Christoph Freund, neuer Sportdirektor des FC Bayern, vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen

Bayern München Geht um FCB-Zukunft: Der Aufgabenberg von Sportchef Freund

Stand: 28.09.2023 12:24 Uhr

Keinen Monat ist Sportdirektor Christoph Freund beim FC Bayern. Und schon zeigt sich, wie viel auf den Österreicher zukommen wird. Die notwendigen Wintertransfers sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Denn es geht um die Zukunft des Rekordmeisters.

Von Raphael Weiss

Thomas Tuchel dürfte sich vielleicht sogar insgeheim ein klein wenig gefreut haben, als ihm nach und nach die Innenverteidiger für den DFB-Pokal-Auftakt wegbrachen. Erst Matthijs de Ligt, dann Dayot Upamecano und schließlich sogar Min-jae Kim. Eine bessere Untermauerung seiner Kritik nach Ende der Transferperiode an der Kaderplanung ("Das ist auf Kante genäht") hätte es gar nicht geben können.

Und das bei einem Gegner, bei dem auch Leon Goretzka und Noussair Mazraoui als Aushilfs-Innenverteidiger über weite Strecken einen sicheren Eindruck machten und Goretzka mangels Angriffen oft auf seiner gewohnten Position im zentralen Mittelfeld agieren konnte.

An den Mikrofonen musste Tuchel seine Kritik gar nicht mehr wiederholen. Zu offensichtlich waren die Löcher im Kader der Münchner - und zu deutlich seine Worte zu Saisonbeginn, zumindest für den Geschmack seiner Vorgesetzten. So beließ er es beim Offensichtlichen: "Zum einen ist es eine sehr außergewöhnliche Situation. Zum anderen geht's nicht darum, wer recht hatte. Und drittens ist es eh so, wie es ist", sagte er am ZDF-Mikrofon vor der Partie.

Freund zur FC-Bayern-Ankunft: "War wichtig, ein Gefühl zu bekommen"

Der neue Sportdirektor Christoph Freund, im Sommer von RB Salzburg an die Isar gewechselt, hat mit der aktuellen Situation nichts zu tun. Sein Vertrag begann am Tag, nachdem die Transferperiode endete. Während die Münchner Verantwortlichen daran scheiterten, die Deals für Palhinha und Armel Bella-Kotchap über die Bühne zu bringen, weilte er zwar schon in München, doch er begann erst einen Tag später seinen Dienst offiziell.

"Ich bin jetzt gut drei Wochen hier", sagte Freund. "Ich habe den Verein kennengelernt, den Staff, die Trainer, die Spieler. Es war wichtig, ein Gefühl zu bekommen, für den Verein, die Mannschaft, alles aufzusaugen. Jetzt geht es in die tiefere Kaderplanung."

Defensiv-Transfers: Freund erwartet "Challenge im Winter"

Auf dem Schreibtisch des Neuankömmlings aus Salzburg hat sich ein riesiger Berg an Aufgaben angehäuft. Die nicht gemachten Hausaufgaben aus dem Sommer sind nur die offensichtliche Spitze dieses Berges, die er nun bewältigen muss. Soll der FC Bayern in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League um Titel spielen, müssen die Wintertransfers sitzen.

"Wir werden die richtigen Lösungen finden. Aber es ist sicher eine Challenge im Winter", sagte Freund. Mindestens ein spielstarker Innenverteidiger mit Fähigkeiten, auf den Außenpositionen auszuhelfen, und ein defensiv-denkender Sechser müssen nach dem Wunsch von Trainer Tuchel spätestens am 1. Februar 2024 in München landen und dann tatsächlich auch einen gültigen Vertrag unterschreiben. So soll die sportliche Grundlage für eine erfolgreiche Saison geschaffen werden.

