
Final Four und Meisterschafts-Endspiel Titel-Sehnsucht beflügelt die MT Melsungen
Die MT Melsungen macht im Handball-Hessenderby mit der HSG Wetzlar kurzen Prozess und setzt das nächste Ausrufezeichen im Meister-Rennen. Die Nordhessen reden offen von ihren Titel-Ambitionen, jetzt warten die entscheidenden Aufgaben.
Wer im Wikipedia-Eintrag der MT Melsungen zur Aufzählung der Erfolge scrollt, dem fallen zwei Dinge auf: Die Liste ist ganz schön lang, die dort aufgezählten Meilensteine des Vereins wären anderswo aber wohl keine größere Erwähnung wert. Neben dem Aufstieg in die 2. Liga 1992 werden auch zehnte, elfte oder 13. Plätze in der Bundesliga-Tabelle genannt, mehrere Teilnahmen am EHF-Pokal oder dem Pokal-Final-Four sind auch zu finden. Was es hingegen nicht gibt: Titelgewinne.
"Es gibt viele Menschen, die hier seit Jahrzehnten am Werk sind und viel Herzblut in diesen Verein gesteckt haben", sagte Timo Kastening nach dem 33:27-Erfolg im Bundesliga-Hessenderby gegen die HSG Wetzlar dem hr-sport. Eine Trophäe sei all diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Spielern und Verantwortlichen allerdings bislang verwehrt geblieben. "Es würde uns eine Menge bedeuten, das jetzt mit einem Titel zu krönen. Das wäre genial", so Kastening. Die Sehnsucht in Nordhessen ist groß, die Chancen auf eine Erfüllung aller Träume nicht viel kleiner.
MT in absoluter Titel-Form
Das Wichtigste dabei: Dass die Form aktuell absolut titelreif ist, demonstrierten die Bartenwetzer auch am Montagabend in der Nordhessen-Arena wieder einmal eindrucksvoll. Das Ergebnis fiel am Ende zwar weniger deutlich aus, als es die Melsunger Dominanz im ersten Durchgang vermuten ließ. Nach der 20:10-Halbzeitführung schaltete die MT jedoch auch zwei bis drei Gänge zurück und schonte Kräfte für die anstehenden Aufgaben. "Wir sind sehr, sehr gefestigt", betonte Kastening. "Wir haben einen klaren Plan. Dann kommt so etwas wie heute dabei heraus."
Die Melsunger haben aus der Verletzungsmisere inzwischen eine Tugend gemacht und trotzen weiter allen Widerständen. Im Tor wächst Adam Morawski, der Vertreter des montenegrinischen Zauberers Nebojsa Simic, regelmäßig über sich hinaus. Die beiden spanischen Ankurbler Ian Barrufet und Erik Balenciaga zeigten auch gegen Wetzlar ihre Extraklasse. Und wenn in der Schlussphase dann auch noch der 44 Jahre alte Carsten Lichtlein unter dem Jubel der Fans einen Ball hält und vorne der 25 Jahre jüngere Jonas Riecke seine ersten Bundesliga-Tore erzielt, ist klar: Die Titel-Träume beflügeln wirklich alle in diesem Club.
MT redet offen vom Titel
"Wir haben noch nie einen Titel gewonnen. Jetzt versuchen wir, Minimum einen Titel zu holen", gab passend dazu der reaktivierte Lichtlein die Maxime für die kommenden Tage aus. Briefköpfe gibt es heutzutage vermutlich nur noch sehr selten, zumindest die E-Mail-Signatur der MT Melsungen soll sich aber möglichst bald gravierend ändern.
Während andere Teams in anderen Sportarten sich gerne bis zum Schluss in Understatement üben und Kampfansagen vermeiden, fährt die MT einen anderen und sehr erfrischenden Kurs. Wir haben die große und vielleicht sogar historische Möglichkeit auf einen Pokal, jetzt wollen wir diese auch nutzen.
Erst Final Four, dann Meister-Endspiel
Die erste Chance dazu bietet sich der MT bereits am Wochenende beim EHF-Final-Four in Hamburg. Im Halbfinale wartet Liga-Konkurrent Flensburg. Im möglichen Endspiel käme es zum Duell mit dem THW Kiel oder dem französischen Topclub Montpellier. Große Namen, knackige Aufgaben, aber keineswegs eine Mission Impossible. "Wir fahren dahin und werden alles geben", so Kastening. "Wir haben ein großes Ziel vor Augen, das lässt einen noch einmal fünf Prozent fokussierter arbeiten." Klare Botschaft: Die MT ist bereit für den großen Wurf.
Eine große Titelfeier, das ist die Krux am erfolgreichen Tanzen auf mehreren Hochzeiten, müsste im Fall der Fälle allerdings ausfallen. Nach dem möglichen Titelgewinn ist nämlich vor dem möglichen Titelgewinn und dem absoluten Topspiel um die Meisterschaft. Am kommenden Donnerstag (29. Mai) tritt die MT beim punktgleichen Spitzenreiter Berliner Füchse an. Der Sieger geht einen Riesen-Schritt in Richtung Titel. "Das ist ein absolutes Topspiel", so Kastening. "Berlin ist klarer Favorit. Aber wir fahren natürlich dahin, um zu gewinnen." Alles andere würde auch nicht zum aktuellen Selbstverständnis dieser MT Melsungen passen.