hier werden direkt Karten gezogen. Da fühlt man sich manchmal etwas benachteiligt. Bei der Gelb-Roten Karte zum Rückrundenstart zum Beispiel: Ich habe zwei Fouls gemacht, wobei das eine eigentlich nicht mal was war. Aber vielleicht muss ich da auch einfach ein bisschen ruhiger werde, aber es ist halt schwierig. Egal, Augen zu und durch.

hessenschau.de: Unabhängig von den Schiedsrichtern: Gehen die Gegenspieler mit Ihnen als Ex-Bundesligaprofi anders um?

Sararer: Mir fällt schon auf, dass viele Gegenspieler versuchen, Fouls zu machen und robust reingehen, damit man nicht ins Spiel kommt. Aber das ist ja völlig normal. Diese Spielereien gehört dazu. Aber Trash Talk oder ähnliches gab's überhaupt nicht. Bisher sind sogar alle recht freundlich gewesen, haben im Spiel ein paar Fragen gestellt.

hessenschau.de: Sie haben noch bis 2026 einen Vertrag in Kassel, haben zum Einstand gesagt, dass Sie mit Kassel irgendwann nochmal eine Liga höher spielen wollen. Momentan sieht es aber nicht danach aus. Und Sie haben diese Saison immer wieder mit kleineren Verletzungen zu kämpfen. Wie lange wollen Sie denn noch spielen?

Sararer: Solange es geht! Ich spiele so lange, bis meiner Körper sagt, es reicht. Auch wenn es sportlich nicht so läuft. Wir hatten eben einen Umbruch, das dauert ein bisschen. Aber mein Ziel bleibt natürlich der Aufstieg.

Das Gespräch führte Bastian Gerling.