Bauarbeiten am Gletscher in Sölden

BR24 Sport Neureuther kritisiert Bauarbeiten an Gletscher in Sölden

Stand: 25.09.2023 10:14 Uhr

Am Rettenbachgletscher in Sölden soll Ende Oktober der Ski-Alpin-Weltcup starten. Bauarbeiten sorgen nun für Unruhe. Auch ARD-Experte Felix Neureuther kritisiert die Maßnahme. Der Bergbahn-Betreiber wehrt sich mit deutlichen Worten.

Von Hannes Nebelung, Victor List

In knapp einem Monat soll im österreichischen Sölden der Weltcup im Ski alpin in die neue Saison starten. Doch ein Blick auf den Rettenbachgletscher lässt davon noch wenig erahnen. Nur mit viel Fantasie ist die Riesenslalom-Strecke am fast gänzlich schneefreien Hang zu erkennen, auf dem die Frauen am 28. Oktober hinunterfahren sollen. Stattdessen sind aktuell Bauarbeiten im Gletschergebiet zu beobachten.

Ein Umstand, der der Umwelt- und Naturschutzgruppe Greenpeace sauer aufstößt. "Seit April wird mit Baggern das Eis abgetragen, um die Abfahrtsstrecke zu optimieren", schrieb die Organisation in einer Mitteilung. Österreichs Alpenverein (ÖAV) teilte das Video am Gletscher ebenfalls. ARD-Ski-alpin-Experte Felix Neureuther bezeichnete die Bilder aus Sölden gegenüber BR24Sport als "Katastrophe für den Skisport vor allem für die Glaubwürdigkeit". Der Naturschutz- und Klimawandelexperte Tobias Hipp vom Deutschen Alpenverein (DAV) spricht im Interview mit BR24Sport von einem "extremen Eingriff in die Natur“.

Über das Thema "Bagger in Sölden – Zerstört der Skisport die letzten Gletscher?" sprechen Felix Neureuther und Host Philipp Nagel mit dem Allgauer Skirennfahrer Stefan Luitz und dem ehemaligen österreichischen Skifahrer Philipp Schörghofer in der ersten Folge der neuen Staffel ihres Podcasts "Pizza und Pommes", die am 27.9.2023 startet. "Pizza und Pommes" gibt es zu Hören in der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Bergbahn-Chef wehrt sich: "Missbrauch von Fakten"

Die Kritik erreichte auch die verantwortlichen Pisten-Betreiber und stieß dort auf wenig Verständnis. Greenpeace betreibe "nur noch böswillig" einen "Missbrauch der Fakten", entgegnete Jakob Falkner, Geschäftsführer der Bergbahnen Sölden, im Gespräch mit der österreichischen Nachrichtenagentur APA: "Wir sind nicht die Verursacher dieser Situation. Wir sind kleine Spieler. Die Natur macht mit uns, was sie will." Zudem würde kein Schnee, sondern lediglich Fels, der vom Schnee freigelegt wurde, abgetragen. Auch auf dem Videomaterial von Greenpeace sieht man deutlich Felsen, die für Bohrarbeiten präpariert wurden.

Die Sanierungsarbeiten, die seit April planmäßig laufen und bis zum Weltcup-Auftakt der Alpinen Ende Oktober abgeschlossen sein sollen, seien durch die zuständigen Behörden genehmigt worden, erklärte Falkner. Die Bezirkshauptmannschaft bestätigte dies der APA.

Ausnahmen beim Gletscherschutz in Tirol

Dabei unterstehen die Gletscher in Tirol eigentlich einem besonderen Schutz. "Dort gibt es einen absoluten Gletscherschutz, das heißt, es darf keine Erschließung stattfinden", erklärt Klimaschutz-Experte Hipp. Es gebe aber auch "Ausnahmezonen im Pitztal im Kaunertal, wo Gletscherbereiche aus politischen, aus wirtschaftlichen Gründen freigegeben wurden, trotz dieses Verbots."