Auslaufende Verträge: Es geht um die Identität des FC Bayern

Doch noch wichtiger ist die langfristige Planung. Da gibt es den auslaufenden Vertrag von Thomas Müller. Das FC-Bayern-Urgestein, das einerseits gerne die Karriere bei seinem Jugendverein beenden würde, dem aber auch bewusst wird, dass er mit seinen 34 Jahren unter Tuchel nicht mehr unbedingt zur Stammformation gehört. Da ist Eric Maxim Choupo-Moting, der als verlässlicher Stürmer und Balsam für die Kabine gilt.

Und da ist freilich der 37-jährige Kapitän des FC Bayern München, der sich vor nun zehn Monaten den Unterschenkel gebrochen hat und seither noch nicht wieder ins Mannschafts-Training eingestiegen ist. "Es kann sich nur noch um Tage handeln", sagte Freund über Manuel Neuer. Er rechne damit, dass der Torwart spätestens kommende Woche wieder mit der Mannschaft trainieren könne.

Doch wie wird Neuer zurückkommen? Kann er noch mehrere Jahre auf Höchstniveau spielen? Wie geht man mit dessen Arbeitspapier, das ebenfalls auf den 30. Juni 2024 datiert ist, um? Neuer wird dann schon 38 Jahre alt sein. Vertreter Ulreich ist schon 35. Und Nummer drei Peretz wird bis dahin wohl wenig Spielzeit bekommen. Doch gerade bei Müller und Neuer geht es auch um die Identität des FC Bayern.

Kimmich, Sané, Davies: Wie geht der FC Bayern in die Zukunft?

Gleiches gilt auch für die Verträge von Leroy Sané (27), Joshua Kimmich (28) und Alphonso Davies (22). Auch sie müssen dringendst besprochen werden. Kimmich würde eigentlich gerne beim FC Bayern weitermachen, so ließ er es immer wieder zwischen den Zeilen hervorblitzen. Doch das Verhältnis zu Trainer Thomas Tuchel ist zumindest belastet. Bevor Tuchel kam, war Kimmich ohne Zweifel als Kapitäns-Nachfolger von Neuer eingeplant. Nach öffentlicher Kritik und Suche nach einer "Holding Six" ist seine Stellung in der Mannschaft angeknackst.

Der Vertrag von Davies war eigentlich so gut wie ausgehandelt, hatte dessen Berater im Sommer verkündet. Doch der Umschwung in der Führungsetage und die Entlassung von Hasan Salihamidžić habe die endgültige Unterschrift zumindest temporär auf Eis gelegt. Eine Aussage, die besonders Real Madrid aufhorchen ließ, und nun lockt der vielleicht größte Verein der Welt einen der besten Außenverteidiger mit seinem Glanz, großen Versprechungen und einem noch größeren Gehalt.

Eine Situation, die man in München schon sehr ähnlich mit David Alaba erlebt hatte, der schließlich ablösefrei in die spanische Hauptstadt zog. Und auch Sané dürfte in dieser Form die Begehrlichkeiten von Top-Klubs wecken. Der FC Barcelona soll laut Medienberichten schon einmal beim Außenstürmer vorgefühlt haben.

Freund muss zeigen, dass er den FC Bayern versteht

Freund wird spätestens jetzt wissen, worauf er sich bei seinem Wechsel zum FC Bayern eingelassen hat. Gleich in seiner ersten Saison kann sein Verhalten, seine Verhandlungsführung maßgeblich die Zukunft des FC Bayern verändern. Es ist ihm zu wünschen, dass er in diesen drei Wochen wirklich sehr viel vom Verein "aufgesaugt" hat.

Denn um sich erfolgreich durch diesen Aufgabenberg zu kämpfen, der auf seinem Schreibtisch liegt, muss man nicht nur viel Fußball-Sachverstand und Menschenkenntnis mitbringen. Man muss das gesamte politische Taktieren beim deutschen Rekordmeister durchschaut haben und für die großen Egos die richtigen Töne finden.

Im Video: DFB-Pokal - der FC Bayern gewinnt bei Drittligist Preußen Münster

Münchens Kingsley Coman (l-r), Torwart Daniel Peretz und Frans Krätzig