Hipp richtet seine Kritik aber auch an den Ski-Weltverband FIS, der sich eigentlich mehr Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hatte. "Neue technische Erschließungen als Klimamaßnahme zu sehen, das sehen wir ganz klar anders", wird Hipp deutlich.

Die aktuellen Maßnahmen am Rettenbacher Gletscher hält Hipp für "Eingriffe, die vielleicht auf eine kurze Investition, auf einen kurzen Profit abzielen". Der Leidtragende sei dabei die alpine Natur. Und auch die Taktik, in immer höher gelegene Skigebiete auszuweichen, werde nicht aufgehen. "Bei allen Höhenlagen um 2.000, 2.500 Meter wird auch auf mittlere Frist die technische Beschneiung nicht mehr die Lösung liefern können."

ARD-Experte Neureuther: Grenzen längst überschritten

Ähnlich argumentiert auch der ARD-Experte Ski-alpin, Felix Neureuther. "Eigentlich sind längst Grenzen überschritten worden." Seiner Meinung nach "müssen nicht noch Skigebiete miteinander verbunden werden und die Leute müssen auch nicht Ende Oktober auf einem Gletscher Ski fahren". Stattdessen reiche es, "wenn sie es erst Ende November oder im Dezember machen können". Die Maßnahmen des Ski-Weltverbands FIS kann Neureuther nicht verstehen.

"Warum verschiebe ich nicht den Zeitpunkt des Weltcup-Auftakts um vier Wochen oder um drei Wochen? Dann liegt da oben natürlicher Schnee, dann müssen keine Arbeiten gemacht werden", fragt sich der ehemalige Skirennläufer. "Dann hat man nicht den Druck, dass Ende Oktober ein Rennen stattfinden muss. Dann geht man diesen ganzen Themen aus dem Weg. Es wäre nicht so schwer, die richtigen Dinge zu tun."

Prognose: Eisfreie Gletscher in den nächsten fünfzig Jahren

Die Lage ist ernst: "Die Prognosen sind eindeutig, dass wir spätestens in den nächsten fünfzig Jahren die Gletscher der Ostalpen, also im Bereich Österreich, verlieren. Diese Schmelze läuft extrem ab und ist auch nicht mehr zu verhindern", stellt Hipp klar.

Auch den Athletinnen und Athleten im Wintersport ist das Thema wichtig. Angeführt von Stars wie Mikaela Shiffrin und Aleksander Aamodt Kilde forderten sie schon im vergangenen Winter in einem offenen Brief an den Ski-Weltverband FIS ein stärkeres Engagement in Sachen Nachhaltigkeit.

"Alles wird auf den Rücken der Athletinnen und Athleten abgewälzt und die tun mir unglaublich leid, weil die werden immer mit diesen negativen Dingen konfrontiert", kritisiert Neureuther. Der ehemalige Skirennläufer befürchtet "große Auswirkungen, weil sich die Leute fragen, 'Was machen die da eigentlich, soll ich das überhaupt noch anschauen?'"

FIS bezeichnet sich als "klimapositiv"

Die FIS rühmt sich selbst für sein Engagement in Sachen Klimaschutz und bezeichnet die sich und ihre Wettbewerbe als "klimapositiv". Für die angeblich positive Bilanz soll eine Regenwald-Initiative in Zusammenarbeit mit der NGO Cool Earth sorgen, welche in Südamerika tätig ist. Vorsitzender dieser Organisation ist FIS-Präsident Johan Eliasch.

Auch deshalb will sich Greenpeace von den Worten des Verbandes nicht zufriedenstellen. "Die aktuellen Bilder belegen jedoch einmal mehr, dass hinter solchen Aussagen reines Greenwashing steckt", erklärte Greenpeace-Sprecherin Ursula Bittner.

Fest steht: Schmelzende Gletscher und der Umgang damit werden von Winter zu Winter ein brisanteres Thema in den Alpen.

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Quelle: BR24Sport im Radio 20.09.2023 - 10:54 Uhr